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Die Dioskuren: deutsche Kunstzeitung ; Hauptorgan d. dt. Kunstvereine — 10.1865

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https://doi.org/10.11588/diglit.13555#0402

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der Motive in sich gestrebt werden müsse, und acceptirte den
Vorschlag, an dieser Stelle den Hauptvertretern der
Kunst und Wissenschaft unsrer Stadt ein Erinne-
rungsdenkmal zu setzen, in der Art, daß die 4 Glasge-
mälde linker Hand je 2 Repräsentanten der Kunst in über-
lebensgroßen Portraitfiguren, die 4 rechter Hand ebenso-
viel Vertreter der Wissenschaft enthalten würden. Die
Reihe der Künstler wurde folgendermaaßen paarweise
geordnet: „Röhring und Schlüter", „Knobelsdorf
und G ontard", „Langh ans und S ch adow", „Schin-
kel und Rauch"; die Reihen der Gelehrten: „Puf-
fendorf und Leibnitz", „Lessing und Fichte", „He-
gel und Schleiermacher", „Ritterund Humboldt".
Die Portraitfiguren würden in architektonische Umrahmun-
gen einzuschließen, der obere Theil der Fenster mit teppich-
artigen Mustern zu dekoriren sein. —

In diesem Punkte glauben wir jedoch einige Beden-
ken nicht verschweigen zu dürfen, die sich uns gegen die
Verwendung von Glasgemälden zu solchen portraitartig-
modernen Motiven aufdrängen. Die Glasmalerei hat,
wenigstens in ihrer monumentalen Anwendung, eine eigen-
thümliche Zwischenstellung zwischen Malerei und Plastik.
Sie kann ohne eine gewisse Strenge des Styls nicht be-
stehen und darf sich nicht auf den genreartigen Naturalis-
mus von bloßen Lithophanien beschränken. Portraitfigu-
ren, wie Nehring, Schlüter, Knobelsdorf, Gont-
ard, Puffendorf und Leibnitz im Zeit- d. h. Zopf-
kostüm darzustellen, wäre ebenso mißlich wie sie zu stylisiren
undenkbar; und was die der modernen Zeit angehörigen
Persönlichkeiten, wie Schadow, Fichte, Hegel, Schlei-
ermacher, Ritter und Humboldt betrifft, so ist bei
diesen die Sache noch viel unmöglicher. Höchstens könnte
Schleiermacher, im Talar, eine Ausnahme machen,
weil bei ihm die portraitmäßige Gewandung mit dem
Styl in eine gewisse Beziehung gesetzt werden könnte.
Aber „Hegel im Ueberrock und Hosen in Lebensgröße"
möchte denn doch ein wenig an's Lächerliche streifen. Der
einzige Ausweg, den wir uns aus diesem Dilemma als
möglich vorstellen können, wäre der, daß diese Figuren
als wirkliche Statuen, d. h. daß die Statuen dieser
Männer mit entsprechender streng stylisirter architektoni-
scher Ornamentik gemalt würden, weil damit ebenso den
Forderungen der Monumentalität Rechnung getragen, wie
auch die Möglichkeit gegeben würde, durch Abweichung
vom Zeitkostüm durch allgemeinere Gewandformen eine
gewisse Strenge des Styls innezuhalten. Auch die Farbe
würde dadurch den Vortheil den Einfachheit gewinnen, in-
dem jede naturalistische Buntheit vermieden und die eigent-
liche Farbenwirkung auf die mosaik- oder teppichmuster-
artige Dekoration des Grundes in den oberen Partien zur
Dämpfung des Oberlichtes beschränkt werden könnte.

Wir kommen nunmehr zu dem in Beziehung auf die
Ausschmückungsfrage als Hauptraum des ganzen Gebäu-
des zu bezeichnenden zweiten Trcppenhause, den das
..Gutachten" mit Recht als den „Brennpunkt der gesamm-
ten künstlerischen Ausschmückung" charakterisirt.

Wie bereits bemerkt, enthält daffelbe vornehmlich zwei
einander gegenüberliegende, je 60' lange Wände und eine
mit denselben im rechten Winkel stehende Wand von 32'

Länge und sämmtlich von 12' 6" Höhe in der Bildfläche,
welche also zusammen eine Längenausdehnung von 152'
und einen Flächenraum von fast 2000 □' umfassen.

Bezüglich der allgemeinen Idee, aus denen die künst-
lerischen Motive für die Ausschmückung dieses schönen
und vom schönsten Oberlicht gleichmäßig erhellten Rau-
mes zu schöpfen seien, wurde — wie das „Gutachten" be-
merkt — von der Kommission übereinstimmend die Ansicht
adoptirt, „daß — während alle anderen besonderen Räum-
lichkeiten, eben ihrer besonderen Bestimmung halber,
je eine konkrete Seite der Grundidee in einem
in sich abgeschlossenen Cyklus zur Anschauung zu
bringen hätten — hier, in dem Centralraum des
ganzen Baues, die Grundidee selbst in einem ein-
fach gegliederten ideellen Gesammt-Cyklus zur Erscheinung
gebracht werden müßte. Für die mittlere Wand
wurde, und zwar in ihrer ganzen Ausdehnung, eine große
und in großem Styl gehaltene symbolische Komposition,
als der Grundidee am entsprechendsten, empfohlen, welche

— um das Motiv mit einem kurzen Titel zu bezeichnen

— „Die Segnungen des bürgerlichen Friede ns"

zur Anschauung bringen sollte, d. h. eine Verherrlichung
aller der großen, allgemein-menschlichen Errungenschaften,
welche die schönen Früchte echt bürgerlicher Ge-
sittung, Ordnung und Freiheit sind: „Wissen-
schaften" und „Künste" nicht minder wie „Gewerbe", „In-
dustrie" und „Handel"; „Freiheit" und „Gesetzlichkeit",
„geistige Bildung" und „materielle Wohlfart"; endlich
die menschlich großen Eigenschaften des Geistes und Her-
zens: „Humanität" und „Toleranz", „Mannesmuth"

und „Pflichttreue", vor Allem aber jene edle „Urbanität",
in der sich alle bürgerlichen Tugenden koncentriren, sie alle
sich entwickelnd und reifend unter dem schützenden Genius
des bürgerlichen Friedens." Wir können dieser großen
und einfachen Auffassung, welche der schönen Wand einen
echt monumental-malerischen Charakter verleihen würde,
unbedingt beistimmen.

Der ideale, oder wenn man will abstrakte Inhalt die-
ses Motivs scheint an dieser Stelle nicht nur gerechtfertigt,
sondern geboten durch die Bedeutung der Räumlichkeit
selbst, welche in entschiedener Weise auf ein Centrum des
ganzen Gebäudes hinweist; sodann auch dadurch, daß der
praktische Zweck des Raumes — nämlich der Treppe —
gegen die architektonische Größe deS Raumes so sehr zu-
rücktritt, daß diese besondere Bestimmung, wie bei den
andern Räumlichkeiten, eigentlich gar nicht in Betracht
kommt. Es ist ein allgemeiner, idealer Raum (um diesen
Ausdruck zu brauchen) und weist als solcher auf ein idea-
les Darstellungsmotiv hin. Wit Recht bemerkt das Gut-
achten, daß „auf diesen Punkt nicht zu viel Gewicht ge-
legt werden könne".

Ja, selbst vom Standpunkt der praktischen Bestimmung
aus, daß es nämlich der Treppenraum ist, d. h. der
centrale Aufgang zu allen besonderen Räumlichkeiten,
rechtfertigt sich die Wahl eines solchen allgemeinen, idea-
len Vorwurfs. Es ist, wie das „Gutachten" sich aus-
drückt, „gleichsam die Ouvertüre zu den ver-
schiedenen Melodien, die in den besonderen
Abtheilungen zum Vortrage kommen, und muß
 
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