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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 36.1915

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Michel, Wilhelm: Die Kunst und der Tod
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https://doi.org/10.11588/diglit.8676#0290

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Die Kunst und der Tod.

entw: e. haiger—münchen.

Es ergibt sich also: Die
Kunst ist in ihrem Grund-
wesen dem Menschen in
liebevoller Weise ange-
messen. Der mythologi-
sche Urfeind der Mensch-
heit ist das Gestaltlose.
Das Bild aber ist dem
Menschen stets verwandt
und freundlich gesinnt.
Weil sie Bild auf Bild
liefert und das Gestalt-
lose triebhaft befehdet,
deshalb ist die Kunst
ihrem Grundwesen nach
optimistisch zu nennen.
— Auch von hier aus steht
sie, diesmal ganz eigent-
lich und wirklich, im Ge-
gensatze zum Tod. Denn
Leben ist, gleich der
Kunst, durchaus Rausch
und phantasievolle Bild-
erfolge. Tod aber ist
letzte, schreckliche Nüch-
ternheit, aus der kein Ge-
bilde kommt, wilh. michel.

entw. L. m1nnek-w1h.sbaüen. »kriegekgrabmal«

» krieger-grabmaler «

Die Kunst veredelt unge-
sucht. Ihre Welt ist
angstlos. Auf dem Leben liegt
so ein eigentümlicher Druck.
Der muß noch nicht lange
gelebt haben, der nicht ver-
spürt hat, wie ein Gespen-
sterhauch über dem Leben
webt. »Es geht ein finsterer
Geist durch dieses Haus«,
können wir auch im Leben
oft sagen. Das vergessen wir
in der Kunst, weil sie uns in
einem reinen Schein, der
aber nicht inhaltslos ist, son-
dern Wahrheit ausstrahlt, das
Gefühl und die Vorstellung
einer vollkommenen harmo-
nischen Welt gibt. Im wirk-
lichen Leben gehen wir keinen
Schritt, von dem wir gewiß
wissen, daß nicht im näch-
sten Augenblick ein Konflikt
kommt, aus dem wir nicht
rein hervorgehen. Das dürfen
wir in der Kunst vergessen.
Die reine Kunstgestalt ist in
dieser Welt, aber nicht von
dieser Welt; sie steht in ihr wie
ein seliger Geist. - Goethe.
 
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