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Die Dioskuren: deutsche Kunstzeitung ; Hauptorgan d. dt. Kunstvereine — 17.1872

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https://doi.org/10.11588/diglit.13553#0122

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„Wiedersehen" einen schmucken Rcitersmann vor einem Schloß-Portale
halten, aus dem eben das kokette Liebchen tritt, freudig überrascht,
aber ohne jenen gemeinen Ausdruck, den ein bekannter Kritiker in
diesem Bildchen herausfinden und der daraus auf die demoralisiren-
deu Folgen solcher Richtung in der Malerei schließen wollte. Wir
sind der Ueberzeugung, daß Gruber gar nicht die Absicht gehabt, in
diesem ganz unschuldigen Motive jenen Ausdruck hineinzulegen. — In
der „Marine bei Reval" von P. v. Tiesenhausen geht düster
die Sonne unter, während links schwere Wolken sich zum Sturme
sammeln. Das Bild zeigt einen entschiedenen Fortschritt. Die Luft
ist klarer als sonst in den Tiesenhausen'schen Werken behandelt,
auch überträgt sich die Durchsichtigkeit auf das Wasser, welches
Prächtig gemalt ist. Es ist ein ebenso charakteristisches wie phan-
tastisches Marinebild, aus dem eine höchst poetische Stimmung spricht.
Eine „Partie bei Schleißheim" von W. Malecki gefiel in gleichem
Grade wie die „Polnische Landschaft" desselben Künstlers; letztere
zeichnete sich namentlich durch das schön gemalte Terrain und die
von den letzten Strahlen der (außerhalb des Bildes) untergehenden
Sonne beleuchteten Häuser aus. — Die baumreiche „Landschaft" mit
Bergkuppen von Th. Kotsch zeigte viel Schönes, die Bäume sind
gründlich studirt, nur vielleicht etwas hart beleuchtet. — Jedem Waid-
mann werden v. Maffei's „Hühnerhunde" auf dem Anstande, als
meisterhaft studirtes Jagdbild willkommen sein. — Einen Schuster-
jungen, der ohne Zweifel mehr Prügel als Essen von seinem Meister
bekommt, hat Hugo Kauffmann gemalt. Der gefürchtete Meister
mit dickgeformter Pnrpurnase ist mit der vornehmen Gesellschaft des
Dorfes, dem Herrn Lehrer und Schreiber, beim Kegelschieben, der
Meister will eben die Kugel aufwerfen, da kommt sein Lehrling mit
der Nachricht herein: „Der Meister soll gleich h'neinkomme". Der
wüthende Ausdruck des Gesichts des Meisters läßt den Jungen die
Nemesis im Voraus ahnen, denn er hält schon die Hosen an der
Stelle fest, wo später für die unwillkommene Störung der Spann-
riemen heruntersausen wird. Zwei andere Genrebilder desselben
Künstlers „Kartenspielende Bauern" und „Savoyardenjunge in der
Dorfstnbe" sind gleich gelungene Arbeiten. Seine „Fastnachtsscene
in Paris" war wohl nur als Kuriosum gemalt.

Willroider's „Landschaft am See" zeigt prachtvolle Bäume
mit pikanter Staffage, die Luft hatte aber einen etwas schweren
Ausdruck. Drei sehr hübsch gemalte Landschaften aus der Umgebung
Wiens „Donauregulirnngen bei Wien" darstellend, brachte Tina
Blau, die aus den an und für sich höchst unbedeutenden Motiven,
reizende Stimmungslandschaften zu schaffen wußte. Durch hellen
Sonnenschein und frisches Wiesengrün zog die im Geschmacke Lier's
gemalte „Landschaft" von R. v. Poschinger an. (Schluß folgt.)

6. W. München, 25. März. (Große Kunstauction.)
Die große Kunstauction, welche von Herrn Rath Förster vom
22. Mai d. I. ab zu Würzburg, im dortigen großen Schrannen-
saal, stattfinden wird, verspricht, ebenso wie die früheren, unter der
Direction des Genannten abgehaltenen Auctionen, ein Ereigniß für
den internationalen Kunstverkehr zu werden. Solide Kennerschaft
wie Geschäftsführung auf Seite des Unternehmers haben im Jn-
und Auslande diesen Auctionen schon längst den weitesten Ruf ver-
schafft. — Es ist die berühmte Gemäldegallerie des zu Würz-
burg verstorbenen Reichs- und Staatsraths, Frhrn. v. Zu-Rhein,
welche an dem angegebenen Termin zu Würzburg zur Versteigerung
kommt. Der hohe Ruf, dessen sich diese vorzügliche Sammlung seit
langer Zeit erfreut, und wovon die von allen Seiten und in großer
Anzahl bereits eingelausenen Anfragen und Aufträge ein neues
Zeugniß geben, macht es überflüssig, den künstlerischen Werth jener
nochmals hervorzuheben. Es sei nur bemerkt, daß der in diesen

Tagen erschienene ausführliche Katalog (Kommissions-Verlag von
Theodor Ackermann in München) 231 Nummern umfaßt und daß
darin Werke fast aus allen Schulen, Originale von Raphael und
Correggio, auch einige neuere (Rottmann, Zimmermann rc.) ver-
zeichnet sind. — Gleichzeitig machen wir auf die im Laufe des
Sommers und ebenfalls unter der Direction von Rath Karl Förster
stattfiudende Versteigerung des künstlerischen Nachlasses von Wilh.
Schirmer aufmerksam. Der Katalog dieser reichhaltigen und sehr
werthvollen Sammlung wird demnächst erscheinen.

8. Wien, Ende März. (Oesterreichischer Kunstverein.
Forts, u. Schluß.) Es ist seltsam, daß diese Monats-Ausstellung
gerade nicht wenig Historisches bringt, während man überall und
lange danach seufzt. Einiges nannten wir bereits. Mit einem zwar
oft behandelten Stoffe, welcher aber noch immer interessant erfaßt
werden kann, nämlich einer „Verfolgung der ersten Christen", stellt
sich uns Otto aus München vor. Die Einzelnheiten sind geschickt ge-
macht, jedoch fehlt dem Ganzen die Größe der Auffassung und das
Tiefgehaltige des Stoffes, welches wir denn doch fordern müssen, wenn
man ihn heutzutage wieder vorbringt. — Feuerbach's „Romeo
und Julie" erscheint mit dem Katalogbeisatze: „früher der Galerie
des Bar. Schack gehörig." Weshalb nicht mehr? Wir wissen,
daß dieser Kunstfreund sich in der Regel nicht von seinen Schätzen
trennt. Indessen gestehen wir, daß auch uns der Trennungsschmerz
nichr allzu schwer geworden wäre, denn über den Liebreiz der Julie
müssen wir geradezu den gemalten Ronieo entscheiden lassen, uns
Lebendigen dünkt er keineswegs verlockend. — Die Italiener gra-
vitiren mit ihren Gemälden nun stark nach Wien, seitdem Domenico
Jnduno mit seinen ersten, frisch und leicht hingeworfenen Pro-
dukten hier rasch Glück machte, und ferner Antonio Rotta durch
ein Bild, das wir, nach Beschauung seiner spätern andern, des
photographischen Grundes verdächtig halten, viele Achtung der Kritik
auf sich gelenkt. Jedoch der erstgenannte und auch ein Bruder
desselben schicken nun gleich anderen Landsleuten monatlich frischge-
färbte Partien, welche besser daheim blieben, und letzterer hat noch
immer Anspruch auf den Titel eines tüchtigen realistischen Technikers,
trotzdem man gerne glauben machen möchte, er sei mehr und seine
Bilder bereits „vorkauft". Jedoch sein „Bettler und Sohn" hat
die bestgemalten Theile in der rauhen Mauer, keineswegs in dem
Alten, welcher nicht nur häßlich, sondern sogar widerlich anstatt
mitleiderregend ist. Das war nicht die Absicht des Malers, noch ist
es Zweck der Kunst. — Der Düsseldorfer Vautier, unser guter
deutscher Maler, welcher mit einer sitzenden Bäuerin und seinem
schlicht natürlichen Vortrage sich gerade neben dem vorigen zeigt,
schlägt ihn vollkommen und bewährt das ewig Anziehende, Erquickende
der echten Kunst. — Spor er's (München) Genrebild „Karfunkel"
nach Hebbel's Dichtung, verdient noch als ein durchdachtes, tüchtiges
genannt, auch Beinke's (Düsseldorf) „Bettelkinder" ehrend erwähnt
zu werden, gleich Frei es leben aus Weimar, der nun öfter er-
scheint und mehr bieten würde, wenn er weniger seltsam darstellen
wollte. — Von den Landschaften heben wir noch I. Varoune
(Wien) heraus, welcher das „Höllengebirge am Attersee" gemalt, so
wahr und bei aller poetischen Auffassung doch so lokal treffend, daß
wir überrascht vor der uns recht wohl bekannten Gegend standen.
Dieser Maler erscheint weniger öffentlich als er es sollte und wird
auch noch weniger anerkannt, als er es verdient. — Haanen jun.
(Düsseldorf) und unser gewandte Holzer bringen Anmuthiges. —
Lach's Blumen verdienen immer als hervorragend in dieser Gattung
genannt zu werden.

Wir können uns heute weniger mehr über diese fast 200 Nrn.
zählende Exposition ausbreiten, denn es ruft bereits die jährliche
 
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