Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Die Dioskuren: deutsche Kunstzeitung ; Hauptorgan d. dt. Kunstvereine — 10.1865

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.13555#0135

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
122

Das Buch zerfällt in drei oder eigentlich nur in zwei Ab-
schnitte, nämlich 1. in die Betrachtung der älteren Meister
und zwar a) der Venetianischen Maler, b) der spanischen und
niederländischen Maler, 2. in die Betrachtung der Künstler
der Jetztzeit. Dieser letztere Abschnitt, ohnehin an Raum
der am wenigsten umfangreiche, ist entschieden der schwächere.
Schon die Aufeinanderfolge der Künstler, welche er charakterisirt,
nämlich Menzel — Feuerbach — Cornelius — Karl Becker —
Magnus —- Richter — Hildebrandt — von Hagn — Gentz —
deutet auf eine mehr aphoristische Weise der Betrachtung hin.

Der Hauptgegenstand unsers Berichts wird deshalb immerhin
der erste Abschnitt bilden; und bemerken wir am Schluß dieser
einleitenden Vorbemerkung nur noch, daß wir unsre kritische
Aufmerksamkeit weniger auf die specifischen Urtheile Unger's
über die einzelnen Künstler, die wir übrigens zum größten Theil
unterschreiben, als auf die allgemein gültigen kunstwissenschaft-
lichen Principien und Anschauungen des Verfassers richten wer-
den, welche sich aus seinen einzelnen Betrachtungen als kritische
Normen resultatorisch ergeben. M. Sr.

(Fortsetzung folgt.)

Bibliographische Aeberstchl

Raphael Santi. Sein Leben und seine Werke. Von Alfred
Freiherrn von Wolzogen. — Leipzig. F. A. Brock-
haus. 1865-

Beiträge aus Wartenberg zur neueren deutschen Kunst-
geschichte. Von Prof. Or. Ad. Haakh, geschäftführende
Mitglied der k. Direction der Kunstschule u. s. s. Mit einem
Portrait Gottlieb Schick's und fünf Radirungen nach
PH. Fr. von Hetsch, Eb. von Wächter, G. Schick, I. H. von
Dannecker, Ph. I. von Schefsauer. — Stuttgart. Verlag
van Fr. Bruckmann. 1863.

Neuestes Allgemeines Künstlerlexikon. Leben und Werke
der Künstler aller Zeiten und Völker, der berühmtesten Bau-

meister, Bildhauer, Maler, Kupferstecher, Formschneider,
Lithographen re. von den frühesten Kunstepochen bis zur
Gegenwart. Begonnen von Prof. Fr. Müller fortgesetzt
und beendigt von Or. Karl Klunzinger u. A. Seuberl.
3 Bände. — Verlag von Ebner u. Seubert. Stuttgart. 1865.

„Tellskapelle am Wierwaldstädter See", nach Linke chro-
molithographirt von Lühnens chlo ß und Steinb ock. 1865.

„Scenen aus dem Kriegslebe» in Schleswig 1864."
Nach Zeichnungen von Salpius, Majyr im Generalstabe,
lithographirt von L. Burger und Arnold. — Berlin.
Verlag von A. Bath. 1865.

Kunst-Institute und Kunst-Vereine.

Wissenschaftlicher Knnstvercin in Werlin.

In der Versammlung am 15. d. >var nur ein einziges
Kunstwerk aufgestellt, aber es war auch ein einziges in des
Wortes strengster und wahrhaftester Bedeutung. Unser Prof.
Mandel — und wir dürfen auf dies „unser" stolz sein —
hatte einen ersten Abdruck der von ihm im Kupferstich ausgeführ-
ten Madonna della sedia Raphaels ausgestellt. Bor fünf
Jahren reiste Prof. Mandel nach Florenz, wo er nach dem in
der Galerie Pitti befindlichen Original eine Zeichnung machte,
so gelungen und vollendet, daß es den Freunden des Künstlers
und ihm selbst zweifelhaft schien, ob die Ausführung mit dem
Grabstichel ihm in gleicher Vollkommenheit gelingen werde. Zur
Freude aller Kunstfreunde und gewiß auch zu des Künstlers
eigener Genugthuung steht nun das Werk vollendet da, weit
erhaben über jede Kopie, die von dem berühmten Originale, sei
es in Farben, Zeichnung, Photographie oder in welcher anderen
Weise jemals gemacht wurde. Durch Mandel's Kupferstich, dies
können wir behaupten, ohne Widerspruch befürchten zu müssen,
tvurde Raphaels Madonna della sedia die Unvergänglich-
k,cit gesichert. — Or. Alfred Woltmann legte dem Verein
mehrere Photographien nach Gemälden und Zeichnungen Hol-
bein's vor, bestimmt für ein Holbein-Album, welches derselbe
im Schauer'schen Verlage herausgeben wird. Er knüpfte an
diese Bilder einen erläuterten Vortrag, tvelcher den großen Künst-
ler namentlich als Geschichtsmaler in das Auge faßte, während
er, mit Ausnahme seiner berühmten Madonna mit der Familie
Meyer, in weiteren Kreisen eigentlich nur durch Bildnisse be-
kannt tft. Die Geschichtsmalerei nach modernen Begriffen beginnt
in Deutschland erst mit Holbcin, der in seinem ganzen Wesen
modern ist, und deshalb, mehr wie jeder seiner nordischen Zeit-
genossen, uns heute noch nahe steht. Dies versuchte der Vortra-
gende in einer kurzen Charakteristik mehrerer Hauptlverke Holbein's
durchzuführen, zunächst seiner Augsburgischen Jugendwerke, unter
denen der Altar des heiligen Sebastian mit den dazu gehörigen
Flügelbildern jetzt in der Münchener Pinakothek, obenan steht.
Bon dem, was Holbein geschaffen, seit er 1516, im Alter von
16 Jahren, seine Vaterstadt Augsburg mit Basel vertauschte, ist
leider das Bedeutendste , wie seine großen Wandmalereien, in
denen er profangeschichtliche Gegenstände behandeln konnte, nicht
auf uns gekommen. In seinen religiösen Darstellungen aber
waltet ebenfalls ein wesentlich profaner Geist, wie auf der be-
rühmten Passionstafel des Baseler Museums. Nicht der Andacht
zu genügen ist hier das Ziel; es überwiegt das Interesse an den
Vorgängen selber, die echt dramatisch aufgefaßt sind. Eines der-
jenigen Staffeleibilder des Baseler Museums, auf welche der
Vortragende besonders Gewicht legt, sind die ehemaligen Orgel-
flügel des Münsters, bisher noch wenig beachtet. Von der außer-
ordentlichen Pracht und Fülle der Gestalten legt die Photogra-
phie ein Zeugnitz ab. Als nun Holbein im Jahre 1516 durch
die Noth daheim veranlaßt, sich in England einen neuen Wir-

kungskreis suchte, ward er durch den Geschmack des Landes allein
auf das Portrait beschränkt. Aber seiner eigenen Nation konnte
er sich, auch aus der Ferne, noch in anderer Weise in das Ge-
dächtniß zurückrusen, nämlich durch seine Holzschnitte, deren
Haupterscheinungen, wie der Todtentanz, jetzt erst herauskämen.
Ohne aus diese tiefsinnigste von Holbein's Schöpfungen weiter
eingehen zu wollen, beschränkte der Vortragende sich, die politische
Seite des Todtentanzes nachzuweisen und darzulegen, wie na-
mentlich die reformatorischen Bewegungen der Zeit Ausdruck in
ihm, wie in einigen anderen Holzschnitten des Künstlers, finden.
Hier zeigt sich also Holbein als den großen Geschichtsmaler, nicht
nur indem er historische Darstellungen gießt, sondern indem er
seine Kunst an den Zeit-Bewegungen theilnehmen und so zu
einem Elemente werden läßt, das tvirklich eingreift in die Ge-
schichte. — Mit Beziehung auf die Aeußerung des Or. Wolt-
mann, „daß Holbein's Größe in der historischen Komposition sich
vornehmlich in den kleinen Holzschnitten offenbare, die von seiner
Hand herrühren", bemerkte Or. Schasler, daß er hierin mit
dem Vorredner vollständig übereinstimme. Es sei darum aber
eine Frage, welche viele Kunstforscher lebhaft beschäftigt habe,
von großer Bedeutung, nämlich die Frage der sogenannten
„Eigenhändigkeit der Malerformschnitte", worüber namentlich
von Rumohr, Umbreit, Sotzmann u. A. ausführliche Untersuchun-
gen angestellt worden. Mit Rücksicht aus den damaligen Zustand
der Zeichenmaterialien (der Bleistift war noch nicht bekannt) und
mit Rücksicht auf die zarte kleinmeisterliche Detail-Ausführung
der Holbein'schen Holzschnitte sei es wahrscheinlich, daß Holbein
und wahrscheinlich auch Albrecht Dürer ihre Kompositionen nur
in den seltesten Fällen unmittelbar selbst auf den Stock gezeich-
net, vielmehr dieselben, und zwar in größerer Dimension, mit
der Feder auf Papier entworfen haben. Dies schließt nicht aus,
daß nach der Ausführung des Schnitts sie mit eigener Hand
und mit dem Schneidemesser Korrekturen auf dem Stock ausge-
führt haben. Von diesen nachträglichen Korrekturen ist vielleicht
die Tradition von der „Eigenhändigkeit der Maler-Formschnitte"
entstanden. Was die Schärfe der Charakteristik dieser alten Mei-
sterschnitte betrifft, so ist sic in den Holbein'schen entschiedener,
als in den Dürer'schen. Auch dieser Umstand spricht für die
Entwersnng einer Vorzeichnung für den Holzschneider, denn wäh-
rend die Dürer'schen Holzschnitte von verschiedenen Formschneidern
der Nürnberger Holzschneiderschule ausgcführt wurden, hatte sich
Hans Lützelburger, von dem die Holbein'schen Kleinschnitte
herrühren, so in die Auffassungsweise des Meisters hineingear-
beitet, daß er den Charakter der Vorzeichnung auch bei der Ver-
kleinerung der letzteren mit facsimileartiger Treue vermittelst des
Schneidemessers auf dem Stock zu reproducircn im Stande war.
Es wäre nun — wandte sich der Redner an Or. Woltmann —
von nicht geringer Bedeutung, wenn eine solche Vorzeichnung
von der Hand Holbein's nachgewiesen werden könnte, und er
frage deshalb, ob ihm (Or. Woltmann- bei seinen, wie es schiene,
eingehenden Studien über Holbein eine solche Handzeichnung zu
 
Annotationen