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Die Dioskuren: deutsche Kunstzeitung ; Hauptorgan d. dt. Kunstvereine — 10.1865

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https://doi.org/10.11588/diglit.13555#0026

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Lebens, sondern er beschäftigte sich lange mit ernsten histo-
rischen Studien. Erst als er nach dem Tode seines Vaters
im Jahre 1850 das väterliche Gut übernahm, erwachte
durch die tägliche Beobachtung seiner unmittelbaren Um-
gebung die Lust ani genremäßigen Humor. Bis dahin
hatte er jedoch nur gezeichnet. Erst 1853 vertauschte er

den Bleistift mit dem Pinsel, und seitdem hat er eine
Reihe von Bildern geschaffen, die durch die Originalität
ihrer Auffassung und die Lebendigkeit und humoristische
Derbheit ihrer Darstellung solch Aufsehen erregten, daß
die Petersburger Akademie ihn zum Mitglied ernannte.

M.

Louis Hailäit und die belgischen Kunstzustände. (Schluß.)

Als Gallait 1850 sein Leichenbild „Egmont und
Hoorn", beinahe schon vollendet, noch in seinem Atelier
stehen hatte — aber verdeckt — meldeten sich einige
Fremde, deren Namen er übrigens nicht aussprechen
konnte. Eine Dame tief in Schwarz erschien, begleitet
von mehreren Herren. Die Dame nahm Alles höchst
aufmerksam und voll Verständniß in Augenschein. Plötz-
lich drehte Gallait eine der Staseleien, und deckte das
Bild der für die Vertheidigung ihrer Nationalrechte Hin-
gerichteten auf. Die Dame erschrack nicht gleich anfangs,
sah vielmehr auch dies Bild still aufmerksam an, bis sie
ihrer Thränen nicht mehr Herrin werden konnte und heftig
weinend in Ohnmacht fiel. — Es war dies die Gräfin
Antonie Batthyänyi, die edle Wittwe jenes unglücklichen,
am 6. Oft.. 1849 in Pest Hingerichteten Premierministers,
des ungarischen Egmont!

Eines Tages führte ich den bedeutendsten unter den
jungen Historienmalern meiner Heimath, Bartholomäus
Szskely, zu Gallait. Dieser Schüler Piloth's/ neuestens
ebenso bekannt durch seine nach Ungarn gelieferten Ge-
schichtsbilder „Auffindung der Leiche König Ludwigs, des
Kindes" und „Dobozy" wie durch seine Kompositionen am
Maximilianäum in München, fand kollegiale Aufnahme bei
Gallait, der überhaupt fremden Künstlern fast mit Zuvor-
kommenheit entgegentritt. An das Atelier stößt ein gro-
ßer Billardsaal, in den aber eben nicht alle Gäste einge-
führt werden. Dort hängen rings an den Wänden all
die 40 — 50 Meisterwerke des Künstlers, in kleinen, von
ihm selbst und mit besonderer Vorliebe gemalten, sehr
durchgesührten Kopien. Es ist daher ein seltener Genuß,
alle diese Werke an demselben Orte, wenn auch im Kleinen,
doch immerhin in Originalen, vereinigt und beisammen sehen
zu können, um Vergleiche anznstcllen. Fortschritte hat
Gallait seit der Abdikation fast gar nicht gemacht, auch
die Manier nicht gewechselt; er sprang gleich fertig aus

dem Haupte der Zeit, und ist bis jetzt in gleicher Stärke
fertig geblieben.

„Wissen Sie, ich bin kein Idealist" sagte eines Tages
Gallait zuni Unterzeichneten, „ich hege keinerlei unklare
Wünsche und Sehnsüchteleien, und brachte es mit allen
Illusionen zu Ende, ja, habe eigentlich schon längst Testa-
ment gemacht. Ich traure nicht mehr, daß ich so Vielerlei
nicht schaffen konnte, nicht Gelegenheit dazu erhielt, was
mich einst mit glühendstem Drange erfüllte. Jetzt bin ich
darüber ruhig. Aber ich werde mein ganzes Dasein doch
für ein halbes, verfehltes betrachten, wenn ich sterben sollte,
ohne — Shakspeare illustrirt zu haben! Ich lernte nur
deswegen englisch, und das ist der einzige Dichter, an dem
ich mich versuchen möchte, ob ich denn wohl fähig bin, ihn
zu verstehen und ihn künstlerisch annähernd wiederzu-
geben? Was ich bisher von den Engländern, von Dela-
croix, von Kaulbach oder sonst wem sah, war vielfach
größer, als ich es selbst je leisten könnte; aber ich würde
Shakspeare eben ganz anders geben. Leider, daß ich
vielleicht nie dazu komme!"

Gegenwärtig, wie alljährlich mehrmal, weilt Gallait
wieder einige Monate bei Freunden in England; aber
auf dem Lande, nicht in London.

Allerneuestens nun übernahm es Gallait, für den
Saal der Senatoren 16 Porträts zu malen. Die ihm
feindliche, oder besser gesagt die regierungsfreundliche Presse
hat sofort ausgesprengt, Gallait male also nun doch für
die Regierung! Das ist einfach nicht wahr. Jene Porträts
sind eine Privatbestellung auf Anlaß und Kosten jener
Senatoren. Bevor er jedoch an diesen Auftrag geht, will
er noch zwei Pendants, in Lebensgröße, fertig machen.
Das eine stellt einen „Jungen Geiger" in freier Morgen-
landschaft vor; das andere „Kolumbus in, Kerker". Diese
Gegensätze sind leicht verständlich; sic werden wahrschein-
lich wieder, heißen „Art et Liberte“. K. M- Kerbenyt.

Korrespondenzen.

F. Kopenhagen im December (Dänische Kunst und
Kunstschätze). Die Kriegsereianiffe lenken die Aufmerk-
samkeit auf Staaten und Städte, auf Völker und In-
dividuen, von denen sonst wenig oder gar nicht die Rede
ist; und so gewinnen sie auch in mancherlei anderer Be-
ziehung an Interesse. Es dürfte daher, denke ich mir, man-
chem Leser Ihres Journals nicht unlieb sein. Etwas über
die hiesigen Kunstverhältnisse zu erfahren. Wenn man
von Dänemark in Bezug auf seine Kunst und Kunstanstal-
ten, Künstler und Sammlungen spricht, so kann man da-
runter nur Kopenhagen verstehen. Kopenhagen ist nicht
blos das Herz, sondern auch der Magen des Staates.
Nirgends, selbst nicht in Frankreich — wo Marseille, Lyon
und andere bedeutende Städte besondere provinzielle Cen-
tren bilden — ist die Centralisation der Hauptstadt bis zu
einer solchen Ausschließlichkeit gediehen, wie hier. — Die

Provinzen sind nur zum Dienste der Hauptstadt da, von
ihren reichen Mitteln mästet und schmückt sich die Residenz.
Außerdem wetteifern Industrie und Handel, Hofgunst und
BÜreaukratie, Kopenhagen groß und glänzend zu machen.
Und dies ist denn auch in hohem Maaße gelungen. „Kjöbn-
havn" (d. h. Kaufhafen) zählt zu den schönsten und präch-
tigsten Städten Europas. Hiezu kommt noch seine schöne
Lage, obgleich sie an Anmuth und malerischer Schönheit
nicht mit der von Stockholm verglichen werden kann.

Kopenhagen hat 530 Straßen und 13 öffentliche Plätze.
Von diesen letzteren sind die bemerkenswerthesten: KongenS
Nytorv (d. h. Königs-Neumarkt), ein großer Platz in der
Neustadt, welcher einen Centralpunkt von Kopenhagen bil-
det, indem nicht weniger als zwölf größere Straßen von
ihm ausgehen. An demselben stehen das Haupttheater der
Stadt, ein paar andere größere öffentliche Gebäude und
 
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