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Die Dioskuren: deutsche Kunstzeitung ; Hauptorgan d. dt. Kunstvereine — 10.1865

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https://doi.org/10.11588/diglit.13555#0038

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als Zierden eines Gartens oder als Karyatiden und dergleichen.

Bei dieser Gelegenheit können wir nicht umhin, eine
Bemerkung über den nothwendigen Zusammenhang zwischen
dem Motiv, rücksichtlich seiner ideellen Bedeutung, und
dem dimensionalen Maaß seiner Ausführung zu machen.
Wie in der Malerei, wo vom kolossalen Format deS ernst-
haften Historiengemäldes herab dis zu dem geringen Um-
fang des kleinen Genres ein bestimmtes und in den meisten
Fällen ziemlich genau zu bestimmendes Maaßverhältniß
zwischen rem ideellen Inhalt des Vorwurfs und der äußer-
lichen Größe der Leinwand obwaltet, so hängt auch in
der Plastik die dim ensio nale Gr öße des Werks mit dem
ideellen Gewicht des Motivs auf's Engste zusammen;
und wie in dieser Beziehung von den Malern nur zu oft Miß-
griffe geschehen, so auch von den Bildhauern. Im All-
gemeinen kann man als Regel aufstellen, daß — von den
Monumentalbildwerken vorläufig abgesehen — ein plasti-
sches Werk einer um so größeren Dimension fähig und
bedürftig ist, je abstrakter, symbolischer, idealistischer der
im Motiv liegende Gedanke ist; während ein Werk, dessen
Idee dem realen Leben entnommen oder gar genrcmä-
ßig behandelt ist, in enge Grenzen sich zusammenziehen
muß, und zwar um so mehr, je entschiedener das Reali-
stische oder Genremäßige darin zur Erscheinung kommt.

Von diesem Gesichtspunkt nun ist es erklärlich, daß das
in halber Größe ausgeführte Gypsmodell der Snßmann'sche
„Friedrichstatue" einen viel besseren und ansprechenderen
Eindruck macht, als die große Statue, weil die etwas
an's Genrehafte anklingende Auffassung der Figur sich
eben mehr für die Ausführung in kleinerem Maaßstabe eignet.

Dasjenige Werk nun, was unserer Auffassung von
der Aufgabe der modernen Plastik unter allen Arbeiten
der Ausstellung am nächsten kommt, ist Schilling's
„Nacht". Bekanntlich gehört diese Gruppe zu den von
dem Künstler für die Treppe der Brühl'schen Terrasse kom-
ponirten Gruppen, worüber mir schon einige Mal berichteten.
Hier haben wir nun den thalsächlichen Beweis für die
Möglichkeit einer allgemein-menschlichen Symbolik ohne
Anklang und Remi'niscen; an antike oder mittelalterliche
Schemata. In der „Nacht", die wir als eine der edelsten
Gestaltungen moderner Plastik betrachten, ist ebensowenig
„Antikes" wie „Genremäßiges"; und die ganze Komposition
zeigt bei aller Einfachheit und ruhigen Schönheit der For-
men doch einen entschieden malerischen Fluß der Linien.
Von besonderem Vortheil, ja von ästhetischer Nothwendig-
keit ist dabei die Gewandung. Jenes malerische Element
würde ohne den dankbaren Reichthum an Gewandforinen
nicht oder doch nur in viel beschränkterem Maaße zur
Erscheinung gekommen sein. Die Gruppe ist nur Gyps-
abguß. In Marmor würde der Eindruck, in idealer so-
wohl wie formaler Beziehung, noch viel bedeutender sein.
Hier zeigt sich nun ein eigenthümlicher Gegensatz zwischen
Begas und Schilling, denn während für den ersten
der Gyps ein Bortheil, ja eine Nothwendigkeit ist, da
nur in ihm das Fleisch in seiner Sinnlichkeitswirkung
zur vollen, drastischen Erscheinung gelangen kann, ist für
Schilling der Gyps ein Nachtheil, ein Hinderniß für
das geistige Element der Gruppe, welches nur in dem
transparenten Marmor zur rechten Geltung kommen wird.

(Schluß folgt.)

Kunstgeschichte und Antiglntäten.

Fund bei den Restaurationsbaute» des Domes zu Halberstadt.

Man kann als Regel annchmcn, daß bei durchgrei-
fenden Restaurationen großer Kathedralen Jahreszahlen,
Wappen und andere Merkzeichen zu Tage kommen, welche
nicht nur bereits vorhandene historische Notizen bestätigen,
sondern auch wohl neue Aufklärung geben. — Als beim Be-
ginn der Restauration unseres Domes 1845 die hölzernen Em-
poren entfernt und die Pfeiler von allen! Umbau befreit wur-
den, fanden wir am 4. Pfeiler, von den Thürinen ab ge-
rechnet, die Jahreszahl XLIII, am 5. Pfeiler gleichfalls
XLIII, am 6. Pfeiler MCCCCXLIII, am 7. Pfeiler da-
gegen XLIL somit ist nun unbezweiselt feftgeftel.lt*), wel-
cher Zeit diese Theile des Domes angehören und daß
von beiden Seiten, sowohl von der Krenzmitte wie von den
Thürmen ab, der Ban zu gleicher Zeit gefördert ist. Die
Vollendung der Gewölbebauten datirt erst von 1486, wie eS
die .Inschrift des Schlußsteines der Gurten zwischen dem 2.
und 3. Pfeilerpaar unbezweiselt ergiebt. Im Spätherbst vo-
rigen Jahres ist nun auch der Fußboden im hohen Chore ans-
genommen, planirt und zum Belegen mit neuen Fliesen
vorbereitet, aber unter den vier rothen Marmorplatten,
durch welche die Grabstellen der Bischöfe Bernhard, Bran-
bogus, Sigismund und Arnnlph (1010) bezeichnet sind, zur
Zeit noch nichts entdeckt.

Da auch der aus Sandstein konstruirte Hochaltar einer
gründliche» Reparatur bedarf, so ist der Altaraufsatz u.
A. ein alter schwerer Schrank von Eichenholz mit Eisen
beschlagen, angenommen, und hat sich dann, für prote-
stantische- Kirchen ganz ausnahmsweise, noch die geweihte
Marmorplatte unversehrt und unter derselben ein Blei-
kasten gefunden, der eine Menge Reliquien, deren Be-
ziehungen in der Regel ungelöst, auch eine Urkunde mit
dem Siegel des Erzbischof Ernst enthielt, die, weil der
Bleikasten aus Dachblei roh zusammen geschlagen und nn-
verlöthet geblieben, leider so sehr vermürbt war, daß bei

*) In dem Werke „Der Dom zu Halberstadt" von
Unterzeichnetem ist die Bauzeit dieser Pfeiler in das Ende des
14. Jahrhunderts angesetzt, da der Chor bereits 1362 vollendet
und neu gcweihet war.

einzelnen Stücken die Haut und das Bindemittel vollständig
vermodert, und nur der mürbe Kalküberzug mit locker auf-
liegenden Buchstaben zurückgeblieben war. Mit Rücksicht
auf bas Siegel ist es gelungen so viel zu entziffern, daß
die Urkunde vom Erzbischof Ernst am Angustustage im
August 1491 ausgestellt und in den Altar niedergelegt
ist und Bezug hat aus die solenne Neuweihung des Do-
mes, welche der Erzbischof Ernst,'im Beisein der Aebte von
Jlsenberg und Hüzzberg an diesem Tage feierlich vollzogen
hat. An der Vollendung des Baues der Kirche war über
100 Jahre fortgearbeitet, seit Menschengedenken hatte kein
Bischof in derselben celebrirt, und somit war dies Fest
ein um so wichtigeres und glänzenderes für das ganze
Bisthnm. Das Siegel ist völlig unversehrt, wunderbar
schön und kunstvoll gearbeitet, wie ein Werk eines der
geschicktesten nürnberger Meister jener Zeit. Die Heiligen
Mauritius (Magdeburg) u. Stephanus (Halberstadt) stehen
in einem reich und schön gegliedertem Bilderhause, daS
mit einem kostbaren Baldachin geschmückt ist. Die Schrift
lautet: Sigillnm Ernesti archiepiscopi Magdeburgensis,

Primatis Germaniae, Administrators Halberstadensis,
dueis Saxoniae. Unter den Reliquien de Corpore Do-
mini, St. Barbarae, St. Augustini, St. Mariae et Magda-
lenae fanden sich auch Rückenwirbelknochen schwarzbraun
wieMumien, und als St. Laurentius bezeichnet. Da diese, ohne
Zweifel Mumienstücke, in ein Stück seidenes Zeug einge-
schlagen sich befanden, auf welchem Isis, zwei Ibis und
andere ägyptische Figuren, so möchte hier der ägyptische
Ursprung kaum bezweifelt werden können. Von höchstem
Interesse ist dieser Rest seidenen ZengeS. Die Figuren
alle, selbst das Ornamentale, ist bis in's Kleinlte fein und
geschmackvoll, ja originell und kunstwerth. DcrGtnndstofs hat
eine grüne Farbe und AlleS ist mosaikartig, aber mit
einem Geschick, mit einer Feinheit zusammengenäht, daß
man das Ganze wie Malerei ansehcn könnte.

ES lohnte sich der Mühe, diese so seltene alterthüm-
liche Seidenarbeit nachbilden und veröffentlichen zu lassen.

Or. Liicanus.
 
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