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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 5.1899

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Heft 1(Oktober)
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Ein deutscher Fürst als Förderer der modernen angewandten Kunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.6697#0069

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Ein deutscher Fürst als Förderer

Gesinnungs- und Denkungsweise hervorgeht,
so wird es darin bestärken. Es mag wohl
einer an einem lustigen Winterabend als
Türke zur Maskerade gehen, allein was
würden wir von einem Menschen halten, der
ein ganzes Jahr sich in einer solchen Maske
zeigen wollte ? Wir würden von ihm denken,
dass er entweder schon verrückt sei, oder
dass er doch die grösste Anlage habe, es
sehr bald zu werden«.

Wir müssen es gestehen: erst heute
beginnt diese Anschauung, welche Goethe
schon damals beim Abbruch der Tradition
und Eintreten der Romantik äusserte, sich
bei den Gebildeten zu verbreiten und bei
den Künstlern Nachachtung zu finden. Der
allertollste Karneval der Wohnungs-Maske-
rade liegt kaum hinter uns! Um so bedeut-
samer ist es, um so erfreulicher als Symptom
der Gesundung und des Fortschrittes in der
Nachfolge Goethe's, dass nun auch ein
deutscher Fürst theil nimmt an diesen Be-
strebungen, ein Künstler unter den Fürsten:
Grossherzog Ernst Ludwig von Hessen.

Bisher waren im Allgemeinen gerade die
Fürsten die eifrigsten Beschützer jener histo-
rischen Richtung der Kunst. Ja in den letzten
Dezennien des Jahrhunderts wurde der Begriff
»moderne Kunst« in nahe Verbindung ge-
bracht mit den Bestrebungen des » Umsturzes «,
und der Klassenkämpfe. Zu dieser Auffassung

der modernen angewandten Kunst. 47

mochte das plumpe Vordrängen der vom
aufgeklärten Berlin aus gepriesenen sozialen
Arme - Leute-Malerei und einer verwandten
»naturalistischen« Literatur Anlass gegeben
haben. Beide Strömungen versiechen wieder.
Ein positives, Formen-findendes Kunst-
Schaffen trat an die Stelle der barbarischen
Tendenz-Malerei mit Feder und Stift. Ein
aufrichtiges Kultur-Bedürfniss ist erwacht
und wendet sich dem nächstliegenden natur-
gemäss zuerst zu, dem was uns täglich um-
gibt: der Wohnung, dem Geräthe, dem Haus!
Gibt es erst einmal eine deutsche Kultur in
solchen Dingen, dann wird allmählich auch in
der Auffassung der anderen Künste ein
ästhetischeres Empfinden freudig erwachen!

Wir haben bereits im IX. Hefte des
verflossenen Jahrganges dargelegt, in welcher
Weise der kunstsinnige Grossherzog Ernst
Ludwig von Hessen durch die von ihm
berufene Künstler-Gruppe eine Wirksamkeit
im vorstehend angezeigten Sinne zu ent-
falten gedenkt. Wie gleichzeitig Kaiser
Wilhelm IL auf die modernen Regungen ein-
geht, die das deutsche Volk zu einer mäch-
tigen Entfaltung seiner Arbeitskraft, seiner
Industrie, seines Verkehrs und Erwerbes
ausbilden, wie Er sich zum Wortführer einer
weltumfassenden Entwickelung berufen fühlt
und so ein neues wirthschaftliches Kaiser-
thum errichten will, so weist auch Gross-

r. bosselt—darmstadt. Tauf-Medaille. I. Preis von 2000 Mk. Wettbew. des Kgl. preuss. Kultus-Ministeriums.
 
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