Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Die Dioskuren: deutsche Kunstzeitung ; Hauptorgan d. dt. Kunstvereine — 10.1865

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.13555#0187

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
176

Kunst-Kritik.

Berliner Kunstschau. (Schluß.)

Daß wir bis jetzt gezögert haben, unsre Ansicht über
die im Kunstvereins-Lokal ausgestellt gewesenen drei
Bilder von Knaus auszusprechen, hat seinen Grund le-
diglicb in dem Umstande, daß wir dem löblichen Zweck
der Ausstellung, deren Ergebniß der Kasse des Kunstler-
Unterstützungs-Vereins zu Gute gekommen ist, auch nicht
dem Schein nach in den Weg treten wollten. Denn wir
gestehen offen, daß wir an den genannten Bildern zwar
die künstlerische Mache, die Feinheit des Farbengefühls,
ja — wenigstens in den „Schachspielern" — die Lebens-
wahrheit der Charakteristik auf's Höchste bewundern, sonst
aber nicht in das dithyrambische Entzücken einstimmen
könnnen, welches in der Tagespresse stehende Phrase wer-
den zu wollen scheint, wenn Knaus'Name genannt wird.
Der Künstler selbst wird am besten den Werth solcher
Anerkennung zu schätzen wissen, wenn er sich daran er-
innert, daß dieselbe aus der nämlichen Quelle stammt,
welcher die Begeisterung für die flache Dekorationsmalerei
eines Aiwasowsky entfloß. Wir schätzen Knaus hö-
her, als daß wir ihm statt einer ehrlichen Kritik weihrauch-
duftende Phrasen nnd wohlseile Lobhudeleien darbieten
möchten.

Noblesse oblige — möchten wir ihm zurufen: denn
auch das Talent hat seinen Adel, und einen höheren als
die zufällige Geburt. Vielleicht wird sich mancher Leser
darüber den Kopf zerbrechen, was wir ihm denn eigentlich
zum Vorwurf machen, da wir ihm ja doch Alles zugeste-
hen, was einen Künstler zum Künstler macht: die Virtuo-
sität deS Machwerks, die Feinheit des Farbengefühls, die
Wahrheit der Charakterisiruug. — Nun, wir betrachten
diese gewiß ausgezeichneten Eigenschaften immerhin nur als
V orb ed i ngun g en für ein wahrhaft künstlerisches Schaf-
fen. Denn das ist der große und tiefe Unterschied
zwischen dem Machen und dem Schaffen, daß das
letztere ohne einen das Gemüth packenden, die Seele er-
greifenden Jdeeninhalt nicht bestehen kann, wohl aber
das erstere. Wenn aber ein Künstler diese Vorbedingun-
gen in dem eminenten Grade besitzt, wie Knaus, wer so
wie er Meister der Technik und Herrscher über die Mittel
der Darstellung ist, so muß er mehr wie irgend ein An-
derer die Verpflichtung fühlen, nicht an der Oberfläche
haften zu bleiben, sondern in die Tiefe des reichen
menschlichen Lebens hinabzutauchen und aus dem Grunde
die edlen Perlen poetischer Ideen heraufzuholen. Statt
dessen lehnt er, der gewandte Schiffer, bequem in seiner-
flotten Gondel und steuert auf das hohe Meer der vul-
gären Berühnitheit. —

Wir kennen nur ein oder zwei unter den zahlreichen
Bildern von Knaus, in denen er einen entschiedenen An-
lauf auf Seelenmalerei, auf tiefere Erfassung der im Genre-
dasein der Menschheit liegenden Poesie genommen hat: diese
sind das — irren wir nicht — im Jahre 1852 ausgestellte
„Leichenbegängniß" und dann „die Taufe". Jenes hatte sogar
etwas Mystisches, was bei Knaus nie wieder zum Vor-
schein gekommen ist, vielmehr oft seinem Gegensatz, dem
Trivialen, Platz gemacht hat. Knaus könnte Maler der
Zukünft sein, wenn er wollte: er begnügt sich damit, Ma-
ler der Gegenwart zu sein, d. h. in jenen vulgären Refrain
mit einzustimmen, welcher von der großen Menge der
heutigen Maler als das Schiboleth alles künstlerischen
Strebens, als das Arcanum alles modernen Künstlerruhms
proklamirt wird: „das geniale Machwerk". Fragen wir uns
jedoch aufrichtig nnd ernsthaft, wie viele von den heutigen
berühmten Künstlernamen für einen Kunstgeschichtsschreiber
der Zukunft, schon nach 100 Jahren, von hinlänglichem
Gewicht sein werden, um sie einzutragen auf die ehernen
Tafeln der Geschichte, hinter die Namen von Raphael,

Rubens, ja selbst nur von Ruysdael, Claude Lorrain und
tausend anderen, die dort mit unvergänglichen Lettern ver-
zeichnet stehen? Wie große Techniker diese Meister ge-
wesen sein mögen: nicht das „Machwerk" ist es, was sie
unsterblich machte, sondern die künstlerische Idee, der Ge-
danke, dessen Träger und Ausfluß erst ihre Technik ist.

Wir leben in einer Uebergangsepoche, deren Bedeu-
tung darin beruht, die von den alten Meistern aus der
Begeisterung für die Idee errungene und ihren
Nachfolgern als Erbthcil hinterlassene t e ch n is ch e M e i st er -
schaft, welche seit der tiefen Versunkenheit der Kunst im
18. Jahrhundert verloren gegangen, durch hingebende,
stets auf die Bewältigung des handwerklichen Materials
gerichtete Arbeit wiederzugewinnen. In dieser Vorberei-
tungsperiode der Erarbeitung der technischen Mittel stecken
wir noch. Aber die Zeit ist nahe, wo die Saat reif wird
zur Erndte. Man staunt, wenn man heutzutage junge
Leute, wie z. B. Paul Meyerheim, spielend eine
Meisterschaft der Technik und eine Feinheit der Charak-
teristik entfalten sieht, welche ältere Meister nach viel-
jährigem Schaffen zu erreichen außer Stande waren. Der-
gleichen Thatsachen sind als wohl zu beachtende Symptome
anzusehen, daß eine neue Zeit, der Morgen einer höheren
Kunstentwicklung naht, den würdig zu begrüßen alle wah-
ren Künstler sich rüsten sollten.

Und wenn es Einer sollte, so ist es Knaus. Er
nimmt gegenwärtig einen Standpunkt in der malerischen
Technik ein, über den hinaus nicht viel Schritte mehr ge-
than werden können, ohne ernstliche Gefahr für das in-
nerliche Kunstschaffen. Er ist der Meister, gewiß; aber
darum sollte er diese seine Meisterschaft, die soweit immer-
hin nur das Handwerkszeug für die Freimaurerei des
eigentlichen Kunstschaffens ist, im Dienste der Idee ver-
wenden und fruchtbar machen.

Von den Bildern, die er ausgestellt hat, haben wir
noch gar nicht gesprochen. In der That kommt wenig
darauf an. Nicht was er macht, sondern was er nicht
macht — lag uns am Herzen. Indessen mögen hier am
Schluffe dieser mehr kunsthistorischen als kritischen Be-
trachtung einige Worte darüber gesagt werden. Seine
„Schachspieler" sind, wie bemerkt, prägnant charakterisirt,
in Haltung wie in Ausdruck, und nicht blos schön, sondern
solide gemalt. Aber die gewälten Typen — wenn es
solche und nicht, wie man sagt, Portraits sind, in welchem
Falle es ungeschickt war, sie in genrehafter Action darzu-
stellen — tragen allzusehr das Gepräge der Gewöhnlich-
keit, jener charakterlosen Trivialität, welche im günstigsten
Falle nur für humoristische Satyre ä la Hosemann
zu verwenden ist. Wie ganz anders würden die beiden
„schachspielenden Geistlichen" von Vautier oder „die alten
Freunde" von W ebb daneben das Interesse des Beschauers
ansprechen, wenn sie auch nicht ganz so gediegen in der
Farbe sein mögen. Was sein „Zigeunerlager" betrifft, so
ist auch hier das Machwerk, selbst in der Landschaft, zu be-
wundern; aber der Komposition fehlt nicht nur jede tiefere
Charakteristik, sondern auch, was ebenso mißlich ist, die
Einheit. Sämmtliche Einzelgruppen, ja Figuren könnten
ein Bild für sich abgeben, so locker ist ihre actiouelle Bezie-
hung auf einander; ein Fehler, den auch „DerTaschenspieler"
an sich hatte. — Ueber die beiden „Kinderportraits", die
gewiß sehr ähnlich sind nnd in der Charakteristik einen
gewissen drolligen Humor zeigen,, wäre, da sie ebenfalls
genrehaft aufgefaßt sind, dasselbe zu sagen,. nämlich daß
sie jedes für sich ein Bild machen und keine Beziehung
auf einander zeigen, wenn nicht in diesem Falle den Ma-
ler vielleicht persönliche Gründe geleitet haben können, sie
gerade so aufzufaffen. M. Sr.

(Hierzu eine Beilage.)
 
Annotationen