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Die Dioskuren: deutsche Kunstzeitung ; Hauptorgan d. dt. Kunstvereine — 10.1865

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https://doi.org/10.11588/diglit.13555#0249

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239

ß Paris. Ende Mai. lDer diesjährige Salon.
: Forts, und Schluß.)

Das Portrait

kömmt hier zunehmend wieder in Aufnahme; der vorneh-
men Welt genügen die photographischen Abbildungen allein
nicht, und es ist mehr denn je Mode geworden, sich auf
der Leinwand und in Marmor darstellen zu lassen. Bis
jetzt scheint diese größere Nachfrage auf die künstlerischen
Leistungen indeß keinen günstigen Einfluß zu üben; die
Zahl der Partraits war nie größer, die künstlerische Be-
deutung in der Gesammtheit aber auch nie geringer als
in diesem Jahre. Wir wollen dieses Urtheil nicht etwa
mit darauf begründen, daß einem vollständig verunglückten
Portrait des Kaisers Napoleon III., von Cabanel, die
Ehren-Medaille zuerkannt worden ist; ein Blick ans die-
ses Mackwerk genügt, um zu seheu, baß jene Ehrenbezeu-
gung, zu welcher sich die Jury überdies nur schwer ent-
schlossen, nicht dem Künstler, sondern dem Gegenstände
des Bildes gilt. Napoleon ist in schwarzem Frack, weißer
Weste, schwarzseidenen Strümpfen und Beinkeidern, das
große Band, der Ehrenlegion über der Brust, dargestellt;
er steht in der ihm eigenen, etwas erkünstelten Haltung
vor einem Sessel und stützt die linke Hand auf einen
Tisch, die rechte in die Seite; hinter ihm liegen über
Stuhl und Tisch die Krone, Scepter unb Krönungsman-
tel und im Hintergründe öffnet sich eine der Galerien der
Tuilerien. Dies wird genügen, um die unkünstlerische Kom-
position des Bildes zu erweisen: was haben die Attri-
bute der Souveränität mit dem schwarzen Frack gemein?
Das Kolorit hat jenen glatt geleckten faden Ton, welcher
nach den Mustern Dulufe's und Winterhalter's
hier leider immer mehr Mode wird; der Schnitt des
Fracks, der Weste und übrigen Bekleidung muß den Bei-
fall aller Schneider haben, denn er ist streng nach dem
letzten Mode-Journale dargestellt. Von einem Hervortre-
ten der Körperformen des Models ist selbstverständlich
hiebei keine Rede, die Züge des Gesichts sind geschmeichelt
jugendlich und ohne die Tiefe des Ausdrucks, welche in
Wirklichkeit auf der Stirn des Kaisers ruht, und die in
dem vorjährigen Portrait Flandrin's meisterhaft wie-
dergegeben war. — Courbet's Portrait des kürzlich ver-
storbenen Proudhon und von dessen Frau und Kindern
ist ein entschiedener Kontrast zu jenem Bilde: das un-
läugbare Talent dieses Künstlers zeigt sich in dem Kopfe
Proudhon's, dem der Charakter des tiefen Denkens aus-
geprägt ist; aber hiermit ist der künstlerische Theil des
Werkes zu Ende, die Frau und Kinder sind höchst man-
gelhaft ausgeführt und das Kolorit läßt keine Beimischung
von Oelfarbe vermuthen, sondern macht den Eindruck, als
hätte Courbet in dem ärmlichen Garten, in welchem er
die Familie aufgefaßt, sich einen Brei aus Sand und
Erde bereitet und mit diesem gemalt: nie hat dieser Künst-
ler in einem höheren Grade den Verfall seines Talents
bedauern lassen.

Die Skulptur.

Die zweite Ehren - Medaille konnte keinem Wür-
digeren zu Theil werden, als Paul Dubois für
dessen Statue, „Der florenkinische Sänger des 15. Jahr-

hunderts". Die Bekleidung des jugendlichen Musikers be-
steht in einem Hemde und prall anliegendem Beinkleidc,
welches ein Gürtel festhält, die Mitte des Kopfes bedeckt
eine kleine runde Kappe, unter der das reiche lange Haar
hervorquillt; den Körper trägt das rechte Bein, während
das linke in leichter Kniewölbung ruht; die Augen des
etwa fünfzehnjährigen Knaben blicken während des Ge-
sanges sinnend auf die Zither nieder, in deren Saiten
die rechte Hand greift. Die ganze Figur ist so voller
Leben und Naturwahrheit, daß man bei längerem Be-
schauen derselben in die Täuschung verfällt, in dem Kna-
ben sei wirklich Leben, und man höre dessen Stimme und
Instrument. Dies herrliche Werk ist vorläufig in Gyps
ausgeführt; der Marmor wird den Eindruck desselben noch
vermehren. Die in äußerlicher Beziehung hervorragendste
Arbeit ist die kolossale „Status des Vercingetorix" von
Millet, welche nunmehr in Kupfer gegossen den Mittel-
punkt der zu einem Garten umgeschaffcnen Glashalle des
Industrie-Palastes schmückt, und später auf dem Plauteau
d’Alise in der Cote d’or aufgestellt werden soll. Es ist
dieses Werkes, dessen Held in mittelalterlicher Tracht,
mit herabwalleudem Haare, auf sein Schwert gestützt,
dargestellt ist, in diesen Blättern schon früher gedacht
worden. — Die in Gyps ausgeführte „Statue des Aristopha-
nes" zeigt die Größe des Verlustes, welcher die Kunst
durch den im letzten Jahre erfolgten Tod F. H. Moröau's
betroffen hat. Die Haltung des in einem Sessel, den
Griffel in der Hand, sinnend ruhenden Dichters ist ein-
fach und würdig, unb die Gewandung zeigt einen natür-
lichen Faltenwurf.— „Die Pastorale Poesie" von Schrö-
der ist eine ächt französische Komposition. Ein herrliches
junges Weib voll pariser Grazie, mit schwärmerisch sinnen-
dem Blicke, daneben ein niedlicher kleiner Amor und alle
möglichen sonstigen allegorischen Beziehungen fit\b in der
kokettesten Weise in glänzendem Marmor mit großer Ge-
wandtheit ausgeführt, aber das Sujet ist zu einen, plastischen
Kunstwerke völlig ungeeignet; es ist dies ein Fehler in
der Wahl des Stoffes, von dem sich die französische
Skulptur übrigens in anerkennenswerther Weise frei zu
halten weiß. — Die Gruppe von Begas „BenuS und
Amor", die dem Geschmacks des französischen Publikums
in noch höherem Grade zusagt, als sie in Berlin gefallen
haben mag, ist in diesem Blatte schon von kompetenterer
Seite besprochen worden. — Crauk's „Statue der Mar-
schalls Pelessier" und „Fräulein Mars" von Thomas in
Gyps resp. Marmor, sind von hoher künstlerischer Vollen-
dung; nicht minder die Büsten von Cordier, Etex,
Mail!et, Oudine u. A. Schließlich wollen wir die
beiden in Gyps ansgeführten "Stiere" erwähnen, die einen
Theil der leblosen Menagerie bilden, welche I. Bonheur
für die Gärten des Sultans ausführt. Die Namen von
A. Bonheur und des kürzlich von der Kaiserin während
ihrer Regentschaft mit dem Orden der Ehrenlegion ge-
schmückten Rosa Bonheurs fehlen dies Mal in dem
Kataloge, und damit die Perlen in der von uns nicht
zur Besprechung gezogenen Abtheilung der Thiermalerei.
Möge der nächste Salon reicher an hervorragen Leistun-
gen sein als der diesjährige.

Kunst-Chronik.

Berlin. — Im Verlag der Buch- und Kunsthandlung
von Friedr. Schultze Hieselbst ist das lebensgroße „Brust-
bild-Portrait Sr. Maj. des Königs Wilhelm I", nach dem
Gemälde von Helwig in Farbendruck von F. Schwabe
ausgeführt, erschienen, welches neben seiner sprechenden
Aehnlichkeit auch den Vorzug großer technischer Schönheit
hat. Es eignet sich vortrefflich zur Einrahmung als Oel-
gemälde, da es durchaus in Charakter und Wirkung einem
solchen gleicht.

Kiel. — Wie bekannt, wird die Versammlung der deut-
schen Kunstgenossen hier vom 18.—20. Juli tagen. Man
hat, nachdem 1863 in Weimar das Künstlerfcst so glänzend
gehalten, 1864 aber ausgefallen war, für 1865 Kiel gewählt,
ohne daß wir wüßten warum, und ohne daß wir darum
wußten. Cs ist mehr als zweifelhaft, ob wir gegenwärtig in
Lage und Stimmung sind, um Künstlerfeste zu begehen;'der
denn uns ist wenig festlich zu Muthe. Da indeß die
Kunstgenossenschaft sich einmal unserem Lande angeiueldet
 
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