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Die Dioskuren: deutsche Kunstzeitung ; Hauptorgan d. dt. Kunstvereine — 10.1865

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https://doi.org/10.11588/diglit.13555#0232

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— einen großen Umfang erfordern würde. Unser Zweck
ist lediglich, wie die Ueberschrift besagt, die Photo-
graphie in ihrer Beziehung zu den bildenden
Künsten zu betrachten. Indessen glauben wir doch ver-
pflichtet zu sein, unfern Lesern wenigstens eine äußerliche
Vorstellung von dem Umfang und der Bedeutung der
Ausstellung zu geben, auf welcher zum ersten Male die
verschiedenen Nationalitäten in Bezug auf Leistungskraft
in diesem Gebiete einen Wettkampf eingegangen sind. Der
Katalog, welcher übrigens mit anerkennenswerther Sorgfalt
in Bezug auf die Darstellung einer chronologischen Ent-
wickelung des photographischen Verfahrens abgefaßt ist,
läßt die Tendenz erkennen, die praktische Verwendungs-
fähigkeit und Zweckmäßigkeit der Photographie durch Er-
klärungen und Beispiele zu konstatiren. Hierbei ist nun
nicht immer ein logischer Zusammenhang zu erkennen, wie
die Titel auf S. 16 beweisen, welche wie folgt, lauten: „Photo-
graphie und Archäologie" — „Photographie und Rechts-
pflege" — „Photographie bei künstlichem Licht" (was in die
technische Abtheilung gehört) — „Photographie und bildende
Kunst" u. s. f. Abgesehen von dieser den Gebrauch des
Katalogs für ein principielles Studium der Ausstellung
etwas erschwerenden Inkorrektheiten, gewährt derselbe für
den Laien einen großen Reichthum von neuen Anschau-
ungen über das eigentliche Wesen und den Umfang der
Photographie.

Was die Ausstellung selbst betrifft, welche in der nach-
träglich mit Oberlicht versehenen Tonhalle, und zwar in
dem großen Mittelraum und vier übereinander liegenden
Seitengalerien, geordnet ist, so ist die Menge und Man-
nigfaltigkeit der ausgestellten Photogramme und photo-
graphischen Apparate wahrhaft überraschend und fast ver-
wirrend. Es ist schwierig, sich darin zurecht zu finden,
um so mehr, als der größte Theil ein unter sehr spitzem
Winkel einfallendes Licht erhält, so daß namentlich die
in den Seitengalerien sowie auch an den Zwischenwänden
des Mittelraums aufgestellten Blätter sich in einem die
Augen sehr anstrengenden Zwielicht befinden. So hängen
namentlich die interessanten, von Radar bei künstlichem
(Magnesium-) Licht aufgenommenen „Ansichten aus den
Katakomben von Paris," ebenso andere vortrefflicke Blät-
ter, wie von Joop u. A. fast gänzlich im Dunkeln.
Nichtsdestoweniger ist die Ausstellung eine quantitativ wie
qualitativ sehr bedeutende und in jeder Beziehung ebenso
interesiant wie lehrreich.

Wir übergehen, wie bemerkt, die technischen Speci-
mina, welche in dem Saal links zusammengestellt sind
und in denen man von den ersten Anfängen der Licht-
silhouettirung aus dem Jahre 1812 herab bis auf die
neuesten Resultate die ganze Entwickelungs-Geschichte der
Lichtbilderzeugung verfolgen kann, ebenso die verschiedenen
Specimina der Verwendung der Photographie für Zwecke
der Wissenschaft und Industrie, wohin namentlich die
photographischen Aufnahmen des Sonnenspektrums, des
Mondes, der Sonnenfinsterniß, die mikroskopischen Auf-
nahmen für Anatomie und Chirurgie, Physiologie und
Botanik u. s. f. gehören, und kommen jsogleich zu der-
jenigen Abtheilung, welche die Photographie in ihrer
Beziehung zur künstlerischen Darstellung zeigt.

Ohne zu entscheiden, ob die Photographie für die
Architektur wichtiger sei als für die Plastik und
Malerei, ist doch ihre Bedeutung für alle drei Künste
in hohem Maaße anzuerkennen. Ganz abgesehen von
denjenigen Photogrammen, welche sich den Leistungen der an-
deren graphischen Künste, Holzschnitt, Lithographie und Kup-
ferstich anreihen und welche für das Publikum insofern
interessant sind, als sie Ansichten der Werke der Baukunst,
Bildhauerei und Malerei geben, die, in Albums zusan,men-
gestellt, bis zu vollständigen Galerien angewachsen sind,
und welche jedenfalls den Vorzug facsimileartiger Treue
und Korrektheit besitzen — ist auch für den ausübenden
Künstler selbst die Photographie ein unschätzbares Mittel
des Detailstudiums, für den Architekten durch Special-
aufnahmen von Bauwerken und ihren Details, für den
Bildhauer und Maler durch Aufnahmen nach der Natur
besonders in figürlicher Beziehung — obwohl merkwürdiger
Weise gerade nach dieser Richtung hin bis jetzt noch am
wenigstens gethan ist. Die menschliche Gestalt selbst
in ihren verschiedenen Lebensaltern, Geschlechtern, Stel-
lungen u. s. f., das Kostüm der verschiedenen Nationali-
täten nebst dem dazu gehörigen Beiwerk an Geräthen
u. s. f., das Thier, endlich die landschaftlich e Natur,
Felsformatiouen, Vorgrundstudien, Pflanzenwuchs, Baum-
skelette u. s. f.: Alles dies, was sonst in langsamer und
doch immer subjektiv gefärbter Weise durch Zeichnung
reproducirt wird, wobei der allmälige Wechsel der Be-
leuchtung oft störend einwirkt, wird durch die Photographie
in korrektester, raschester und minutiösester Weise und
mit objektiver Treue dargestellt. Auch die Kunstwissen-
schaft ist der Photographie zu großem Dank verpflichtet,
indem sie nicht nur die Reproduction der älteren Meister-
werke erleichtert, sondern auch durch facsimileartige Nach-
bildungen von Münzen, ja von Dingen, die sonst gar
nicht zu sehen sind, wie die alten Katakomben von Paris,
u. s. f. in den Stand setzt, die Forscher in den Stand
setzt, ihre Studien auf Gegenstände auszudehnen, die im
Original ihnen gar nicht zugänglich sind.

Ein anderer Gesichtspunkt ist nur aber der, von welchem
„die Photographie als Kunst" betrachtet wird. Der Katalog
macht in dieser Beziehung folgende Bemerkung: „Photo-

graphie", von einem Handwerker ausgeübt, istnur Handwerk.
Sie kann aber auch einem Künstler als Mittel zur Ver-
wirlichung seiner Ideen dienen, indem er z. B. ein lebendes
Bild stellt und dann aufnimmt. Die Vollkommenheit des
Kunstwerks ist hier ebenso abhängig von den natürlichen
Vorzügen des Originals wie in der Schanspieikunst, der
Gartenkunst u.s.f." — Den letzten unglücklichen Vergleich —
schon unglücklich durch die Zusammenstellung der Schau-
spielkunst mit der Gartenkunst — vorläufig bei Seite
lassend, können wir die obige Schlußfolge überhaupt nickt
als zutreffend erachten. Wenn ein Künstler ein lebendes
Bild stellt, so verfährt er hierin möglicherweise künstle-
risch. Ist das Bild aber einmal gestellt, was ja auch von
einem Andern als dem Photographen geschehen kann, so
ist das weitere Verfahren der photographischen Aufnahme
selbst ein durchaus mechanisches. Anders beim Maler oder
Zeichner. Er hat sich sein Original nicht nur selbst zu stellen,
sondern es kann auch von keinem An d er en als ih m gerade
 
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