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Die Dioskuren: deutsche Kunstzeitung ; Hauptorgan d. dt. Kunstvereine — 10.1865

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https://doi.org/10.11588/diglit.13555#0386

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376

In diesem Maaßstab nun sollen Motive anSgeführt
werden, wie folgende: (Projekt S. 4) 1. „Völkerwan-
derung (!); die Semnonen werden von den Wenden ver-
drängt." 2. „Wenden, zum Opfer unter Eiche versam-
melt; Priester unterhalten das heilige Feuer." — 3. „Al-
brecht der Bär, vom Kaiser mit der Mark belehnt." —
4. „Die Markgrafen Johann und Otto bewidmen Berlin
mit Stadtrechten" (wie ist dies darzustellen?). — 5. „Gro-
ßer Landtag in Berlin 1280." — 6. „Vereinigung der
Magistrate von Berlin und Köln, 1307; voni Markgrafen
Hermann bestätigt, für Berlin 12 Rathmänner und zwei
Altermänner, für Köln 6 Rathmänner und 1 Altermann."
— 7. „Berlin und Köln schließen unter sich und mit an-
dern Städten der Mark ein Schutz- und Trutz-Bündniß
und treten dem Hansabunde bei." — 8. „Der falsche
Waldemar findet Anhang in Berlin; Berlin wird durch
den Däneukönig Waldemar, Schwager Ludwig I. belagert,
jedoch durch Herzog Albrecht von Mecklenburg entsetzt,
1350." — 9. „Große Feuersbrunst 1380; die Marien-
kirche , Nocolaikirche und das Nathhaus werden zerstört;
zu gleicher Zeit die Pest" — 10. „Berlin und Köln kaufen
von Jobst von Mähren die vollständige Gerichtsbarkeit mit
dem Königsbanne 1391." — 11. „Kampf mit den Quitzows;
Dietrich von Quitzow treibt den Berlinern 1410 die Heer-
den fort; der Bürgermeister Hans Schulze und die beiden
Rathmänner Niclas und Thomas Wins stellen sich an die
Spitze der Bürger."

Die hier wörtlich aus dem Projekte citirten Motive
nehmen erst die Hälfte der Hauptfront von der Ecke
der Jüdenstraße bis zum Hauptportal in der Mitte ein,
cbensoviele und ganz ähnliche Motive füllen die andere
Hälfte. Wenn man nun irgend eines dieser Motive, von
denen einige wie Nro. 7. 8. 11. sogar mehre, der Zeit
nach hintereinander folgende Momente enthalten, unter
dem Gesichtspunkt der Darstellbarkeit, geschweige denn, die
Darstellbarkeit selbst angenommen, der Verständlichkeit
prüft, so erkennt man die absolute Unmöglichkeit davon,
cs müßte denn vorausgesetzt w»rden, daß unter jeder Dar-
stellung die Titel in hinlänglich großer Schrift angebracht
würden. Welchen Zweck also — fragen wir — hätten
diese an sich durch ihre Kleinheit schon schwer erkennbaren,
für Plastik ganz ungeeigneten und ohne Kommentar ohne-
hin ganz unverständlichen Reliefs an dem Rathhause?
Sollen sie blos als Ornament dienen, dann könnte man
diesen Zweck besser und billiger durch einfache architekto-
nische Ornamente erreichen, die eben weiter nichts sein
wollen, als was sie darstellen.

Da die äußere Ausschmückung des Gebäudes noth-
wendig ein für sich bestehendes, mit der inneren nur in
einem entfernten Jdeenzusammenhang stehendes Ganze
bilden muß — in dem Projekt freilich ist diese Forderung
nicht erfüllt, da, wie bemerkt, die an der Ecke der Jüden-
straße mit der Königskrönung Friedrichs I. abbrechenden
Motive im Innern in großen Gemälden und Reliefs fort-
gesetzt werden sollen — so scheint es zweckmäßig, dem
Projekt hier sogleich die betreffenden Vorschläge des Gut-
achtens der Kommission des „Vereins für die Geschichte
Berlins" gegenüberzustellen.

Das Gutachten motivirt zunächst den Inhalt und die

Disposition seiner in Vorschlag gebrachten Motive durch
Gründe. Nachdem es nämlich eine Uebersicht über alle für
die Ausschmückung designirten äußeren und inneren Loka-
litäten gegeben hat, bemerkt es einleitend:

„Das Erste, was dem Beschauer eines Gebäudes entgegen»
tritt, ist abgesehen von der architektonischen Wirknng — die
Orn amentation der Außenseite: im vorliegenden Falle
also die Balkonbrüstungcn und die Figuren in den Por-
talnischen. Das Zweite ist der Eintritt in das Ge-
bäude selbst und zwar zunächst in die großen Vorränme zu
den besonderen Lokalitäten, d. h. das Vestibül und das Trep-
penhaus. Das Dritte endlich find die verschiedenen, von
hier aus sich abzweigenden und darin einmündenden, beson-
deren Lokalitäten selbst, also der Vorsaal im ersten Stock,
der Vorsaal zum Magistrationssessionszimmer, und
der Saal für Bürgerv ersam mlnng en."

Nachdem das Gutachten so von vorn herein eine strenge
und einfache, aus der Gliederung der architektonischen Idee
selbst basirte Scheidung in drei Abtheilungen hingestellt,
geht es nun auf die erste Abtheilung (Balkonbrüstun-
gen und Portalfiguren) näher ein und bemerkt, daß
„bei der Höhe und Kleinheit des Reliefs die Figuren nur
wenig erkennbar" sein würden.

„Dieser Ucbelstand" (fährt es dann fort) „bewog die Kom-
mission — ganz abgesehen von dem für plastische Darstellung
überhaupt nnadäqnaten Charakter der meist rein historisch reali-
stischen Motive des Projekts — von einer figürlichen Aus-
schmückung der Füllungen ganz Abstand zu nehmen,
und dafür in Vorschlag zu bringen:

Diese Füllungen überhaupt nur einfach architekto-
nisch zu verzieren; die eigentlich künstlerische Aus-
schmückung dagegen an die Pfeiler zu verlegen, und
zwar der Art, daß an jedem derselben eine typische Figur
als Repräsentant des berliner Lebens älterer und
neuerer Zeit angebracht würde.

a) Für die Typen des älteren Berlins wurde die
ganze Reihe der Pfeiler an der Hauptfront mit Einschluß des
Mittelstllcks und der Eckrisalite in Aussicht genommen, für die
Typen der neueren Zeit die übrigen Ballone an den Mit-
telstücken und Eckrisaliten der Spandauerstraße, Nagelgasse und
Jüdenstraße. Nach reiflicher Prüfung der hiesür in Vorschlag
gebrachten Motive wurden als Typen der älteren Geschichte
gewählt, und zwar reihenweise gruppirt: „Der Mark-
graf", „der Rathsherr", „der Bischof", „der weltliche
Ritter", „der Iohanniter", „der Pfarrer", „der Mönch",
„der Richter", „der Schöffe", „der bewaffnete Bürger",
„der Bauer", „der Schüler", „der Mit nzm ei st er", „der
Zöllner", „der Stadtknecht", „der Thorwärter", „der
Büttel", „der Landpassat oder Sendebote", „der Hen-
ker", „der Wende" und „der Jude"; sodann an den Eckstücken
die Repräsentanten der Gewerke, Gewerbe und des Privatlebens:
„der Bäcker", „der Tnchscheerer", „der Schuster", „der
Schlächter", „der Müller", „der Schiffer", „der Kauf-
mann", „der Rathskellerwirth", „der Bader", „der
Spielmann"; im Ganzen 31, d. h. einige mehr als nölhig,
der Auswahl wegen.

b. Als Typen des neueren und neuesten Berlins wurden
gewählt: „Der Turner", „der Maschinenbauer", „der

Feuerwehrmann", „der Bahnwärter", „der Telegra-
phist", „der Schutzmann", „der Droschkenkutscher", „der
Leichenfuhrmann", „der Nachtwächter", „der Brief-
träger", „der Weißbierwirth", „der Milchmann", „der
Kolporteur", „der Sandfuhrmann", „der Zettelan-
kleber" und, um doch auch von dem klassischen berliner Straßen-
 
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