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Die Dioskuren: deutsche Kunstzeitung ; Hauptorgan d. dt. Kunstvereine — 10.1865

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https://doi.org/10.11588/diglit.13555#0175

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teil bem strebsamen jungen Manne Gelegenheit zu sehen,
was Meister seines Faches in andern deutschen Städten
leisteten. Hatte er schon bis jetzt nicht versäumt, in der
Zeichnenkunst festen Boden zu gewinnen, so wuchs die
Freude daran von Jahr zu Jahr, was zur Folge hatte,
daß er im Jahre 1855 sich als Zögling der münchener
Akademie der bildenden Künste einschreiben ließ und so-
fort mit größtem Fleiße nach den Antiken zeichnete. Aber
noch schwankte er, welchem besonderen Zweige der Kunst
er sich zuwenden sollte, und erst im zweiten Jahre seines
Akademie-Besuches entschied er sich für das Graveurfach.
Diesem Entschluß gemäß trat Stanzer im Jahre 1857
in die von Professor Max Widnmanu geleitete Bild-
hauerschule au der genannten Akademie.

Zwei Jahre später erhielt Stanzer für ein Relief,
„Bacchus, den Amor trinken lehrend", die silberne Ehren-
münze. Durch eine so ehrenvolle öffentliche Anerkennung
seines Talentes wie seines Fleißes zu noch erhöhter Thä-
tigkeit angespornt, lag er seinen Studien mit so eisernem
Fleiße ob, daß er im darauf folgenden Jahre die von
der Akademie gestellte Preisaufgabe: „Der Raub des
Hylas" zur allgemeinen Befriedigung in so hervorragen-
der Weise löste, daß ihm der erste Preis zuerkanut ward.
Mit diesem Preise war nach alter Gewohnheit ein Reise-
Stipendium verbunden, welches dem jungen Künstler einen
längeren Aufenthalt in Paris zum Zwecke der Ausbil-
dung in seiner Kunst ermöglichte.

Wenn junge Künstler im Allgemeinen eine solche
Ausbildungsreise nicht früh genug antreten zu können
glauben und sie in der Regel auch meist viel zu früh an-
treten, als daß sie und die Kunst davon namhaften Ge-
winn haben könnten, so machte Stanzer für seine Per-
son eine ehrenvolle Ausnahme von dieser Regel. Wäh-
rend seines verlängerten Aufenthaltes in München model-
lirte er noch die Porträt-Medaillons der Maler „Moritz
v. Schwind", „Philipp Foltz" und „Wilhelm v. Kaulbach"
und erwarb sich durch die Aehnlichkeit der Bildnisse wie
durch die ächt künstlerische Auffassung der Charaktere und
die Sauberkeit der Ausführung allseitiges Lob. Die letzte
Arbeit, welche er in München noch in Angriff nahm, war
die Modellirung eines trefflichen Bildnisses des „Prinzen
Luitpold von Baiern", welches er in Paris ausfüh-
ren wollte.

Im Sommer 1860 machte er sich denn auch dahin
auf den Weg. Seine Empfehlungsbriefe sicherten ihm
die freundlichste Aufnahme bei dem kaiserl. französischen
Münzmedailleurs Barr6, der ihn seinerseits wieder an
den Medailleur Dantzell weiter empfahl, von welchem
Stanzer für das ganze Jahr Arbeitslvkal, Werkzeuge rc.
mit der größten Liberalität zur Verfügung erhielt.

Unter Dantzell's Leitung schnitt Stanzer vorerst
den Stempel zur Porträtmedaille des Prinzen Luitpold
von Baiern und nach deren Vollendung noch eine größere
Anzahl anderer Stempel. Das Jahr 1861 führte Stan-
zer wieder in sein Vaterland zurück, wo ihm Muße ge-
nug blieb, sich dem Studium der mittelalterlichen Stem-

pelschueidekunst zu widmen, einem Studium, das so man-
cher seiner Fachgenossen in unbegreiflicher Weise hintenan
setzte, obschon die Arbeiten jener Zeit den antiken vielfach
an lebensvoller Charakteristik, reicher Mannigfaltigkeit
und edler Formvollendung in keiner Weise nachsteheu.
Er wurde in diesem Studium wesentlich unterstützt durch
die auf Kaulbach's Veranlassung neuaugelegte und rasch
anwachsende Sammlung von Abgüssen mittelalterlicher
Münzen, wobei er sich der höchst schätzenswerthen Erfin-
dung Röckel's bediente. Wenn Kaulbach auch dabei be-
sonders im Auge hatte, sich ein möglichst umfangreiches
Material für seine Vorarbeiten zu der großen Komposition
„Das Zeitalter der Reformation" für das neue Museum
in Berlin zu verschaffen, so ist doch dadurch unsere Akade-
mie um eine Sammlung reicher geworden. — Neben die-
sem Studium übte Stanzer einen schätzenswerthen Akt
der Dankbarkeit aus. Um der Akademie seinen Dank für
die ihm durch Verleihung eines Reisestipendiums nach
Paris ermöglichte Ausbildung in seinem Fache auszu-
sprechen, schnitt er den Revers zu einer Preismedaille der
Akademie, „Die Kunst vom Pegasus zu den Sternen em-
porgetragen", ein Werk von edler Auffassung und seltener
Schönheit in den Linien. Diese Arbeit, in welcher sich
neben dem Danke zugleich der höchst günstige Erfolg
seiner Pariser Studien ausspricht, wurde allseitig auf das
Günstigste beurtheilt. —

Später folgten die Medaillon-Porträts des „Frei-
herrn von Liebig", des köuigl. Oberbürgermeisters „von
Haindl", der neben Kaulbach sich des talentvollen jungen
Künstlers mit Rath und That am wärmsten annahm, des
„Grafen v. Berchem" und des berühmten Reisenden
A. v. Schlagintweit". Als eine sehr wackere Arbeit muß
namentlich auch die im Aufträge des Hofrathes Franz
Hanfstäugl geschnittene große Medaille zum Gedächtniß
des Gründers der münchener Feiertagsschulen „F. 1. Mit-
terer" betont werden, welche einerseits das sprechend ähn-
liche Bildniß des Gefeierten, andrerseits die Gründung
der Feiertagsschule durch denselben zeigt. — Als im Früh-
linge vorigen Jahres das fünfzigjährige Doctor-Jubiläum
des berühniten Gelehrten Dr. v. Mortius heraunahte, er-
theilte die Akademie der Wissenschaften in München
Stanzer den ehrenvolle» Auftrag, des Gefeierten Bild-
niß für eine große Medaille zu schneiden und St an g er-
warb dieser Aufgabe in einer Weise gerecht, daß sein-
Werk den besten unbedenklich an die Seite gestellt wer-
den kann. Namentlich hatte der junge Künstler die Freude
zu sehen, daß es die für dasselbe Fest in Wien geschnittene
Medaille nach dem übereinstimmenden Urtheile aller Ken-
ner weitaus überragt.

In der zweiten Hälfte des Jahres 1864 erhielt
Stanger einen Ruf als königl. sächsischer Münzmedail-
leur nach Dresden, dem er sofort Folge leistete, und mit
Bedauern sah man in München einen Künstler scheiden,
der das edelste Streben mit der liebenswürdigsten Be-
scheidenheit verbindet.
 
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