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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 36.1915

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Corwegh, Robert: Professor Albin Egger-Lienz
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https://doi.org/10.11588/diglit.8676#0056

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Das Schöne will gar nichts als erfreuen, edel
erfreuen, so daß die Freude eine Erhebung
ist. Die Kunst veredelt ungesucht. Es ist uns
nie wohl im Gemeinen; und so ist freilich die
Kunst auch völkererziehend. Ihre Welt ist
angstlos. Auf dem Leben liegt so ein eigentüm-
licher Druck. Der muß noch nicht lange gelebt
haben, der nicht verspürt hat, wie ein Gespen-
sterhauch über dem Leben webt. „Es geht ein
finsterer Geist durch dieses Haus", können wir
auch im Leben oft sagen. Das vergessen wir in
der Kunst, weil sie uns in einem reinen Schein,
der aber nicht inhaltlos ist, sondern Wahrheit
ausstrahlt, das Gefühl und die Vorstellung einer
vollkommenen, einer harmonischen Welt gibt.
Im wirklichen Leben gehen wir keinen Schritt,
von dem wir gewiß wissen, daß nicht im nächsten
Augenblick ein Konflikt kommt, aus dem wir

nicht rein hervorgehen. Das dürfen wir in der
Kunst vergessen. Die reine Kunstgestalt ist in
dieser Welt, aber nicht von dieser Welt; sie
steht in ihr wie ein seliger Geist. So wirkt
aber nur wahre, hohe Kunst. Sie verklärt, was

sie in die Hand nimmt....... goethe.

Ä

Realistisch verfahren heißt kühn, voll und
stark hineingreifen in die Bestimmtheiten,
welche jedes individuelle Gebilde hat, auch die
Sitten und Kostüme der Menschen schildern,
so wie sie nun einmal sind, und dabei ohne
Scheu, Mißformen, Dissonanzen aufnehmen,
dennoch aber dafür sorgen, daß ein harmo-
nischer Gesamtausdruck entsteht. Der Realist
gibt also Schönes auf einem Umweg, aber er
gibt es, und Shakespeare ist so gut ideal wie
Saphokles, nur eben indirekt ideal. . . goethe.

PROFESSOR A. EGGER-LIENZ - ST. JUSTINA BEI BOZEN. GEMÄLDE »BEIM SENSENDENGELN«

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