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Die Dioskuren: deutsche Kunstzeitung ; Hauptorgan d. dt. Kunstvereine — 17.1872

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https://doi.org/10.11588/diglit.13553#0317

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werdenden Plätze eine radikale Umgestaltung der ganzen Bauflucht
für lange Zeiten unmöglich gemacht werden. — lieber die Wichtig-
keit des Ebe-Benda'schen Umbauprojekts kann also, wie gesagt, kein
Zweifel sein.

Dieser Plan gründet sich zunächst ebenfalls auf die Idee der
möglichsten Freilegung der Südwestseite des königlichen Schlosses
und besonders des großen Kuppelportals, dessen grandiose Wirkung
auf die Ferne berechnet ist, auf dessen Axe Schlüter ursprünglich
seinen Dom projektirte und dessen Schönheit durch die jetzige Be-
bauung gar nicht zur Geltung kommen kann, dann aber auf eine
möglichst rentable Bebauung des Raumes mit Läden und Kaffee-
häusern, in der Weise, daß ein neuer Mittelpunkt des feineren und
behaglichen Verkehrs für Berlin gewonnen würde. Die Schöpfung
einer großartigen Stätte für den Verkehr möchte wohl der Vortheil,
den Platz ganz frei zu bekommen, voll ausgewogen sein. Denn es
fehlt in Berlin entschieden an einem Punkte, der, an einer Haupt-
verkehrsstraße gelegen, es zugleich gestattete, die günstige Jahreszeit
zum Verkehr im Freien auszunutzen. Die „Linden" eignen sich
durchaus nicht zu solchem Zwecke. Die Beliebtheit eines solchen
Promenadenortes ist an Bedingungen geknüpft, die nur an wenigen
Lagen zu erfüllen sind; es gehört dazu einmal als nothwendig die
Lage in unmittelbarer Nachbarschaft des lebhaftesten Verkehrs in der
Mitte der Stadt, zugleich aber eine Art insulares Getrenntsein vom
Strome des Verkehrs, sodann die Nähe eleganter Erfrischungslokale
und womöglich von Reihen feiner Läden, um die Schaulust zu be-
friedigen und zugleich dem Fremden Gelegenheit zu geben, seine Ein-
käufe an einem Orte zu machen, den er ebenso des Behagens wegen
ausgesucht haben würde. Diese Ansprüche wären nun an keinem
Orte Berlins so vollständig zu erfüllen als an dem besprochenen;
schon die Nähe der schönsten monumentalen Gebäude bleibt ein Vor-
theil, der jedem anderen Platze abgeht.

In dem Projekte ist die Bebauung möglichst niedrig gehalten,
ein Geschoß mit Mezzaninen, um den Prospekt des Schlosses nicht
zu verdecken. Die geringe Höhen-Entwicklung macht es zum Vor-
theil der Rentabilität möglich, die ganze Länge der jetzigen Schloß-
freiheit wieder zu bebauen; ebenso den rechtwinklig anstoßenden Theil
bis zur Schleusenbrücke, der jetzt von den Mühlen eingenommen ist.
Nach der Spree und nach den Squares zu umschließen Säulengänge
die Baugruppen, und um großartigen Raum für Sitzplätze zu ge-
winnen, ist die Anlage einer auf eisernen Substructionen ruhenden
Terrasse über der Spree in Aussicht genommen. Die Raumtheilung
des Grundrisses zeigt drei große Kaffeehäuser oder Restaurants, das
eine an der Ecke nach dem Lustgarten zu, vielleicht der schönste Platz
Berlins für solche Anlage, das zweite in der mittleren Gebäude-
gruppe zwischen beiden Squares, das dritte an der Schloßfreiheit;
von diesen Lokalen wäre die Masse des auf den Plätzen, Terrassen
und Balkonen im Freien sitzenden Publikums mit Leichtigkeit zu be-
dienen, im Winter böten die Räume selbst einen angenehmen Aufent-
haltsort. Der übrige Raum wird von Läden eingenommen, die den
Werth des Ortes steigern und wieder durch diesen an Verkehr ge-
winnen müssen.

Was die zu errichtenden Monumente anbelangt, die auf halb-
kreisförmigen Ausbauten nach der Spreeseite zu angeordnet und
welche auch von den Linden her eine ausgezeichnete Perspektive dar-
bieten, so sind dieselben im Projekte, nur um die beabsichtigte Wirkung
anzudeuten, mit dargestellt. Die Ansichten zeigen das „Kaiserdenk-
mal" auf der Axe der Schloßkuppel und eine „Germania" in der
Linie des zweiten Squares. — Die Kosten der ganzen Anlage könnten
sich etwa wie nachstehend beziffern: für den Ankauf der Häuser der

Schloßfreiheit (184 Quadratruthen) eine Million, auf unentgeltliche
Hergabe des Platzes der königlichen Mühlen wäre vielleicht zu rech-
nen, wenn dafür die Squares und Monumentplätze zur Verfügung
gestellt würden. Der projektirte Neubau würde etwa 300,000 Thlr.
beanspruchen, danach betrügen die Gesammmtkosten 1,300,000 Thlr.
Durch die Miethen wären an Einnahmen zu erzielen, für 3 Kaffee-
häuser, bezüglich Restaurants mit den Mezzaninräumen, je 10,000
Thlr., für 8 große Läden, jeder 4000 Thlr., für 16 kleinere Läden,
jeder 2000 Thlr., die übrigen vermiethbaren Räume der Mezzanine
ca. 16,000 Thlr., zusammen 110,000 Thlr. Miethen, welche bei
10 Procent Verzinsung ein Kapital von 1,100,000 Thlrn. reprä-
sentiren. Es bliebe demnach immer noch ein ungedeckter Rest von
200,000 Thlrn, aber das ist bei derartigen Anlagen auch gar nicht
anders zu erwarten. Ein Opfer an Geld muß jedenfalls gebracht
werden, um künstlerische Zwecke in erster Linie zu erreichen, aber das
besprochene Projekt böte den Vortheil, nur ein Fünftel dessen auszu-
wenden, was verloren gehen würde, wenn der Platz ganz ohne jede
Bebauung bleiben sollte.

Soviel über die Disposition des Projekts und ihre Motivirung.
Wir haben schon früher bemerkt, daß wir im Großen und Ganzen
durchaus damit einverstanden sind; nur Einzelnes darin dürfte unsrer
Meinung nach zu modificiren sein; so gestehen wir, daß die Anordnung
der Squares uns nicht gerechtfertigt erscheint. Einmal ist die ver-
schiedene Größe sowohl der Durchbrechungen wie der halbrunden
Ausbauten — die eine, welche für die „Germania" bestimmt ist,
hat fast die doppelte Größe der anderen — sehr störend hinsichtlich
des Totaleindrucks. Entweder müßten sie beide gleich sein oder aber
diesseits der größeren abermals eine der zweiten entsprechende kleinere
angebracht werden, was nicht gut angeht. Zweitens will es uns
nicht richtig erscheinen, daß die Bauten über die Baufluchtlinie der
Lustgartenseite des Schlosses hinausreichen. Beide Uebelstände könnten,
ohne der Rentabilität Eintrag zu thun, dadurch beseitigt werden, daß
der Platz nach der Schloßbrücke hin bis zu einem Punkte freigelassen
würde, der durch eine von der Ecke des Schlosses nach dem Ufer
hin senkrecht gezogene Linie bestimmt, statt der zwei Squares aber
nur einer in die Achse des Schloßportals gelegt würde, auf dessen
Ausbuchtung in die Spree dann ein großes Monumentalwerk —
sei es die „Germania", sei es das „Kaiser-Denkmal" zu errichten
wäre. Auch will es uns bedünken, daß die dem sogenannten rothen
Schlosse gegenüber zu errichtenden Baulichkeiten sehr wohl eine Etage
höher sein könnten, da der Zweck der Freilegung des Schlosses durch
die an Stelle der Schloßfreiheithäuser zu errichtenden niedrigen
Bauten genügend erreicht sein dürfte.

Auf die Rentabilitätsrechnung des Projekts wollen wir uns
hier nicht näher einzulassen, doch können wir, auf Grund der den
Skizzen beigefügten Berechnung, soviel sagen, daß allem Anschein
nach auch nach dieser Seite hin der Plan auf sicherem Grund und
Boden beruht. Was wir aber noch ausdrücklich hervorzuheben
haben, ist der durchaus künstlerische Gedanke, welcher dem Ganzen
zu Grunde liegt. Auch wenn man von einer Vergleichung des
perspektivisch gezeichneten Plans des projektirten Umbaues mit der
Zeichnung der jetzigen Wirklichkeit ganz absieht, so gewährt derselbe
schon durch die reichgegliederten Säulenhallen, über die sich in
majestätischer Würde das alte Schloß mit seinen groß gedachten
Formen erhebt, einen wahrhaft majestätischen Anblick architektonischer
Schönheit. Wir können also nur aufs Lebhafteste wünschen, daß
die Ausführung dieses schönen Plans nicht an unübersteiglichen
Hindernissen scheitern möchte.



M. Sr.
 
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