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Die Dioskuren: deutsche Kunstzeitung ; Hauptorgan d. dt. Kunstvereine — 10.1865

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https://doi.org/10.11588/diglit.13555#0264

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254

Die Motive also, welche zur künstlerischen Darstellung kom-
men sollten, gleichviel ob es sich dabei um die äußere oder in-
nere Ausschmückung, um Plastik oder um Malerei handelte,
mußten einer Jdeenreihe entnommen werden, welche
eine der oben bezeichneten Seiten des Grundgedan-
kens zur Erscheinung zu bringen geeignet waren. Zu-
gleich boten gerade diese verschiedenen Seiten naturgemäß die
Möglichkeit, ja die Nothwendigkeit einer lokalen Glied erung
des Grundgedankens nach besonderen Cyklen dar.
Dies erschien der Kommission als ein sehr erhebliches praktisches
Element für die Bestimmung der einzelnen Motive und ihre
lokale Disposition.

- Kurz gefaßt konnte jener Grundgedanke nun dahm formulirt
werden:

„Die Ausschmückung des Rathhauses muß in Rück-
sicht auf die künstlerischen Motiv e dasäußereund in-
nere Leben Berlins und seine Bedeutung nach allen
Seiten seiner historischen Entwicklung, sowohl in kom-
munaler und socialer wie in politischer und dyna-
stischer Beziehung, zur Anschaunng bringen."

B. In Betreff der Unterschiede einestheils der äußeren von
der inneren, anderntheils der plastischen von der male-
rischen Ausschmückung bot sich zunächst naturgemäß eine Pa-
rallele dar, sofern die äußere Ausschmückung mit der plasti-
schen zusammenfallen und für die innere, wenigstens zum
überwiegend großen Theil, die malerische in Anwendung kom-
men mußte.

Aber diese Gegensätze waren nicht blos als technische, son-
dern auch als ästhetische zu fassen. Ein malerisches Motiv eig-
net sich als solches nicht ohne Weiteres auch zur plastischen Dar-
stellung, ein plastisches nicht zur malerischen. Es war also zu-
nächst nothwendig, diejenigen aus dem Grundgedanken sich erge-
benden Darstellungscyklen, welche sich ihrer Natur nach einer
real-historischen Auffassung entziehen und mehr einen reprä-
sentativen oder symbolisch-typischen Inhalt haben, für
die Plastik herauszunehmen, und die rein historischen und rea-
listischen Darstcllungsmotive für die malerische Ausführung
zu reserviren. Diese Unterscheidung und Sichtung der Motive rück-
sichtlich ihrer technischen Darstellungsfähigkeit gab den
nächsten und am meisten in's Gewicht fallenden Grund zu einer
Abweichung von dem Wäsemann'schen Projekt ab, in welchem
an der Außenseite, nämlich an den Reliefs der Ballone von den
Eckrisalithen an der Jüdenstraße ab die ganze Front entlang bis
zu denen der Spandanerstraße, eine Reihe von rein geschichtlichen
Momenten von der ältesten Zeit bis Friedrich I. zur Ausführung
empfohlen sind, welche Reihe dann im Inneren, und zwar zum
Theil in kolossalen Wandgemälden, bis zur Gegenwart fortgesetzt
werden sollten. Abgesehen davon, daß die meisten dieser ge-
schichtlichen Motive, wie z. B. „Die große Feuersbrunst von 1380"
n. a. m. plastisch überhaupt nicht darzustellen sind, so erschien es
auch der Kommission nicht zweckmäßig, eine Reihe geschichtlicher
Motive an der Außenseite des Baus plötzlich zu unterbrechen,
um sie dann, mit Beiseitesetzung jedes organischen Zusammen-
hangs, im Innern in irgend einer beliebigen Lokalität, ohnehin
in andrer Technik und Dimension, fortzusetzen. Die Kommission
sah sich daher in die Nothwendigkeit gesetzt, diese ganze äußere
Ornamentation und in Folge dessen auch die innere aus einem
gänzlich andern Gestaltungsprincip zu rekonstruiren.

B. Are sachliche Seite der Wusschmüchungsfrage.

Mit diesen Bemerkungen ist — nach Darlegung der prin-
cipiellen Momente, welche für die weiteren Verhandlungen der
Kommission «maßgebend gewesen— die sachliche Seite der Frage
selbst bereits berührt. Zur Orientirung für das Folgende möge
nun eine kurze

Uebersicht über die für die künstlerische Aus-
schmückung bestimmten Lokalitäten des Rath-
h auses,

sowie eine Andeutung über Zahl, Größe, Format u. s. f. der
in jeder dieser Lokalitäten zur Ausschmückung designirten Räum-
lichkeiten, wie Balkonbrüstungen, Nischen, Wandflächen, Bogen-
nischen, Fenster u. s. f. vorausgeschickt werden.

I- An der Mchciiseite des Heilandes kommen in Betracht:

1. Die Brüstungen der an der ganzen Hauptfront
von der Ecke der Jüdenstraße bis zu der der

Spandauerstraße hinlaufenden Balkone, einschließ-
lich der vorspringenden Eckrisalithe an den genannten
Straßenecken und des Mittelrisaliths am Hauptportal.
Die Füllungen der einzelnen durch Pfeiler getrennten
Brüstungen sind sämmtlich 2' 1“ hoch und 10' 6" lang,
im Ganzen 22 Füllungen, getrennt durch eine entsprechende
Anzahl von Pfeilern.

2. Die Brüstungen der Balcone an den beiden Eckri-
salithen der Nagelgasse, sowie an den Mittelrisa lith e n
der Spandanerstraße, Nagelgasse und Jüdenstraße. Die
einzelnen, zwischen Pfeiler eingeschlossenen Füllungen sind
ebenfalls 10' 6" lang, mit Ausnahme der des Mittelri-
saliths in der Spandanerstraße, welcher 2 von 6' 9" und
1 von 15' Länge besitzt. Diese sämmtlichen Füllungen
sind begrenzt von im Ganzen 42 Pfeilern, ein Umstand,
der ausdrücklich darum hervorgehoben wird, weil die
Kommission von dem vorgelegten Projekt gänzlich darin
abgewichen ist, daß sie die Füllungen, als welche mit
Reliefs geschmückt werden sollten, nur für einfach architek-
tonische Ornamentik geeignet hält, dagegen die eigentliche
künstlerische Ausschmückung an die Pfeiler verlegt; wie
später des Genaueren nachgewiesen werden wird.

3. Die vier je zwei übereinander liegenden großen Nischen
zu Seiten des Hauptportals an der Königsstraße.

II. Im Znnercu des Heilandes kommen in Betracht:

1. Das Haupt Vestibül, zu welchem man zunächst durch das
Hauptportal an der Königsstraße gelangt, nutz 4 in den
vier abgestumpften Ecken in der Höhe des ersten Stocks
befindlichen F i g n r e n n i s ch e n.

2. Das untere oder Haupttreppenhaus, welches außer
4*) halbkreisförmigen 9' breiten, 6' hohen Wandflächen
über den Eingangsthüren, 8 hohe Fenster, je 4 auf jeder
Seite, enthält, welche letzteren die Kommission, unter Fort-
fall der im Projekt angegebenen farbigen Malereien der
Bogcnnischen, für Glasgcmälde designirte.

3. Das obere Treppenhaus, welches drei mächtige, recht-
winklig an einander stoßende, ununterbrochene Wandflüchen
mit Oberlicht enthält, von denen die zwei einander gegen-
überliegenden längeren je 60 Fuß, die dazwischen liegende
32 Fuß lang sind und alle eine Bildhöhe von 12' 6" haben.
Außerdem sind in dem Projekt noch die dreieckigen Sei-
tenflächen der Treppenwangen, sowie zwei schmale' Wand-
pfeiler zwischen den drei Eingangsthüren für die Aus-
schmückung in Aussicht genommen, wovon die Kommission
Abstand genommen hat.

4. Der Vorsaal vor dem Stadtverordnetensitzungs-
sa al im ersten Stock mit 8 bogenförmigen Bildflächen ver-
schiedener Größe (9' 6" br., 6' 6" hoch, bis 15' Breite
und 9' Höhe und einer ringförmigen Fläche) auf drei
Wänden.**)

5. Der Vorsaal nebst dem daranstoßendcn Korridor
vor dem Magistratsscssionszimmer. Der erstere
enthält eine Anzahl von halbkreisförmigen Flächen verschie-
denen Formats, meist ungünstig beleuchtet; der letz-
tere 6 zum Theil neben einander liegende Bildflächen von
je 8 Fuß Breite und 10' Höhe und einer für Relief be-
stimmten 3' hohen 7' 9" breiten Fläche über der Thür.
Die geringe Breite des Korridors ivürde jedoch nach der
Ueberzeugung der Kommission keinen günstigen Standpunkt
für die Beschauung der Bilder zulassen.

6. Das Magistrationssessionszimmer. Es enthält bei
vorzüglicher Beleuchtung 8 etwa 10' hohe und 8' breite
Bildflächen, wovon je 2 auf den beiden kurzen Wänden
liegen und durch die Eingangs- und Ausgangsthür ge-
trennt sind, 4 an der langen, den Fenstern gcgcnüberne-

*) So im Projekt. Jnzlvischen sind zlvei von diesen Räu-
men für Aufstellung von Oefcn in Anspruch genommen, so daß
nur noch 2 halbkreisförmige Flächen übrig bleiben, die von der
Kommission für plastische Ausschmückung designirt werden. S. u.

D. Res.

**) Von dem Sitzungssaal der Stadtverordneten
selbst, ebenso >vie von dem Bibliotheksaal und dem Fest-
saal mußte, da sie in dem noch nicht ausgeführten Theil des
Gebäudes liegen, abgesehen werden, obschon das Projekt (f. Nach-
trag vom 26. Mai 1864) betreffende Vorschläge macht, Uber
deren Zweckmäßigkeit die Kommission aus den: angegebenen
Grunde sich eines Urtheils enthalten zu müssen glaubte.

D. Res.
 
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