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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 46.1920

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Zuckerkandl, Berta: Professor Anton Hanak - Wien
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https://doi.org/10.11588/diglit.7200#0057

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Professor Anton Hanak- Wien.

sein. Die Gottheit, die mit uns die Wandlung
antritt, mit uns zur wiedereroberten großen
klassischen Form, zur „Klarheit" zu gelangen.
Die Vorderansicht dieser halb knieenden, halb
sitzenden Gestalt stellt den letzten Augenblick
dar des gleichsam von höherer Macht befohle-
nen Sich-Erhebens. Der Übergang einer Be-
wegung in die andere scheint in diesem Werke
meisterlich gelöst zu sein.

„Die irdischen Grenzen" aber lassen stür-
mende Sehnsucht neuer Weltaufbauer verbran-
den. Über uns selbst können wir nicht hinaus

— kündet die angestrengt sich überhebende
Gestalt, deren über das Haupt verschlungenen
Arme den Gedanken vom letzten Höhenflug
gebieterisch abschließen.

An dem Marmorblock aber das Gesetz der
Schwere aufzuheben, diese Kühnheit hat Hanak
bei der „Schwebenden" vollbracht, durch die
genial abgewogene Stellung der Hauptformen
zueinander. Die Gerade der Unterschenkel; das
Hineinziehen des Leibes; das meteorgleiche
Herausschnellen des Oberkörpers — gibt dem
Gefühl der Flugkraft überzeugende Sicherheit.
Zärtlich auf einer Wolke gelagert zieht sie dahin,
die von uns in den Jahren desLeids nicht gelebte
Schönheit. Die unwiderbringlich Versäumte. . .

— Großen Bildhauern ist oft auch die Gnade

des Wortes gegeben. Michelangelos Sonette,
Rodins Gedanken-Gemmen sind dichterische
und philosophische Bekenntnisse von höchstem
Wert. Daran wird man Anton Hanaks Tage-
bücher einst reihen. Hymnen sind sie an das
Leben. Sind Heiligung der Arbeit, durch die
Reinheit des Gebetes eines Frommen, dessen
Gott nicht in Kirchen wohnt. Wie in Hebbels
Tagebüchern kaum das Skelett seines mate-
riellen Lebenslaufes zu finden ist, weil er nur
die Geschichte seines Geistes niederschrieb,
so bestehen auch Hanaks Aufzeichnungen in
Aneinanderreihungen von Lyrik, von ethisch-
philosophischen Betrachtungen. Aufbau einer
Seele, die Jahr um Jahr ihr Wachstum himmelan
bezeugt. „ „Der Fanatiker" und der vorerst im
zeichnerischen Entwurf vorhandene „ Brennende
Mensch" (letztes Werk des Zyklus) sind für
diesen ekstasischen Menschen und hingebenden
Künstler ergänzendes Bekenntnis zu dessen
Tagebüchern. Wenn über Hanak der Fanatis-
mus seiner Arbeit stürzt, wenn ihn die Qual der
Angst — sein sich gestelltes Werk nicht vollen-
den zu können — befällt, dann beseelt und
bildet er immer wieder an den vom Trans des
Schöpfertums geschüttelten und verflammenden
Menschen: nach seines Gottwissens Bekenntnis.
„Wir verfaulen nicht — wir verbrennen!" b. z.

XXIII. AprII-Mal 1920. 5*
 
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