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zu haben. Ein Gegenstück dazu bildete eine männliche Figur von
demselben Material und denselben Verhältnissen. Von dieser männ-
lichen Skulptur sind nur die Füße erhalten. Beide Skulpturreste
sind dem städtischen Museum zum Geschenk gemacht worden.
Mainz. Mit den Herstellungsarbeiten am Ostchor des hie-
sigen Doms ist Dombaumeister Wessicken so weit vorgeschritten, daß
in diesen Tagen mit der völligen Freilegung des Raums der im
15. Jahrhundert zerstörten und verschütteten Krypta, von der bis-
her nur einzelne Theile aufgedeckt waren, begonnen werden konnte.
Diese Arbeiten förderten manche archäologische Entdeckung von In-
teresse zu Tage. In architektonischer Hinsicht haben die Ausgrabungen
im Ostchor ergeben, daß das Mittelschiff der Krypta viereckig aus-
läuft, d. h. daß eine von besondern Säulen gestützte kleinere, der
Hauptapsis entsprechende Rundung an dieser Stelle nicht vorhanden
war. Anstatt einer Apsidenanlage schließt vielmehr ein weiteres
Joch das Mittelschiff ab, worauf die Reste eines in der Haupt-
apsis stehenden Altars folgen. Am Oberbau werden die Arbeiten
in nächster Zeit so weit sein, daß die Einwölbung des Triumph-
bogens vorgenommen und der gothische Raum und Durchsicht ver-
sperrende Pfeiler entfernt werden kann. Ueber die Ausführung des
Thurmoctogons über die Vierung wird mitgetheilt, daß der Dom-
baumeister ein neues Projekt ausgearbeitet hat, wonach der Thurm
unmittelbar in mächtiger vertikaler Aufbaulinie aus der Bedachung
emporschießen wird, und zwar bis zum Helm in drei Geschossen,
von denen die obern in Harmonie mit der östlichen Chorapsis eine
reiche Arkadenentwicklung mit belebender Säulenstellung erhalten.
München. Der General-Directions-Rath Architekt F. B ürk-
lein, der Erbauer des Maximilianeums, des Regierungsgebäudes
und der meisten Bauten der Maximiliansstraße hier, ist am 4. d. M.
in der Heilanstalt zu Werneck gestorben.
Wien. Die hiesige Genossenschaft der bildenden Künstler hielt
in diesen Tagen ihre Generalversammlung ab. In der Jahres-Aus-
stellung im Künstlerhaus beliefen sich die Ankäufe trotz der diesmal
fehlenden Erwerbungen aus der Staatsdotation auf 116,910 Fl.,
in der permanenten Ausstellung bis zum 4. Novbr. auf 34,551 Fl.,
mehr als das dreifache im Vorjahr. Dabei mehren sich auch stetig
die Bestellungen. Die Genossenschaft zählt zur Zeit 22 Ehren-
mitglieder, 301 ordentliche, 99 außerordentliche Mitglieder und
2 Teilnehmer.
— — Bei der am 30. November stattgefundenen Verloosung
der vom Oesterreichischen Kunstvereine pro 1872 angekauften Ge-
winnstbilder entfielen auf die Anrheilscheine Sr. Majestät des Kaisers
zwei Treffer, die Oelbilder „Mondnacht am Havelsee" von Spitta
in Berlin und „Motiv aus Stixenstein" von Holzer in Wien.
Weiter entfielen von den 172 Gewinnstnummern Treffer auf die
Anteilscheine der Frau Kronprinzessin Victoria in Berlin, der Frau
Erzherzogin Maria Carolina (das Oelbild von Folingsby in
München „Der Liebling") und der Frau Fürstin Schwarzenberg
(Sommerlandschaft von Remi van Haanen), dann auf die Loose
des Herzogs von Württemberg, der Fürsten Trautmannsdorf, Liechten-
stein und Dietrichstein. Mehrere Gewinnste erhielten die Kunst-
vereine Triest, Klagenfurt und Laibach, welche mit einer größeren
Anzahl von Actien am Oesterreichischen Kunstvereine betheiligt sind.
Baron Anselm Rolhschild gewann das große Gemälde „Die Zer-
störung des Tempels von Jerusalem" von A. Mayer und der
Direktor des Museums, Negierungsrath Eitelberger das Aquarell
von Goebel „Breite Föhre bei Mödling". Die bei Weitem größere
Anzahl von Gewinnstloosen befindet sich diesmal in den Händen der
hiesigen Vereinsmitglieder, während nur kleinere Treffer auf Antheil-
scheinbesitzer in Amsterdam, Breslau, Frankfurt, Hamburg, Leipzig,
München, Warschau und Wiesbaden entfielen. Die Dezember-Ex-
position wurde am 5. mit 180 neuen Ausstellungsnummern eröffnet.
Graz. Die hiesige steiermärkische Gemäldegallerie ist der Auf-
lösung nahe. Ihre guten Bilder gehören dem Belvedere in Wien
und werden jetzt zurückgefordert. Sind sie fort, so besitzt die Samm-
lung in Graz fast nur Bilder, die auf den Trödel gehören. Der
Vorstand hat bei dem Landtag Schritte gethan, um die drohende
Gefahr abzuwenden, doch hofft man auf keinen Erfolg.
Venedig. Das Skizzenbuch Raphaells, welches die hiesige
Kunstakademie besitzt, ist von Pevini für die Königin von England
photographirt worden, aber auch im Kunsthandel zu haben. Es
sind hundertvierzehn Blätter, die aus Raphael's Schuljahren unter
Perugino stammen und zum Theil Vorarbeiten für Gemälde sind.
Ein Blatt ist ein Studium nach der Natnr, das für eine Reiter-
gruppe auf dem Bilde der Anbetung der Könige in Perugia ge-
zeichnet und aufs Genaueste benutzt worden ist. Die Photographirung
des Skizzenbuchs für die Königin von England ist in Ausführung
eines Plans, Nachbildungen von sämmtlichen Hand-Zeichnungen
Raphael's zu bekommen, erfolgt, den Prinz Albert entworfen hatte
und den seine Wittwe mit Pietät zur Vollendung zu bringen sucht.
Rom. Die „Opinione" vom 21. November giebt Berichte
von mehrfachen Ausgrabungen Hieselbst. Zunächst wurde auf dem
Mons Coelius auf einem der Stadt gehörigen Stück Landes ein
Paviment von Marmorstücken gefunden, unter denen seltene Arten
Vorkommen sollen; ein Marmorstück soll auch einen Namen, wohl
den des Marmorarbeiters, schriftlich aufweisen. Ferner wurden in
der Straße Tre pile, da wo der Aufgang für Wagen zum Capitol
ist (man hat dort angefangen, die wenigen Häuser, die unterhalb
unserer Gesandtschaft, des Palazzo Caffarelli, liegen, niederzureißen,
um den Aufgang zu erleichtern und die Steilheit des Weges zu
vermindern), Reste der ältesten Befestigung gefunden, die bestimmt
war, diese nach dem Campus Martius gelegene Seite der Burg zu
vertheidigen; nicht weit davon fand man den Torso einer männlichen
Gestalt, die auf Apollo gedeutet wird, in natürlicher Größe, nackt,
deren Aufstellung im Capitolinischen Museum schon verfügt ist.
Weiterhin sind in dem zur Anlegung eines neuen Quartiers ver-
wandten prätorianischen Lager, neben der Porta Pia, eine Reihe von
Architekturstücken sowie eine kolossale Hand mit Keule, also wohl zu
einer Herakles-Statue gehörend, gefunden. Noch interessanter sind
Ausgrabungen auf dem Esquilin. Dort hat man, nicht weit von
dem heutigen Bahnhof, die Ueberreste eines antiken Privathauses
gefunden, die Mauern waren mit Freskomalereien, der Boden mit
Mosaik geschmückt. An eine Mauer gelehnt, die wohl zum Peristyl
des Hauses gehört, hat sich dort ein Springbrunnen erhalten, dessen
Marmorbecken mit einer wundervollen Patina bedeckt ist. Die für
Erhaltung der Denkmäler eingesetzte Kommission hat schon beschlossen,
dort weitere Ausgrabungen anzustellen, und hofft auf noch größere
Resultate.
Antwerpen. Im hiesigen Museum sind nunmehr die für
dasselbe ausgeführten Gemälde de Keyser's vollendet. Es sind
große Oelgemälde auf Leinwand und schmücken die Vorhalle der
Säle. Der Vorwurf eines jeden besteht in einem Ereigniß, das
in der Kunstgeschichte der Schule von Antwerpen eine Rolle spielt,
de Keyser hat an diesen Bildern zehn Jahre gearbeitet.
Petersburg. Die jährliche Kunstausstellung in den Räumen
der Akademie hier wird ausnahmsweise bereits am 22. Januar 1873
eröffnet werden. Es geschieht dies in Rücksicht auf die Weltaus-
stellung in Wien.
zu haben. Ein Gegenstück dazu bildete eine männliche Figur von
demselben Material und denselben Verhältnissen. Von dieser männ-
lichen Skulptur sind nur die Füße erhalten. Beide Skulpturreste
sind dem städtischen Museum zum Geschenk gemacht worden.
Mainz. Mit den Herstellungsarbeiten am Ostchor des hie-
sigen Doms ist Dombaumeister Wessicken so weit vorgeschritten, daß
in diesen Tagen mit der völligen Freilegung des Raums der im
15. Jahrhundert zerstörten und verschütteten Krypta, von der bis-
her nur einzelne Theile aufgedeckt waren, begonnen werden konnte.
Diese Arbeiten förderten manche archäologische Entdeckung von In-
teresse zu Tage. In architektonischer Hinsicht haben die Ausgrabungen
im Ostchor ergeben, daß das Mittelschiff der Krypta viereckig aus-
läuft, d. h. daß eine von besondern Säulen gestützte kleinere, der
Hauptapsis entsprechende Rundung an dieser Stelle nicht vorhanden
war. Anstatt einer Apsidenanlage schließt vielmehr ein weiteres
Joch das Mittelschiff ab, worauf die Reste eines in der Haupt-
apsis stehenden Altars folgen. Am Oberbau werden die Arbeiten
in nächster Zeit so weit sein, daß die Einwölbung des Triumph-
bogens vorgenommen und der gothische Raum und Durchsicht ver-
sperrende Pfeiler entfernt werden kann. Ueber die Ausführung des
Thurmoctogons über die Vierung wird mitgetheilt, daß der Dom-
baumeister ein neues Projekt ausgearbeitet hat, wonach der Thurm
unmittelbar in mächtiger vertikaler Aufbaulinie aus der Bedachung
emporschießen wird, und zwar bis zum Helm in drei Geschossen,
von denen die obern in Harmonie mit der östlichen Chorapsis eine
reiche Arkadenentwicklung mit belebender Säulenstellung erhalten.
München. Der General-Directions-Rath Architekt F. B ürk-
lein, der Erbauer des Maximilianeums, des Regierungsgebäudes
und der meisten Bauten der Maximiliansstraße hier, ist am 4. d. M.
in der Heilanstalt zu Werneck gestorben.
Wien. Die hiesige Genossenschaft der bildenden Künstler hielt
in diesen Tagen ihre Generalversammlung ab. In der Jahres-Aus-
stellung im Künstlerhaus beliefen sich die Ankäufe trotz der diesmal
fehlenden Erwerbungen aus der Staatsdotation auf 116,910 Fl.,
in der permanenten Ausstellung bis zum 4. Novbr. auf 34,551 Fl.,
mehr als das dreifache im Vorjahr. Dabei mehren sich auch stetig
die Bestellungen. Die Genossenschaft zählt zur Zeit 22 Ehren-
mitglieder, 301 ordentliche, 99 außerordentliche Mitglieder und
2 Teilnehmer.
— — Bei der am 30. November stattgefundenen Verloosung
der vom Oesterreichischen Kunstvereine pro 1872 angekauften Ge-
winnstbilder entfielen auf die Anrheilscheine Sr. Majestät des Kaisers
zwei Treffer, die Oelbilder „Mondnacht am Havelsee" von Spitta
in Berlin und „Motiv aus Stixenstein" von Holzer in Wien.
Weiter entfielen von den 172 Gewinnstnummern Treffer auf die
Anteilscheine der Frau Kronprinzessin Victoria in Berlin, der Frau
Erzherzogin Maria Carolina (das Oelbild von Folingsby in
München „Der Liebling") und der Frau Fürstin Schwarzenberg
(Sommerlandschaft von Remi van Haanen), dann auf die Loose
des Herzogs von Württemberg, der Fürsten Trautmannsdorf, Liechten-
stein und Dietrichstein. Mehrere Gewinnste erhielten die Kunst-
vereine Triest, Klagenfurt und Laibach, welche mit einer größeren
Anzahl von Actien am Oesterreichischen Kunstvereine betheiligt sind.
Baron Anselm Rolhschild gewann das große Gemälde „Die Zer-
störung des Tempels von Jerusalem" von A. Mayer und der
Direktor des Museums, Negierungsrath Eitelberger das Aquarell
von Goebel „Breite Föhre bei Mödling". Die bei Weitem größere
Anzahl von Gewinnstloosen befindet sich diesmal in den Händen der
hiesigen Vereinsmitglieder, während nur kleinere Treffer auf Antheil-
scheinbesitzer in Amsterdam, Breslau, Frankfurt, Hamburg, Leipzig,
München, Warschau und Wiesbaden entfielen. Die Dezember-Ex-
position wurde am 5. mit 180 neuen Ausstellungsnummern eröffnet.
Graz. Die hiesige steiermärkische Gemäldegallerie ist der Auf-
lösung nahe. Ihre guten Bilder gehören dem Belvedere in Wien
und werden jetzt zurückgefordert. Sind sie fort, so besitzt die Samm-
lung in Graz fast nur Bilder, die auf den Trödel gehören. Der
Vorstand hat bei dem Landtag Schritte gethan, um die drohende
Gefahr abzuwenden, doch hofft man auf keinen Erfolg.
Venedig. Das Skizzenbuch Raphaells, welches die hiesige
Kunstakademie besitzt, ist von Pevini für die Königin von England
photographirt worden, aber auch im Kunsthandel zu haben. Es
sind hundertvierzehn Blätter, die aus Raphael's Schuljahren unter
Perugino stammen und zum Theil Vorarbeiten für Gemälde sind.
Ein Blatt ist ein Studium nach der Natnr, das für eine Reiter-
gruppe auf dem Bilde der Anbetung der Könige in Perugia ge-
zeichnet und aufs Genaueste benutzt worden ist. Die Photographirung
des Skizzenbuchs für die Königin von England ist in Ausführung
eines Plans, Nachbildungen von sämmtlichen Hand-Zeichnungen
Raphael's zu bekommen, erfolgt, den Prinz Albert entworfen hatte
und den seine Wittwe mit Pietät zur Vollendung zu bringen sucht.
Rom. Die „Opinione" vom 21. November giebt Berichte
von mehrfachen Ausgrabungen Hieselbst. Zunächst wurde auf dem
Mons Coelius auf einem der Stadt gehörigen Stück Landes ein
Paviment von Marmorstücken gefunden, unter denen seltene Arten
Vorkommen sollen; ein Marmorstück soll auch einen Namen, wohl
den des Marmorarbeiters, schriftlich aufweisen. Ferner wurden in
der Straße Tre pile, da wo der Aufgang für Wagen zum Capitol
ist (man hat dort angefangen, die wenigen Häuser, die unterhalb
unserer Gesandtschaft, des Palazzo Caffarelli, liegen, niederzureißen,
um den Aufgang zu erleichtern und die Steilheit des Weges zu
vermindern), Reste der ältesten Befestigung gefunden, die bestimmt
war, diese nach dem Campus Martius gelegene Seite der Burg zu
vertheidigen; nicht weit davon fand man den Torso einer männlichen
Gestalt, die auf Apollo gedeutet wird, in natürlicher Größe, nackt,
deren Aufstellung im Capitolinischen Museum schon verfügt ist.
Weiterhin sind in dem zur Anlegung eines neuen Quartiers ver-
wandten prätorianischen Lager, neben der Porta Pia, eine Reihe von
Architekturstücken sowie eine kolossale Hand mit Keule, also wohl zu
einer Herakles-Statue gehörend, gefunden. Noch interessanter sind
Ausgrabungen auf dem Esquilin. Dort hat man, nicht weit von
dem heutigen Bahnhof, die Ueberreste eines antiken Privathauses
gefunden, die Mauern waren mit Freskomalereien, der Boden mit
Mosaik geschmückt. An eine Mauer gelehnt, die wohl zum Peristyl
des Hauses gehört, hat sich dort ein Springbrunnen erhalten, dessen
Marmorbecken mit einer wundervollen Patina bedeckt ist. Die für
Erhaltung der Denkmäler eingesetzte Kommission hat schon beschlossen,
dort weitere Ausgrabungen anzustellen, und hofft auf noch größere
Resultate.
Antwerpen. Im hiesigen Museum sind nunmehr die für
dasselbe ausgeführten Gemälde de Keyser's vollendet. Es sind
große Oelgemälde auf Leinwand und schmücken die Vorhalle der
Säle. Der Vorwurf eines jeden besteht in einem Ereigniß, das
in der Kunstgeschichte der Schule von Antwerpen eine Rolle spielt,
de Keyser hat an diesen Bildern zehn Jahre gearbeitet.
Petersburg. Die jährliche Kunstausstellung in den Räumen
der Akademie hier wird ausnahmsweise bereits am 22. Januar 1873
eröffnet werden. Es geschieht dies in Rücksicht auf die Weltaus-
stellung in Wien.