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Die Dioskuren: deutsche Kunstzeitung ; Hauptorgan d. dt. Kunstvereine — 10.1865

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https://doi.org/10.11588/diglit.13555#0139

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Felde, wo er sich auch am freudigsten bewegte, dem Leben
nämlich seine künstlerischen und poetischen Momente abzu-
lauschen und sie plastisch zu gestalten. Er war geradezu
ein plastisches Genie. Schon in seinen Jugendjahren,
als er sich in Kopenhagen mit einigen Freunden zu ge-
meinsamen Studien vereinigt hatte, war er entweder mit
einer Skizze zu Ende, wenn die anderen noch in Unbe-
stimmtheit über die passende Darstellung schwankten, oder
er hatte etwas Thon oder Brod in der Hand und ließ
die bildenden Finger darin spielen. In seiner äußerst
einfachen Weise, mit der er lebte und dachte, erwiederte
er einst einem Besucher, der sich über die Leichtigkeit und
Fruchtbarkeit seines Schaffens wunderte: „Entweder geht
es so schnell von der Hand, oder gar nicht", Worte, in
denen er sich selbst und die ächte Kunst in ihrer Unmittel-
barkeit gezeichnet hat. Von welchem anderen Künstler
der Neuzeit läßt sich wohl erzählen, daß er eine Reiter-
statue („Poniatowsky") in fünf Tagen oder einen Fries
von 56' Länge und 3^' Höhe in drei Monaten modellirt
habe? Charakteristisch für ihn ist noch folgende Kleinig-
keit. Am 23. März 1841, kurz vor dem er seine letzte
Reise nach Italien antrat, hatte er noch ein Relief, „Die
Gerechtigkeit", vollendet, wozu ihm nach Beendigung seiner
sonstigen Arbeiten einige Tage Zeit geblieben war. Es
war nun noch etwas Thon und auch Platz auf seiner
Tafel und, da er erst den 25. reisen sollte, ein Tag übrig;
drei äußere Umstände, die Thorwaldsen genügten, um
noch ein Relief, „Amor und Psyches Abschied", entstehen
zu lassen. Noch an demselben Tage goß er es selbst in
Gyps ab.

Kehren wir aber jetzt wieder zum Museum zurück, um
zunächst seine Vorhalle zu betreten. Hier zeigt sich Thor-
waldsen als Genosse der historischen Kunstrichtung.
Männer des Kriegs und des Friedens, der Kunst und
der Wissenschaft, stehen, wenn auch sämmtlich nur in Ab-
güssen, durch die Größe und Würde ihres Wesens im-
ponirend, vor unseren Augen. An den Schmalseiten
kolossale Reiterstatuen, rechts die des „Fürsten Ponia-
towsky" (1821), links die des „Kurfürsten Maximilian von
Bayern" (1836 voll.). Während diese 18' hohe Statue,
die den-Kurfürsten in der Tracht und Rüstung des drei-

ßigjährigen Krieges zeigt, seit 1839 eine Zierde Mün-
chens ist, waltete über der ebenso hohen Poniatowsky-
Statue von Anfang an ein Unstern. Schon im Jahre
1817 waren durch ein polnisches Comita mit Thor-
waldsen die bezüglichen Verhandlungen geschlossen, aber
erst im März 1830 konnte es in Bronze gegossen in
Warschau aufgestellt werden. Und kaum stand es, so
brach der Aufstand aus, nach dessen Beendigung die
russische Regierung es für gut hielt, dies Standbild zu
entfernen, das, wie man sagt, stückweise verpackt, in den
Arsenalen der Festung Modlin sich noch befinden soll.
Wie uns aber der im Museum befindliche Abguß noch
zeigen kann, war der polnische Held würdig repräsen-
tirt. Nicht wie man Anfangs gewünscht hatte, im
vollen Nationalkostüme, sondern nach Art des Kaisers
Mark Aurel auf dem Kapitole einfach bekleidet, sehen wir
ihn, unbedeckten Hauptes, das kurze Schwerdt mit der
Rechten erhebend, als Pole nur durch das Wappen des
Landes auf seinem Harnisch bezeichnet, auf einem edlen
Roß, das als stutzend vor dem Sprung in die Elster in
bewunderungswürdiger Feinheit und Wahrheit ausgeführt
ist. Es ist gewissermaaßen auch Porträt, indem nämlich
Thorwaldsen bei einem Aufenthalte in Neapel so glücklich
war, ein arabisches Pferd skizziren zu können, das früher
Poniatowsky gehört hatte.

Gleichfalls für Warschau hatte Thorwaldsen den
in derselben Vorhalle aufgestellten „Nikolaus Kopernikus"
(1823) modellirt. Den großen Astronomen hat er sitzend
Largestellt, den beobachtenden Blick nach den Sternen ge-
richtet und in der Linken einen Himmelsglobus, auf den
er eben mit einem von der Rechten geführten Cirkel eine
Beobachtung zu übertragen im Begriffe ist. Gleich neben
Kopernikus steht die Kolossalstatue „Schillers" (1836), für
die er im Aufträge Stuttgart's mit Benutzung von Dan-
necker's Büste ein Modell entwarf, das er im Großen
von einem seiner Schüler ausführen ließ. Durch Nach-
bildungen ist dies nicht weniger bekannt als das in dem-
selben Saale befindliche Standbild „Guttenbergs", wie
es in Bronze gegossen in Mainz steht. Auch hier rührt
die Ausführung in's Große von einem seiner Schüler
her. (Fortsetzung folgt.)

Korrespondenzen.

3 Hannover, den 2. April. (Das Hermanns-
Denkmal.) Es dürfte wohl gerade in dem jetzigen
Augenblicke, wo eine patriotische Begeisterung frühlings-
hell durch alle deutsche Gauen zieht, an der Zeit sein,
endlich auch eine große nationale Ehrenschuld abzutragen.
Sei es mir daher vergönnt an ein Werk zu erinnern und
die Theilnahme dafür auf's Neue in Anregung zu brin-
gen, für dessen Vollendung die deutsche Nation schon
längst das Ihrige hätte thun müssen; ich meine „Das
Hermanns-Denkmal im Teutoburger Walde". Sie ge-
statten mir, einige zwar längst bekannte, aber wie es
scheint wieder in Vergessenheit gerathene Thatsachen über
die Entstehung und Fortsetzung dieses Werkes in Erinne-
rung zu bringen.

Der Bildhauer I. v. Bändel war es, der mit Pa-
triotischer Begeisterung am 9. Juli 1838 das schöne Werk,
dessen Ausführung er sich zur Lebensaufgabe gemacht, be-
gann, und welches, wenn ihm die Nation, auf deren Bei-

hülfe er mit Sicherheit rechnete, nicht im Stiche gelassen
hätte, längst die grüne Zinne des Teutberges krönen
würde, ein stolzes Wahrzeichen deutscher Kraft und
Einigkeit!

Der schöne säulengetragene Unterbau, der sich auf der
Grotenburg oder dem Teut-Berg (1200 Fuß hoch), der
höchsten Bergspitze des Teutoburger Waldes, stolz erhebt,
entbehrt seiner Krone, der Figur Herrmann's!

Der großartige Bau, so fest wie der Fels, auf dem
er gegründet, enthält 16,000 Kubikfuß und ist vom här-
testen Quadersandstein aufgeführt. Neunzehn Jahre steht
der Bau und legt, da er sich nicht im mindesten verän-
dert hat, Zeugniß ab, daß er mit der künstlerischen Schön-
heit eine Solidität verbindet, die den Stürmen kommen-
der Jahrhunderte trotzen wird.

Die Figur Herrmann's, in Kupfer getrieben, mißt in
ihrer Höhe 52 Fuß, mit Platte und Helmschmuck 60 Fuß,
bis zur rechten Faust 66 Fuß, bis zur Schwertspitze 90
 
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