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Die Dioskuren: deutsche Kunstzeitung ; Hauptorgan d. dt. Kunstvereine — 10.1865

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https://doi.org/10.11588/diglit.13555#0216

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erfordert es, um es beurtheilen zu können, um zu wissen,
was wirklich Noth thue und wie dieser Noth abzuhelfen
sei, nicht blos äußerliche Sachkenntniß, sondern auch eine
gewisse ästhetische Lebensbildung, die nicht Jedermanns
Sache ist, — und dann, selbst wenn man auch versuchte, diese
luxuriösen Dinge sich anzneignen, so läßt sich aus allem Dem
immerhin so blutwenig politisches Kapital herausschlagen
— denken die Herren. — Drittens kann man sich auch
nirgends so leicht eine Blöße geben, als auf diesem ver-
dammt schlüpfrigen Boden des Kunstverständnisses. Aus-
gemünzte Phrasen, die man blos in mehr oder weniger
geschickter Weise zu kombiniren braucht, um einen „ länzeu-
den Bortrag" daraus zu machen, giebt's leider hier noch
nicht, und —Herr Reichensperger, einer der wenigen
Abgeordenten, vielleicht der einzige, der über diese Sache
au fait sein möchte, wird selber am besten wißen, warum
er geschwiegen hat.

Die Zeitungen berichten:

„Zu Tit.28. Fflir die Kunst-Museen in Berlin
„hat die Kommission den Antrag gestellt die Königl.
„Staatsregierung aufzufordcrn, den Inhalt der Museen
„und namentlich das neue Museum durch Bezeichnung
„der Kunstwerke nutzbarer für das Publikum zu
„machen. — Abg. v. Hennig begründet diesen Antrag
„und bemerkt, daß er den Tadel gegen die Herren
„Kustoden nicht unterdrücken könne, ihre Pflicht, die Museen
„dem großen Publikum in ihren Kunstschätzen zugänglich zu
„machen, fast vollständig verabsäumt zu haben. — Kul-
tusminister: Wenn das Haus den Antrag annehme,
„werde er gern prüfen, in wie weit er demselben näher
„treten könne. — Das Haus nimmt den Antrag an." —
Das ist Alles, d. h. Nichts. Wie muß der Herr
Kultusminister nicht innerlich darüber die Achseln gezuckt
haben, daß das „hohe Haus" weiter nichts zu wünschen
gefunden, als daß an die Ghpsabgüsse im Neuen Museum
ein Paar Zettel geklebt würden — und welches vortreffliche
Zeugniß wird damit implicite der ganzen Kunstverwaltung
ausgestellt. Beflerwäre es gewesen, wenn das Abgeordneten-
haus eher gar nichts gesagt hätte, als jene kleinliche Häkelei
über die Kustoden zum Vorschein zu bringen. Denn —
muß sich jeder Unbefangene sagen — da die Herren vom
„Hohen Hause" ja in allen andern Fächern der Admini-
stration sich so ungemein genau gezeigt und, wo sich irgend
etwas wie ein kleiner Rostfleck in der Staatsmaschine ent-
decken ließ, sofort das Del ihrer Beredsamkeit darüber
auszugießen nie verfehlt, so muß doch wohl hier, im Bereich
der Kunst, nicht nur Alles ganz ausgezeichnet polirt und
glänzend aussehen, sondern auch, um einen trivialen Ausdruck
zu brauchen, „wie geschmiert" gehen. Ja, jene Mesquinerie
mit den Kustoden, giebt sie nicht gerade den besten Beweis,
daß trotz eifrigstem Suchen nach irgend einem wesentlichen
Mangel man beim besten Willen nichts haben finden können?
Würde man sich sonst mit solcher Kleinigkeit begnügt haben?
Es muß also doch wohl, folgert Jeder, der es nicht (wie
z. B. Herr Reichensperger) besser weiß, Alles in bester
Ordnung sein.

Der Unterzeichnete hält es dieser unverantwortlichen
Indolenz gegenüber für seine Pflicht, seine Ueberzeugung
auszusprecheu, daß — von Herrn Reichensperger zu schwei-
gen — den Herren von der Linken Material für Beur-
theilung dieser Frage keineswegs gefehlt hat und daß sie
sehr wohl in der Lage waren, an den Herrn Kultusminister
einige Fragen von bedeutender Tragweite zu richten, wie
etwa folgende:

1. „Wie kommt es, daß seit dem Tode des alten
Schadow, von dem (um dies den Herren Abgeordneten
zu sagen) noch der alte „Zielen" auf dem Wilhelmsplatz
herrührt, die berliner Akademie der Künste noch
immer keinen Direktor hat"?

2. „Nach welchen Principien ist die Kommission zur
Verwendung der 25,000 Thlr., welche das Abgeordne-
tenhaus jährlich für Kunstzwecke bewilligt hat, zusammen-
gesetzt, und woher kommt es, daß von einem Mitgliede
dieser Kommission, dem Maler Steffeck, ein altes ver-
legenes Bild zu mehreren tausend Thalern angekauft wor-
den ist?"*)

3. „Wie steht es mit dem Bau der National-
galerie, und nach welchen Principien sollen die
Ankäufe für dieselbe geschehen?"

4. „Warum wird nicht für eine passende Lokalität
zur Aufstellung der Cornelius'scheu Cartons
zu den Geniälden der Pinakothek in München ge-
sorgt, welche zusammengerollt in irgend einem
staubigen Winkel verwahrt werden, so daß diese Meister-
werke des größten Künstlers seit Michelangelo und Ra-
phael einem sicheren Ververben entgegengehen; ein Verlust,
der — abgesehen von dem materiellen Werth — für die
Kunstgeschichte ein unersetzlicher wäre.

5. „Woher kommt es" — doch unsre Sache ist es nicht,

alle diese Dinge stets von neuem zu wiederholen, Dinge
die Jeder, der nur in entferntester Beziehung zur Kunst
und deren Verwaltung steht, ganz genau weiß und die das
Abgeordnetenhaus (einschließlich Herren Reichensperger)
wissen müßte. Statt dessen — was sagt und thut das
„hohe Haus"? — Da hat sich vielleicht Einer oder der An-
dere der Herren Abgeordneten, um sich von seinen schweren
Berufsgeschäften zu erholen, einmal das Neue Museum
angesehen, und dabei vielleicht das Unglück gehabt, von
den Aufsehern nicht als Mitglied des „Hohen Hauses"
erkannt und mit der denselben gebührenden devoten Zu-
vorkommenheit behandelt zu werden, oder er hat, zu spar-
sam um sich einen Katalog zu kaufen, einmal keine aus-
reichende Antwort auf irgend eine Frage erhalten: das
natürlich schreit um Rache, und so müssen denn die armen
Kustoden herhalten. Dr. Max Schasler.

*) Wir haben noch kürzlich Gelegenheit gehabt, diese alte
Leinwand, welche viele Jahre lang als Tapete im Steffeck'schen
Atelier gedient und alles Ungemach erduldet, in der „National-
galerie" in Augenschein zu nehmen. Voller Risse, Brüche, Löcher,
die mit Mühe verschmiert sind, Stellen, wo die Farbe bereits
abgeblättert ist, macht es in dem schönen neuen Goldrahmen
einen kuriosen Eindruck.
 
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