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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 38.1916

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Hildebrandt, Hans: Die zweite Sommer-Ausstellung der Münchener "Neuen Secession"
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https://doi.org/10.11588/diglit.8538#0310

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Die zweite Sommer-Ausstellung der Münchener -»Neuen Secession«

JUL. W. SCHÜLEIN-MÜNCHEN. . GEMÄLDE »AUS SCHWABING»

der Wirklichkeit gegenüber sich behauptende
Organismen und zugleich reiner Ausdruck der
sie gestaltenden Persönlichkeiten sind. Alle
diese Künstler suchen mithin das Kunstwerk
von innen nach außen zu bilden, und die Zu-
fälligkeit des Natureindrucks erscheint ausge-
schaltet. Soweit herrscht Gemeinsamkeit. Die
reichste Mannigfaltigkeit aber zeigt sich in der
verschiedenen Art, wie die Gestaltung des
Kunstwerks erstrebt wird, insbesondere in der
Auffassung über Wert oder Nebensächlichkeit,
die Aufbauelemente des Gemäldes oder des
Bildwerks den Erscheinungen der sichtbaren
Wirklichkeit anzunähern. Darum beweist ge-
rade diese Ausstellung aufs Neue, daß ebenso-
gut ein reines Kunstwerk entstehen kann, wenn
sich der Künstler einer anderen Formensprache
als jener bedient, mit der die Natur zum Auge
redet, wie wenn er die Formen der Wirklichkeit
den Absichten des Werks einzupassen versteht.

Zu jenen Künstlern, die den Streit zwischen
Kunst und Natur zu versöhnen wissen, zählt
als völlig Ausgereifter GustavJagerspacher.

Er beherrscht alle Ausdruckmittel seiner Kunst,
aber er übt diese Herrschaft ohne gewalttätige
Aufdringlichkeit aus. Der Reichtum der Farben,
der Reichtum der Linienführung wie des Massen-
aufbaus, der Reichtum der Lichtverteilung ord-
nen sich einer großzügig selbstverständlichen
Einfachheit unter und erscheinen zugleich
als der natürlichste Ausdruck tiefinnerlichen
Fühlens. Hoheitvoller und erschütternder ist
kein Christus von der Kunst unserer Tage dar-
gestellt worden, und von welch leidenschaftlich
vergeistigter Hingabe an die Musik ist der
„Geiger". Dieses Bild ist zugleich ein Meister-
stück der Beschränkung auf das Nurwesentliche.
Die beiden Gemälde nackter ruhender Frauen
aber brauchen sich vor den Venusbildern einer
großen Vergangenheit nicht zu schämen. Daß
des Künstlers reines Malertum auch auf seine
Umgebung übergeht, beweist die kleine reiz-
volle Interieurskizze, die von seiner Frau,
Helene Jagerspacher-HaeHinger, stammt.
Ein durchaus dramatisches Temperament ist
Otto Kopp, ein Schüler Weisgerbers, der sich
 
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