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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 38.1916

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Haendcke, Berthold: Ist eine Steigerung unserer Ausfuhr von Kunstwerken möglich?, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.8538#0210

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Ist eine Steigerung unserer Ausfuhr von Kunstwerken möglich?

Schule einen so starken Einfluß ausüben? Ich
habe bereits bemerkt, daß der Rhein, in dessen
unmittelbarer Nähe die alten Kaiserstädte
Aachen und Frankfurt liegen, den sichtbaren
Mittelpunkt aller Deutschheit abgab. Hier
strömten die Reisenden aus aller Welt, auch
aus Nordamerika, zusammen; hier war für die
Welt Deutschland, jenes Deutschland, welches
das Ausland heute so gern als das der Dichter
und Denker bezeichnet, von dem die anderen
Länder in ihren Geldinteressen in keiner Weise
geschädigt wurden. Gewiß tobte gerade da-
mals in unserm Vaterlande ein schwerer inner-
politischer Kampf, aber er griff, jedenfalls bis
1850, noch nicht maßgebend tief in das Gemüts-
leben des Gesamtvolkes ein. Insbesondere lief
das alltägliche Dasein im allgemeinen noch in
seinen alten Formen weiter. Die Maschine war
in ihrer das ganze Leben des Volkes umwäl-
zenden Kraft noch wenig spürbar. Deutschland
zählte 1844 erst 2 Eisenhütten, 1856 nur 197
Dampfmaschinen, Krupp hatte 1848 aus Mangel
an Beschäftigung sein Silberzeug verkaufen
müssen, um seine Arbeiter bezahlen zu kön-
nen! Nur besonders tiefblickende Männer, wie
der Schwede Burat, konnten eine Wandlung
feststellen. Burat sagte 1844: „Der Stoß ist
gegeben. Es ist nicht mehr das träumerische,
tiefsinnige Deutschland, das sich in die Wolken
der Metaphysik verlor und über ein Buch ein-
schlief; es weiß jetzt wohl, was sich ereignet.
Es ist ans Werk gegangen." Und es ging voran,

mit Eilschritten. Im Jahre 1834 betrugen Ein-
fuhr und Ausfuhr im Deutschen Zollverein rd.
750MillionenMark, 1844 1155 Millionen Mark;
1872 rd. 6000 Millionen Mark und 1914 über
11 Milliarden Mark. Die Bevölkerung seit 1816
24,8 Millionen bis 1915 auf rd. 70 Millionen
angewachsen, hatte mit der fortschreitenden
Industrialisierung die tiefgreifendste Umgestal-
tung in ihrer Gruppierung erfahren. Junge indu-
strieerfüllte Städte drängten alte, jetzt weniger
günstig gelegene Orte in den Hintergrund und
aus den bäuerlichen Schichten ging ein immer
steigender Bruchteil der Bevölkerung in die
Industrie über. Unterstützt wurde diese unge-
heure Beunruhigung der Volksmassen durch
eine bis dahin ungeahnte Freizügigkeit mittels
der Eisenbahnen. Im Durchschnitt legt heute
jeder Deutsche jährlich 600 km Eisenbahnfahrt
zurück und gibt 21/2 mal soviel an Fahrgeld
aus, wie 1890 — damit vergleiche man einmal
die Post um 1850! — Mit all dem wurde die
Art und Weise, sich den Anforderungen des
Lebens gegenüberzustellen, naturgemäß eine
sehr wesentlich andersartige als bisher. Die
Anteilnahme, welche der Deutsche heute am
täglichen Leben in seiner ganzen Breite nimmt,
beweisen vielleicht am schärfsten die Zahlen
für die Zeitungen. Die Post allein befördert im
Jahre innerhalb Deutschlands rd. 2225 Millio-
nen Zeitungsnummern — im Jahre 1850 er-
schienen 1500 politische Blätter, aber nicht
einmal täglich! (Schluß folgt.) berth. haendtke.

RENKE SINTENIS-BERLIN. KLEINPLASTIK »KNIENDES REH« BRONZE.
 
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