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Die Dioskuren: deutsche Kunstzeitung ; Hauptorgan d. dt. Kunstvereine — 10.1865

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https://doi.org/10.11588/diglit.13555#0119

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106

und gründete dortselbst auch vor drei Jahren seinen häus-
lichen Heerd.

Muhr's Produktivität erscheint als eine sehr mannig-
fache. Was zunächst das Porträtfach betrifft, so müssen
vor Allem seine Bildnisse des Feldzeugmeisters Baron
von Schlick in Lemberg, des Malers Overbeck für den
Grafen Raczynsky in Berlin, so wie jenes des Monsignore
Lichnowsky in Nom und der Fürstin Poli dortselbst her-
vorgehobeu werden.

Dahin gehört ferner das durch den Schreinerischen
Farbendruck vervielfältigte Bildniß des Königs Ludwig II.
von Bayern und ein weiblicher Studienkopf im Besitze
des Freiherrn v. Schätzler in München. Von ein paar
Kirchenbildern Muhr's findet sich das Eine, „Der heilige
Martin", in der Kirche zu Bcrnried am Starnberger See.
Die weitaus größere Anzahl seiner Arbeiten aber gehört
dem Gebiete des Genre an. Da findet sich eine „Predigt
in der Sixtina zu Rom" mit nach dem Leben gemalten
Bildnissen des Papstes Pius IX. und vieler Kardinäle,
eine „Siesta der Kamaldulenser-Mönche" in der Samni-
lung der Erzherzogin Sophie von Oesterreich, „Eine Non-
nengruppe" in England, „Ein Mönch als Violinspieler" in
einer Schweizersammlung, „Ein Mönck in der Zelle" in
der berliner Nationalgalerie, „Pifferari in Nom" und
„Eine Pusta" mit geigenspielenden Zigeunern in doppelter
Bearbeitung, die eine Eigenthum des Grafen Henckel in
Berlin, die andre in der berühmten Sammlung des Baron
Schack in München, endlich „Fliehende Zigeuner" im Be-
sitz des Kaufmanns Ewest in Berlin und eine „Trauernde
Fischerfrau am Strande" in einer Schweizersammlung.

Den Uebergang zur Historie bildet das „Schachspiel
Adelheids und des Bischofs von Bamberg" aus Götz von
Berlichingen, Eigenthum des Grafen Henckel in Berlin
und das „Gastmahl Johanna's von Arragon" in England.

An der Spitze seiner historischen Komposition steht sein

„Hiob, von seinen Freunden getröstet", ein von ächt
biblischem Hauche durchwehtes Bild; daran reihen sich eine
„Susanna", eine „Bacchantin" und zwei Genien „Morgen"
und „Abend". Auch dem Studium der landschaftlichen
Natur ergab er sich mit Eifer: ein kleines Mondscheinbild,
im Besitze der Königin Mutter von Bayern, zeigt, wie
ernstlich er sich dasselbe angelegen sein ließ.

Es lag nicht in unsrer Absicht, ein erschöpfendes Ver-
zeichniß aller Werke Muhr's zu geben; die angeführten
genügen, um daraus zu ersehen, daß er rastlos thätig sein
mußte, um das zu schaffen, was er schuf. Dabei ist na-
mentlich nickt zu übersehen, daß er viele Jahre ausschließlich
damit beschäftigt war, mit dem wackeren Echter die Kom-
positionen Kaulbachs ini Treppenhaus des neuen Museums
in stereochromischer Art auszuführen, wobei ihm natürlich
keine Muße blieb, an selbständiges Schaffen zu denken.
Am weitesten verbreitet von allen Arbeiten Muhr's dürfte
sein Zeitbild „Schleswig-Holstein" sein, welches in unzäh-
ligen Photographien in ganz Deutschland umläuft und
dessen Edition gerade in jenen Augenblick fiel, welcher der
Okkupation durch den Bund vorausging.

Alle Schöpfungen des zu früh hingegaugencn Künstlers
athmen ein durch äußere Einflüsse unbeirrtes Streben nach
dem Idealen und zeugen von einem sehr bedeutende» Ta-
lente und feinem Farbensinne.

Muhr hinterließ manches schöne Gedicht, ohne daß
selbst Näherstehende von seiner poetischen Thätigkeit etwas
ahnten. Seine Bescheidenheit hielt ihn ab, seine dichte-
rischen Erzeugnisse zu veröffentlichen. Aber als Dichter
sprach er sich auch in seinen Bildern aus, welche stets
von einem trefflich ausgesprochenen poetischen Gedanken
getragen sind, mochte derselbe in den Gestalten der antiken
Götterlehre oder in der Romantik des Mittelalters und
der Gegenwart ausgesprochen worden.

Worwaldlen und sein Museum in Kopenhagen. (Fortsetzung.)

Von W. B.


rst im Jahre 1800 beginnt er ein Modell,
das „Jason, wie er das goldene Vließ
erbeutet hat", darstellen sollte. Das
^Thonmodell war auch im März des fol-
genden Jahres fertig. Aber fehlten ihm
schon die Mittel, diesen „Jason" in Gyps
abgießen zu lassen, so mangelte ihm um
mehr die Lust, andere Skizzen wie
«SXPT w „Venus und Mars", „Achill und die
^Amazonenkönigin Penthesilea" nur in Thon
c,v~ auszuführen, denn es geschähe doch nur

iLch) (meinte er), damit sie vertrockneten und

wieder zerfielen. So hatte er lange sein Jason-Modell
feucht erhalten, bis er es 1802 zusammenschlug, um
durch Nachbildung von Büsten sich Subsistenzmittel zu
schaffen. Denn wenn ihn bis dahin auch die Akademie
mit jährlichen Unterstützungen bedacht hatte, länger konnte
man sie ihm nicht zu wenden, um nicht gegen Andere
ungerecht zu sein.

Torwaldsen bereitet sich also zur Abreise vor, sie
wird aber nochmals bis zum Frühjahr 1803 verschoben,

wo er in Zoöga einen Reisegefährten finden soll. Da
beginnt er zum zweiten Male einen „Jason" aufzubauen.
Kaum ist er im Januar des folgenden Jahres fertig, als,
durch günstige Urtheile einiger Kenner auf ihn hingewiesen,
die Besucher sein Atelier förmlich bestürmten, um das ge-
priesene Kunstwerk zu sehen. Selbst der strenge Zoöga
hatte ihm seinen Beifall geschenkt. Und wenn man das
Werk betrachtet, wie es so frei von aller Manier, mit
Beiseitsetzung alles Weichlichen und Zerfließenden in der
Form, die Wahrheit eines edeln Naturalismus in allen
Gliedern repräsentirt, so versteht man auch Canova,
den anerkannt größten Meister der Bildhauerkunst in der
damaligen Zeit, wenn er bei seinem Anblicke bekennen
müßte: <zuS8t' opera di quel giovane danese e fatto in
uno stilo nuovo e grandioso.

So war „Jason" der bedeutungsvolle Ausgangspunkt,
von welchem Thorwaldsen seine Künstlerlaufbahn begann,
indem es zugleich die Richtung bezeichncte, der er von
da an nicht mehr untreu wurde. — Aber durch alle An-
erkennung und Bewunderung wurde seine Lage noch nicht
gebessert, sie erschien im Gegentheil um so drückender, als
 
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