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Die Dioskuren: deutsche Kunstzeitung ; Hauptorgan d. dt. Kunstvereine — 10.1865

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https://doi.org/10.11588/diglit.13555#0342

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unsrer Residenz, was hat — fragen wir — „Die Zerstörung
Jerusalems", was „Die Hunuenschlacht", was „Solon",
was „Moses" mit der Bestimmung des Gebäudes, ein
Tempel der Kunst zu sein, in irgend einer nur denkbaren
Weise zu schaffen? Ja, selbst in dem neuesten Bilde, dem
„Zeitalter der Reformation", ist der Hauptaccent nicht etwa
auf die künstlerisch e Renaissance, auf Raphael, Michel
Angelo und Albrecht Dürer gelegt, die ganz in den Hinter-
grund gedrängt und zu verhältnißmäßigen Nebenpersonen
herabgesetzt sind, sondern aus die religiöse, wissenschaftliche
und poetische Renaissance. Liegt es nun nicht, abgesehen
von der sonstigen künstlerischen Qualität der Gemälde,
nahe zu fragen: zu welchem Zweck sind denn grade diese
Kompositionen im neuen Museum ausgesührt? Ist das
Treppenhaus des neuen Museums darauf hin gebaut, uni
Kaulbach zu verherrlichen, oder ist Kaulbach dazu engagirt
worden, das neue Museum mit Gemälden auszuschmücken?
Was würde mau zu einem Cyklus von Gemälden in einem
Opernhause sagen, welche die Schöpfungsgeschichte oder
die Astronomie behandeln, weil man dabei etwa an die
pythogoraische „Harmonie der Sphären" denken könne?

Um diesen, recht wohl gefühlten, Grundmangel zu be-
mänteln, hat man den bequemen Satz erfunden, es käme
weniger aus das Motiv selbst als darauf an, wie es behandelt
sei, d.h. der Werth eines Kunstwerks liege nicht in dem „Was",
sondern in dem „Wie". Wenn schon in der selbstständigen,
von architektonischer Ausschmückung unabhängigen Kunst,
d. h. in der Staffeleimalerei und der reinen Figurenplastik,
dieser Satz eine sehr bedenkliche Seite hat, so wird er in
seiner Anwendung ans die monumentale Kunst geradezu
widersinnig. Wenn dem so wäre, warum malt man denn
nicht in Kirchen Bacchantinnen und in die Theater Ma-
donnenbilder? Eine „gewisse" Nerwaudtschast wird also
doch wohl zugegeben werden müssen zwischen dem Zweck
des Gebäudes und den Motiven seiner künstlerischen Aus-
schmückung; wenn dies aber unlängbar ist, wenn diese
Beziehung zwischen der Bestimmung des Bauwerks und
der es schmückenden Malereien eine ideelle Nothwendigkeit
ist, ;o kann die Abscheidung alles Ungehörigen nicht strenge
genug sein, ja selbst das Vage, Unbestimmte, zu Allge-

meine ist dann schon ein entschiedener Fehler. Wenn
daher in Betreff des Projekts für die künstlerische Aus-
schmückung deö berliner Rathhauses in hiesigen Blättern
Stimmen laut geworden sind, die in allem Ernste davor
warnten, allzugenaue Motive für die einzelnen Darstellun-
gen anzugebeu, und den Rath ertheilten, nur ganz im
Allgemeinen den ausführenden Künstlern anzudeuten, daß
sie die „allgemein-menschliche Kulturentwicklung" dabei im
Auge haben möchten, so liefern diese „Stimmen" eben
nur den Beweis von ihrer totalen Unklarheit über die
eigentliche Bedeutung der monumentalen Kunst, ganz ab-
gesehen von dem darin liegenden Eingeständniß völliger
Gedankenarmuth. Denn in's Blaue hinein von „allge-
mein-menschlicher Kulturentwickelung" reden, das ist die
Stärke der heutigen ästhetischen Phrasendrescher, aber etwas
Bestimmtes, bis in's einzelne Detail Durchdachtes, organisch
Gegliedertes zum Vorschein zu bringen, dazu gehört etwas
mehr als bloße allgemeine Schönrednerei.

Wir wollen hier — am Ende dieser kurzen Einleitung
— gleich diejenigen Punkte bezeichnen, auf die es uns
bei der Betrachtung der Monumentalmalerei vornehmlich
augekommen scheint, diese sind:

1) die innig e gedankliche Beziehung zwisch en
der Bestimmung des Gebäudes und dem In-
halt der künstlerischen Darstellungen;

2) die strenge Scheidung zwischen den pla-
stischen und malerischen Motiven;

3) die klare Entwickelung der gesammteu
Malereien und plastischen Darstellungen aus
einem einfachen Grundgedanken;

4) d i e l i ch t v o l l e G l i e d e r u n g d c s G r n u d g e d a n-
kens in besondere Ideensphären, je nach der
lokalen Disposition der einzelnen, für die Aus-
schmückung bestimmten Räumlichkeiten.

Diese vier Punkte müssen stets in Betracht gezogen
werden, um welche Art von Gebäuden es sich auch han-
deln mag, und gerade sie sind es, welche am aüeroftesten
außer Rücksicht zu bleiben pflegen. Um so nothwendiger
scheint eö uns, sie genau ins Auge zu fassen.

(Forts, folgt.)

Korrespondenzen.

# Karlsruhe, den 3. Oktober 1865. („Luther und
Cajetau" von A. von Werner.) Es ist das große
Verdienst Lessings, sich vorzugsweise nur solcher Vorwürfe
zu seinen historischen Gemälden bedient zu haben, von
welchen er voraussetzen konnte, daß sie nicht nur ihrer
Bedeutung nach wenigstens dem gebildeten Theile des
Voltes bekannt, sondern auch ihres ideellen Gehaltes wegen
von dauerndem Interesse sein würden. Mit andern Wor-
ten gesagt, die bedeutenden Kämpfe um die idealen Güter
der Menschheit sind eS, deren sich die historische Kunst
bemächtigen soll, wie in diesen Blättern schon wiederholt
betont worden ist.

In dem Werke eines talentvollen jüngeren Künstlers
A. von Werner von Frankfurt a. O. begrüßen wir
eine solche Schöpfung von der Bedeutung und dem In-
halte, den wir bei einem historischen Gemälde voraussetzen.
»Luther vor dem Cardinal Thomas de Vio aus Gaöta
in Augsburg zu Anfang Oktober 1518." — Der Kardinal
verlangt, daß Luther widerrufe und von der fernern Ver-

breitung seiner Meinungen abstehen solle. Luther beruft
sich auf die heilige Schrift und seine innerste Ueberzeu-
gung, der mit Büchern und Schriften umgebene Kardinal
auf die Verordnungen der Päbste. Dies ist die Situation,
wie sie dem Künstler vorgeschwebt haben mag. Die eine
Hand auf die Brust gelegt, die andere ausgestreckt nach
der Bibel, steht der schlichte Mönch fest und unerschüttert
vor dem Kardinal, während dieser in seinem farbigen
prächtigen Kleide mit befehlendem Finger auf die Dekre-
talien des Papstes verweist.

Wir müssen bekennen, es ist eine schwierige Aufgabe,
mit den rein äußerlichen Mitteln der Kunst die sittliche
und geistige That Luthers in ihrer ganzen Bedeutung zur
Anschauung zu bringen. Der Künstler ist indessen dieser
Aufgabe in anerkennenswerther Weise gerecht geworden.
So vermögen wir auf den ersten Blick die Gegensätze zu
fassen, die in den beiden lebensgroßen Figuren ausge-
sprochen sein sollen, Hcugniß einer besonders feinen Cha-
rakteristik giebt der Kopf des Kardinals; das ausdrucks-
 
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