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Die Dioskuren: deutsche Kunstzeitung ; Hauptorgan d. dt. Kunstvereine — 10.1865

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https://doi.org/10.11588/diglit.13555#0410

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lerett Bildraum einzuschließen, welcher der Dimension
des Bildes in der zuerst geschilderten Zwischenwand
entspräche.

Die durch solche Theilung auf jeder Seite des Haupt-
bildes jeder der beiden Wände entstehenden Nebenbilder
will es durch einfache architektonische Gliederung von dem-
selben getrennt wissen, etwa durch Säulen, gemalte na-
türlich, die sich in einem Bogen fortsetzen und am Ende
des Bildes wiederholen. Diese jeseitigen (im Ganzen 4)
Bogenbilder würden in sehr passender Weise die ver-
schiedenen Kulturphyfiognomien des bürger-
lichen Lebens, und zwar auf der linken Wand zu bei-
den Seiten des „Alten Berlins" 1) aus der Zeit des
großen Kurfürsten, 2) aus der Zeit Friedrichs
des Großen; aus der andern Wand (zu beiden Sei-
ten des „Neuen Berlins"), 3) aus der Zeit vor
den Freiheits-Kriegen, 4) aus der Gegenwart
zur Anschauung bringen können; der Art, daß in
Kostüm, Sitten, s. f. bürgerliche Typen, einschließlich
Frauen und Kinder, dargestellt würden, die übrigens mit
den Figuren der „Ruhmeshallen", als neugierige Zu-
schauer oder dergl., in kompositionellc Beziehung gesetzt
würden, um der Einheit und Größe des Ganzen willen.
Aus eben diesem Grunde müßten rücksichtlich des Hinter-
grundes und des Lichtes die Nebenbilder ebenfalls in
Kontinuität mit den betreffenden Hauptbildern bleiben.

Wir stimmen durchaus mit dem Gutachten darin über-
ein, daß durch eine solche, in sich logisch gegliederte und
auf einem einfachen aber inhaltsvollen Gegensatz begrün-
dete Jdeenreihe — ein Gegensatz, welcher seine allgemein-,
menschliche ideelle Erklärung durch das symbolische Mit-
telbild, „Die Segnungen des bürgerlichen Friedens", er-
hält, — eine Totalität des Gedankens erreicht wird, welche,
falls sie nur in Rücksicht auf künstlerische Gestaltung
richtig gefaßt wird — ebensowohl in realhistorischer wie
in ideeller Beziehung der Forderung genügen würde, daß
das Treppenhaus als ein Centralpunktdes gan-
zen Baues und demzufolge auch der anderwei-
tigen Ausschmückungen betrachtet werden solle.

Was nun die social- und kulturhistorischen
Motive betrifft, die das Gutachten in durchaus organisch-
gerechtfertigter Weise von den politisch-geschichtlichen trennt,
so boten sich leider für dieselben keine entsprechenden Räum-
lichkeiten mehr dar. Der Saal für Bürger- und
Wahlversammlungen, an sich ein großer und hoher
Raum, entbehrt fast gänzlich passender Wandflächen, da
die Wände überall durch Bogennischeu u. s. f. unterbrochen
sind. Nur in den halbkreisförmigen Bogenfeldern war
Raum für Reliefdarstcllungen und in der Höhe der Wände
für einen langen, in einzelne Felder getheilten Fries vor-
handen; welche Flächen denn auch von der Kommission
für Darstellung der oben bezeickmeten Motive in Anspruch
genommen sind, und zwar in der Art, daß die 20 Felder
des Frieses ebensoviel Reliefs oder wenigstens grau in
Grau gemalte Darstellungen erhalten, welche die verschie-
denen Gewerbe, etwa in allegorischen Kindergestalten,
versinnbildlichten, während für die zehn halbkreisför-
migen Bogen selber ein Cyklus kommunalge-
schichtlicher Motive in Vorschlag gebracht ist, uni

die Hauptmomente der bürgerlichen Entwicke-
lung des neueren Berlins zur Anschauung zu bringen.
Also solche wurden ausgewählt: einerseits 1) Einfüh-
rung des Landrechts. — 2) Einführung der
Städteordnung. — 3) Einführung der Gewer-
beordnung. — 4) Gründung des Schwurgerichts.
— 5) Gründung derUnion; andererseits: 6) Grün-
dung der französischen Kolonie. — 7) Bildung
der Landwehr. — 8) Stiftung des Eisernen
Kreuzes. — 9) Stiftung des Louisenordens. —
10) Gründung der Universität.

Außerdem befinden sich zwischen den Bogeufeldern noch
Flächenausschnitte, in denen durch die achitektonische An-
ordnung Medaillons angedeutet sind. Diese sollen
entweder für Portraits in Relief Vorbehalten werden,
welche die Züge von um die Stadt verdienten Bür-
ge r n der Vergangenheit und Gegenwart der Nachwelt über-
liefern, oder — falls für einen solchen Portraitcyklus, z. B.
in Büstenform, eine der noch nicht fertigen Lokalitäten
in Aussicht genommen würde —■ mit gewerblichen
Emblemen in Beziehung auf die Darstellungen des da-
rüber befindlichen Frieses ausgefüllt werden.

Letzteres scheint in der That passender, und bemerkt
das „Gutachten" an einer andern Stelle, daß die vier-
eckigen Bildflächen des Korridors neben dem Magistra-
tionssessionssaal, der ohnehin seiner geringen Breite wegen
für Gemälde nicht passend ist, mit Büsten von um die
Stadt verdienten Bürgern auf Konsolen ausgestattet wer-
den könnten. Namentlich möchte dies eine gute Wirkung
machen, wenn der Fond in einfachen Farben gemalt und
ebenso einfach dekorirt würde.

Hiermit schließt das „Gutachten" sein Referat, indem
es noch zum Schlüsse bemerkt, daß, wenn durch die auf-
gestellten Darstellungscyklen noch nicht alle Seiten des
geistigen Lebens unsrer Stadt, wie es sich im Lauf der
Zeiten entwickelt hat, vollständig zur Erscheinung ge-
kommen seien, daran zu erinnern sei, daß bei Weitem
noch nicht alle für die Ausschmückung designirten Lokali-
täten — namentlich der Festsaal, der Bibliothek-
saal und der Stadtverordnetensitzungssaal —
soweit fertig sind, um einen klaren Blick in ihre lokale
Disposition rücksichtlich der Zahl, Größe und deö Formats
der betreffenden Bildflächen zu gewähren, und daS cs
demnach ein Fehler gewesen wäre, den Grundgedanken
der Ausschmückung nach allen seinen Seiten in
den bisher d a r g e b o t e n e n Räumlichkeiten ganz
zu erschöpfen.

Um nur ein paar Punkte hervorzuhebens, so scheint es
sehr wünschenswerth, daß nicht nur ein Cyklus land-
schaftlicher Ansichten aus der nächsten Umgebung
Berlins, der wesentlich zur physiognomischen Charakter-
schilderung der Stadt gehören dürfte, sondern auch ein
Cyklus architektonischer Ansichten, d. h. eine Reihe
von Bildern, welche die alten denkwürdigen Bauten, z. B.
das alte Rathhaus, die alten Kirchen und Lhore und
vieles Andere, das bereits untergegangen, als mahnende
Erinnerungszeichen an die Vorzeit zur Anschauung brächte
und somit erhielte, zur Darstellung gebracht würde. —
 
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