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Die Dioskuren: deutsche Kunstzeitung ; Hauptorgan d. dt. Kunstvereine — 17.1872

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https://doi.org/10.11588/diglit.13553#0101

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von dem immerhin bedeutenden und eifrig strebenden Künstler viel
bessere Sachen gesehen.

Das „Farewell" von C. Buberl wird von einem hiesigen
Kritiker als „affected“, als gesucht, getadelt. Der junge Mann
scheint sich in seinem Urtheil ganz genau an den Wortlaut des Ka-
talogs gehalten und die Darstellung irgend einer zärtlichen Ab-
schiedscene nach modernen Begriffen erwartet zu haben. Aber wir
müssen Herrn Buberl dahin in Schutz nehmen, daß in seinem
schönen Modell nicht Tom Dick und Harry von Mary Ann oder
Sarah-Jane Abschied nimmt, sondern der durch die Kunst ideal
gemilderte Schmerz des Scheidens von geliebten und durch Ge-
wohnheit geheiligten Gegenständen zur Anschauung gebracht werden
soll. Der Künstler konnte dazu keine passendere Figur wählen als
den Jüngling, welcher in der Frische seiner Kraft und im fröh-
lichen Drange, seine Fähigkeiten im Kampfe der Zeit zu messen, an
der Schwelle der Heimath steht und der Vergangenheit eine Thräne

weiht, während er der Zukunft hoffnungsvoll entgegenschreitet. —
Er wendet, den Wanderstab und Hut in der Rechten, die Linke wie
zum Segnen ausgedrückt, den Blick zurück nach dem väterlichen
Hause, und der schmerzliche, obwohl durchaus nicht hoffnungslose
Zug um die Lippen zeigt die unabweisbare innere Rührung. Der
leichte Kittel, welcher etwa zwei Drittheile der schöngeforniten Schenkel
bedeckt, ist durch einen Riemen an der Taille geschürzt, und eine Decke,
worin ein Knoten verschlungen, fällt über die kräftigen Schultern.
Meisterhaft ist die Modellirung der Glieder und namentlich der
Beine, deren rechtes leicht angezogen ist wie zum Weitergehen,
während das linke firm und fest steht und der ganzen Gestalt eine
kernige Haltung verleiht. Man mag die Figur betrachten wie man
will, sie ist nach allen Seiten hin stichhaltig, wenn auch bei der
Ausführung in Marmor, welche hoffentlich nicht mehr lange auf sich
warten lassen wird, einige geringe Modifikationen des Faltenwurfs
und anderer Kleinigkeiten wünschenswerth erscheinen sollten.

(Fortsetzung folgt.)

Kunst-Hhroniti.

S1 erlitt. Mit der Bewilligung der umfassenden Mittel von
100,000 Thlr. zum Ankauf von Bildern für das könig-

liche Museum ist nun auch die nur schon zu lange er-
forderliche Erledigung der Ernennung eines General-
direktors der königlichen Museen wieder näher
getreten. Es scheint ziemlich gewiß, so erfährt die „K. Ztg.",
daß Graf Usedom nicht nur kommissarisch vorübergehend, sondern
definitiv diesen Posten übernehmen wird. Augenblicklich handelt es
sich nur darum, wie weit man sich dazu verstehen wird, die Be-
dingungen zu acceptiren, welche Graf Usedom in einem besonderen
Programm aufgestellt hat. Ein Hauptpunkt in demselben betrifft
die Beseitigung derjenigen Beschränkungen, welche nach einem von
Herrn v. Mühler herrühreüden Institut eine technische Kommission,
die neben dem Generaldirektor fungiren sollte, den Bestimmungen
desselben entgegensetzen konnte. Doch scheint es, daß nian sich dieser
Bedingung fügen wird. Uebrigens dürfte ein Theil der bewilligten
Mittel auch zum Ankauf moderner Erzeugnisse der Kunst verwendet
werden. Hierauf bezogen sich zum Theil die Berathungen jener
Kommission, welche in den letzten Tagen unter dem Vorsitz des
Kultusministers hier stattgefunden haben.

— — In der Säulenhalle des Neuen Museums ist kürzlich
die Büste Stüler's, des Erbauers dieses Museums, ausgestellt
worden.

— — Bei der Berathung des Abgeordnetenhauses über die
oben erwähnte Position von 100,000 Thalern zur Vermehrung
der Kunstschätze in den Berliner Museen wurde der An-
trag vom Abgeordneten von Bunsen in folgender Weise mo-
tivirt: „Unsere Könige haben von jeher mehr auf die äußere
Machtstellung ihres Staates gesehen, als daß sie bemüht gewesen
wären, ihn durch Werke der Kunst zu zieren. So sind wir auch
in Bezug auf die Sammlungen unserer Kunst-Museen weit hinter
London und München zurückgeblieben, wo der Beweis geliefert wird,
daß man auch in unserer Zeit noch Sammlungen begründen kann.
Während die Vertreter Englands durch schnelles Zugreifen, sobald
sich ihnen eine Gelegenheit zur Acquisition einer Antike darbot, ihrem
Land einen großen Dienst geleistet und den künstlerischen Sinn in
ihrer Heimath wesentlich gefördert haben, so sind unsere Gesandte
bei solchen Gelegenheiten stets zurückgeblieben. Es ist wünschens-
werth, daß man von dieser Praxis abgehen und die Gelegenheit
benutzen werde, welche die erleichterte Verbindung mit dem Orient

uns bietet, um an den Küsten Griechenlands und Kleinasiens das
Versäumte nachzuholen. Es ist die Aufgabe unserer berliner Kunst-
museen, den Sinn und das Verständniß des Schönen in allen Theilen
der Monarchie zu verbreiten, sowohl durch eine Verallgemeinerung
der Gypsmodelle, mit denen größere sämmtliche Gymnasien, sämmt-
liche Städte versehen werden müßten, als durch Herstellung guter
Kopien, die von erläuternden Vorträgen begleitet in die Provinzen
gehen müßten. Es ist charakteristisch, daß wir nur eine Professur
für moderne Kunstgeschichte und zwar ohne Professor, und einen
Professor für dieses Fach ohne Professur haben. Die Professur be-
findet sich in Bonn, ihr Inhaber ist jedoch nach Straßburg berufen
worden, und der die moderne Kunstgeschichte Vortragende Professor
ist eigentlich nicht dafür berufen, sondern ein Professor der Philosophie.
Ich erinnere schließlich an eine Anekdote, welche einen deutlichen Be-
weis für das auch dem gemeinen Manne innewohnende Kunstgefühl
abgiebt. Als unsere Krieger siegreich in die Stadt Amiens einzogen,
bewunderte alle Welt ihren ruhigen, sicheren Schritt, mit dem sie
trotz aller Anstrengungen der vorangehenden Tage einmarschirten.
Noch größer aber war das Erstaunen der feindlichen Bevölkerung,
als sich unsere Krieger der prächtigen Kathedrale näherten und, ge-
fesselt durch deren Anblick, wie ein Mann ihre Blicke auf dieselbe
richteten. — Ich bitte daher, möglichst einstimmig die geforderte
Summe zu bewilligen." — Die geforderten 100,000 Thlr. wurden
ohne weitere Debatte bewilligt.

Erfurt. Am 7. d. M., Nachmittags, brach hier im evan-
gelischen Waisen hause (in der Comthurgasse), dessen ehrwür-
digen Räume die Bildergallerie, die Kunstkammer, das
Museum enthalten, Feuer aus, das Alles zerstört hat. Der schnell
zur Stelle geeilten Turnerfeuerwehr und der zweckmäßigen Aufstellung
der Feuerlöschmaschinen gelang es zwar mit Anstrengung, den Brand
auf den eigentlichen Herd zu beschränken und das angrenzende be-
drohte Martinsstift sowie die Augustinerkirche zu schützen, leider
konnte jedoch ein nur verhältnißmäßig geringer Theil der mit lang-
jährigem Fleiß und vielen Geldopfern angesammeltcn alterthümlichen
Kunstschätze gerettet werden, da das schnelle Umsichgreifen der Flammen
und der dichte Oualm, welcher bald alle Räume füllte, das Retten
sehr erschwerten. Der materielle Verlust an durch den Brand zer-
störten und beschädigten Gebäuden, Utensilien rc. mag sich auf
50,000 bis 60,000 Thaler belaufen, dagegen ist der Werth der zu
Grunde gegangenen Kunstschätze ein unersetzbarer. Die historische
 
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