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Die Dioskuren: deutsche Kunstzeitung ; Hauptorgan d. dt. Kunstvereine — 17.1872

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https://doi.org/10.11588/diglit.13553#0123

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große Ausstellung des Künstlerhauses. Bereits die nächste
Nummer dieser Blätter dürfte über Eröffnung und Allgemeines
sprechen. Schon jetzt sagen wir, daß die Theilnahme an der Kunst
bei uns eine starke, ungeschwächte ist. Trotzdem die Million Gulden,
welche die Auction der Gallerie Gsell in Anspruch nahm, Besorg-
nisse für das Neue erregte, wurde bereits in den Ateliers mancher
hervorragenden Kräfte vieles der Vollendung Entgegengehende von
Kunstfreunden gekauft, wie bei Angely, Friedländer, Hansch,
Schönn u. s. f. Möge der Schaffensgeist der allgemeineren Gunst
würdig fein und sich auch über das zu leicht Gefällige erheben!

N. Netv-Uork, Ende Januar. (Kunst-Ausstellung des
Künstler-Vereins „Palette". Fortsetzung.) In Marine-
bildern war die Sammlung ziemlich schlecht bestellt, doch waren
die wenigen, welche ausgestellt sind, nicht ohne Verdienst. Eine
„Scene an der Küste der Normandie" von I. Foxcroft Cole,
die Brandung vor dem nahenden Sturm darstellend, ist kräftig
und charakteristisch gemalt. Ein größeres Stück von T. R. Bre-
voort, „Sonnenuntergang an der Küste von Gloucester", macht
einen entschieden günstigen Eindruck und gewinnt bei längerem Be-
schauen. Namentlich die Behandlung der im letzten Reflex des schei-
denden Lichtes angeglühten Felsen ist eine vorzügliche, und das durch-
sichtige Blau des ruhigen Wassers mildert in wohlthuendem Kontrast
die Intensität der Färbung. „Die Bai von New-Uork", von der
Batterie aus genommen, von E. Morgn, erscheint auf den ersten
Blick etwas monoton, weil Grau in Grau gemalt; doch stellt sich
bei näherem Ansehen heraus, daß der Künstler diese Stimmung
genau der Natur abgelauscht hat, und wir dürfen nicht mit ihm
rechten, wenn er es vorzog, die düstere Nebelluft statt des heiteren
Sonnenlichtes zu malen. Gerade das Leben auf dem Wasser hat
in dieser Luft seine ganz eigene Charakteristik.

Schließlich wollen wir noch dreier Werke erwähnen, welche an
Kunstwerth in ihrem Genre mit zu dem Besten gehören, was die
Sammlung aufzuweisen hat, nämlich die Architekturstücke von den
Herren Schulze und Schön. Die ersteren beiden stellen die Front
und das Innere des von einer Gesellschaft in Aussicht genommenen
Jndustriepalastes für die nächste große Weltausstellung in New-Aork
dar, welche sich jedoch wieder aufgelöst und die Künstler um die zur
Konkurrenz ausgeschriebenen Pläne betrogen hat. Wer sich in die
beiden Werke vertieft, wird bald zu der Erkenntniß kommen, daß
die Arbeit der Herren trotz des materiellen Verlustes keine verlorene
war. — Auch die Ansicht eines von den Herren Schulze und
Schön gebauten „Versicherungsgebäudes in New-Aork", ist eine
vorzügliche Leistung.

Vom Portrait gilt dasselbe, und zwar in noch höherem
Grade, was ich früher von der Landschaft gesagt habe. Es muß
kein bloßer Abklatsch der Natur sein, sondern denselben künstlerischen

Reproductions - Prozeß durchmachen wie jedes andere Gemälde; es
muß nicht nur den gegebenen Formen entsprechen, sondern geistiges
Eigenthum des Künstlers sein. „Wie ähnlich!" hört man häufig
von unschuldigen Beschauern ausrufeu, wenn sie vor dem Portrait
eines Bekannten stehen, dessen charakteristische Züge outrirt sind und
der in Folge dessen als versteckte Karrikatur auf der Leinwand
figurirt. Es ist vielmehr die Aufgabe des Portraitmalers als
Künstlers, die verschiedenen Stimmungsphasen des Charakters zu
studiren und in den ihm in der Anatomie gegebenen Formen har-
monisch und bis zu einem gewissen Grade selbst idealisirt wieder-
zugeben, so daß ein Ganzes entsteht, welches das Sujet gewisser-
maaßen in seiner Durchschnittsstimmung darstellt, den Geist im
Körper wiederspiegelt. — Es waren einige Bildnisse in der Palette-
Ausstellung, welche sich dem Besten anreihen, was in diesem Genre
geleistet wird und die fast allen oben angedeuteten Anforderungen
entsprechen z. B. die Portraits von G. Gerhard, namentlich das
Portrait des Präsidenten der Deutsch-amerikanischen Bank, einer in
weiten Kreisen bekannten und beliebten Persönlichkeit. Es dürfte
schwer werden, den Mann in seiner vollen Kraft, seiner natürlichen
Charakteristik und doch künstlerischer Gestaltung besser wiederzugeben;
namentlich die Fleischfarbe ist vorzüglich und der einzige Fehler,
welchen wir an dem Bilde finden können, ist die allzu stark hervor-
tretende, obwohl sehr gut gemalte weiße Weste, welche zu viel von
der Aufmerksamkeit des Beschauers in Anspruch nimmt.

Unter den übrigen ist ein „Knabenportrait" von O. Kunath
hervorzuheben, welches den liebenswürdigsten Ausdruck und sprechende
Aehnlichkeit mit der dem Künstler eigenen glänzenden Technik, welche
sich vielleicht hie und da ein wenig zu viel im Detail verlieren
mag, verbindet. Zu den Besseren gehören ferner die Bildnisse von
W. W. Scott, T. Le Clear und John B. Barrow. Das
Portrait von Robertson leidet an zu großer Härte in der Farbe,
und das Portrait eines bekannten Deutschen von I. I. Hammer
zeigt deutlich, daß der Künstler in diesem Genre kaum die Lorbeern
ernten wird, welche seiner auf dem Felde der Landschaftsmalerei
warten mögen. — Unter den Crayons befindet sich ein Meisterstück
von dem den meisten unserer Leser nur als Photograph bekannten
W. Kurtz, das „Portrait des Präsidenten der N.-U. Academy of
Design, Page". Das Crayonzeichnen hat namentlich bei großen
Portraits seine großen Schwierigkeiten, erfordert wohl überlegte
Anlage und die sauberste, sorgfältigste Ausführung, wenn es nicht
verschmiert werden soll. Es ist Kurtz in hohem Grade gelungen,
die nöthige Kraft und Sicherheit bei vollständiger Klarheit der
Linien zu erreichen, und so gehört seine Leistung als wirkliches Kunst-
werk lange nicht zu den letzten der Sammlung. Sein eigenes Portrait,
von Fabronius, in Crayon und Farbe, ist entschieden mißlungen
und macht mit seiner Leichenfarbe einen nichts weniger als ange-
nehmen Eindruck. (Forts, folgt.)

Kunst-Hhronik.

«erlin. Es ist in hiesigen Zeitungen mehrfach die Rede
gewesen von einem Projekt, in der Achse der Allee „Unter
i'xp den Linden" über den Lustgarten und die Spree fort eine
große Kommunikationsstraße bis zur jenseitigen Grenze
'iSh-P der Stadt durchzubrechen, welche hier in einem großen
Central-Bahnhof für die nach Norden führenden Eisen-
bahnen ihren Abschluß finden würde. Dieser für die drei neuen,
theilweise schon im Bau begriffenen Linien, Berlin-Stralsund,
Berlin-Kiel und Berlin-Freienwalde-Stargard, be-
stimmte kombinirte Bahnhof soll dann gleichzeitig für den Betrieb

der Verbindungsbahn nutzbar gemacht werden. Für Anlage dieses
Bahnhofes ist das Terrain zwischen Münz- und Linienstraße (das
Victoriatheater nebst den anstoßenden Gebäuden der Dragoner- und
Hirtenstraße) in Aussicht genommen. Die Ueberführung der Geleise
über die Linienstraße und die Verlängerung der Wollankstraße macht
die Anlage eines ca. 5 Meter hohen Unterbaues nothwendig, welcher
durch Einrichtung großer Laden und Lagerräume, sowie eines Riesen-
tunnels ausgenutzt werden soll, während man in der Etage über
den Wartesalons die Herstellung von Räumlichkeiten für eine Jn-
dustriebörse, großen Gesellschaftsräumen, Ausstellungslokalen rc. be-
 
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