GABKIEL BURMESTER—RASÜNDA.
GEMÄLDE »IM FRÜHLING«
INTERNATIONALE KUNSTAUSSTELLUNG MÜNCHEN 1913.
II. SCHWEDEN, DÄNEMARK, FRANKREICH, BELGIEN, HOLLAND, SPANIEN.
Tm Glaspalaste stellt das Ausland immer ziem-
lich konservativ aus: die älteren Meister, die
bereits berühmten Namen, die retardierenden
Kräfte. Freilich hat die Jugend überall in die
Abgeschlossenheit der „Arrives" schonBresche
geschlagen und zeigt neben der Ruhe der Alten
ihren Überschwang, ihre Tollheiten, ihre um-
stürzlerischen Gedanken. Die Jury hat beim
Auslande mehrfach in der Weise gearbeitet,
daß sie von einem Lande je einen in der Quali-
tät besseren und einen geringeren Saal zusam-
menhängte, was nicht verfehlt, zu mancherlei
freudigen und unangenehmen Überraschungen
zu führen, je nach der Reihenfolge, in der man
die Räume durchschreitet. So hat beispiels-
weise Ungarn einen Saal voll Schildereien der
zurückgebliebensten Art und einen Saal mit
sehr anerkennenswerten Leistungen, der kaum
einen nationalen Zusammenhang mit dem bösen
Nachbar verrät. Überhaupt die nationalen Zu-
sammenhänge ! Ist es die nivellierende Tendenz
der Neuzeit, ist es die überragende Bedeutung
der großen Völkermalschule Paris: nähme man
die das Land nennenden Inschriften über den
Saaltüren fort, so könnte man in vielen Fällen
nicht mit Hilfe der Kunstpsychologie, sondern
lediglich mit Hilfe der Trachtenkunde Nam' und
Art der einzelnen Nationen erraten.
Die Ausnahmen sind um so interessanter;
es sind, zufällig oder nicht, meist solche Länder,
deren Malerei in der Hauptsache einem führen-
den nationalen Genius folgt, wie die Schweizer
ihrem Hodler, die Spanier ihren beiden Zubiaurre.
Österreich wieder verrät sich ohne weiteres,
auf ziemlich äußerliche Weise, durch die sehr
lichte, sehr rechteckige, sehr wiener-werk-
stättenhafte Dekoration seiner Räume. Nach
welchen Gesetzen sich im übrigen künstlerisch-
nationale Kraft und Unkraft auf die einzelnen
Länder verteilen, ist dunkel und bleibt in den
Tiefen völkerpsychologischer Zusammenhänge
verborgen. Die nationale Konsolidierung oder
die Machtfülle der betreffenden Staaten —
fraglos wichtige Faktoren, die ihre Wirksamkeit
sonst auf vielen Gebieten sehr fühlbar äußern —
scheinen hier keine entscheidende Rolle zu
spielen. Italien und Spanien, national gesam-
melte Gebilde, sind mit dem Fluche der Un-
1913/U. III. 1.
189
GEMÄLDE »IM FRÜHLING«
INTERNATIONALE KUNSTAUSSTELLUNG MÜNCHEN 1913.
II. SCHWEDEN, DÄNEMARK, FRANKREICH, BELGIEN, HOLLAND, SPANIEN.
Tm Glaspalaste stellt das Ausland immer ziem-
lich konservativ aus: die älteren Meister, die
bereits berühmten Namen, die retardierenden
Kräfte. Freilich hat die Jugend überall in die
Abgeschlossenheit der „Arrives" schonBresche
geschlagen und zeigt neben der Ruhe der Alten
ihren Überschwang, ihre Tollheiten, ihre um-
stürzlerischen Gedanken. Die Jury hat beim
Auslande mehrfach in der Weise gearbeitet,
daß sie von einem Lande je einen in der Quali-
tät besseren und einen geringeren Saal zusam-
menhängte, was nicht verfehlt, zu mancherlei
freudigen und unangenehmen Überraschungen
zu führen, je nach der Reihenfolge, in der man
die Räume durchschreitet. So hat beispiels-
weise Ungarn einen Saal voll Schildereien der
zurückgebliebensten Art und einen Saal mit
sehr anerkennenswerten Leistungen, der kaum
einen nationalen Zusammenhang mit dem bösen
Nachbar verrät. Überhaupt die nationalen Zu-
sammenhänge ! Ist es die nivellierende Tendenz
der Neuzeit, ist es die überragende Bedeutung
der großen Völkermalschule Paris: nähme man
die das Land nennenden Inschriften über den
Saaltüren fort, so könnte man in vielen Fällen
nicht mit Hilfe der Kunstpsychologie, sondern
lediglich mit Hilfe der Trachtenkunde Nam' und
Art der einzelnen Nationen erraten.
Die Ausnahmen sind um so interessanter;
es sind, zufällig oder nicht, meist solche Länder,
deren Malerei in der Hauptsache einem führen-
den nationalen Genius folgt, wie die Schweizer
ihrem Hodler, die Spanier ihren beiden Zubiaurre.
Österreich wieder verrät sich ohne weiteres,
auf ziemlich äußerliche Weise, durch die sehr
lichte, sehr rechteckige, sehr wiener-werk-
stättenhafte Dekoration seiner Räume. Nach
welchen Gesetzen sich im übrigen künstlerisch-
nationale Kraft und Unkraft auf die einzelnen
Länder verteilen, ist dunkel und bleibt in den
Tiefen völkerpsychologischer Zusammenhänge
verborgen. Die nationale Konsolidierung oder
die Machtfülle der betreffenden Staaten —
fraglos wichtige Faktoren, die ihre Wirksamkeit
sonst auf vielen Gebieten sehr fühlbar äußern —
scheinen hier keine entscheidende Rolle zu
spielen. Italien und Spanien, national gesam-
melte Gebilde, sind mit dem Fluche der Un-
1913/U. III. 1.
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