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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 46.1920

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Thetter, Rudolf: Ausstellung Richard Teschner Wien 1920
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https://doi.org/10.11588/diglit.7200#0132

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Ausstellung Richard Teschner Wien.

RICHARD TESCHNER WIEN.

jTESCHNER-AUSSTELLUNG 1920«

Plastik schafft oder ein Bild malt. Die Geste
vereinigt, umschließt alle Ausdrucksmittel der
bildenden Kunst in sich, prägt sie aber nicht
dauernd in eine tote Materie ein, sondern wan-
delt das Werk der bildenden Kunst aus einem
Nebeneinander, das bestehen bleibt in ein Nach-
einander, das vergeht. Sie ergibt ein Kunst-
werk, das im Entstehen vergeht, in die Zeit
hineinfließt und stirbt. Es umgeht die Materie,
huscht nur über die bewegten Konturen der
Puppe hinweg direkt in die Seele des Beschauers.
Die Puppe leiht nur ihre Arme, ihren Körper
mit dem Teschner die Geste ausführt, das reinste
aller möglichen Ausdruckselemente der bilden-
den Kunst, die bewegte, die lebendige Form,
die wandelnde, fließende, in Rhythmen in die
Zeit hinausprojizierte Form, die reine abge-
zogene Geste. Als Formelement kommt sie an
sich zur realen Wirkung, wie im Expressionis-
mus Farbe, Form, Ton und Linie.

Dieses Kunstwerk ermöglicht dem Beschauer
am lebendigen Werden des Kunstwerkes, am
Schöpfungsakt selbst unmittelbar teilzunehmen.
Er kann wohl zum erstenmal an der Schöpfer-
freude des Künstlers teilnehmen. Denn dieses
Kunstwerk ist das Schaffen an sich. Bildlich
gesprochen, er kann am Sechstagewerk Gottes
zuschauend teilnehmen, mühelos Mitschöpfer

werden, er, der den Geschaffenheiten gegen-
über immer zum Nachschaffen verurteilt ist,
die Gedanken, die Absichten Gottes am Ge-
schaffenen immer nur nachdenken kann, wird
zum Mitdenker, zum Vordenker gemacht. Epi-
metheus darf einmal Prometheus werden, der
Nichtkünstler einmal Künstler.

Dies ist genau besehen der Inhalt des Erleb-
nisses, das in den aufgewühlten Seelentiefen
des Beschauers der Teschnerbühne vor sich
gehen mag. Die Geste ist Teschners Expres-
sion, sie ist sein ureigenstes Ausdruckselement.
In die Erscheinung gebracht werden konnte es
nur von einer Künstlerindividualität, die aus
österreichischem Blutzusammenhange ihre Per-
sönlichkeit gestaltet, ausgeführt nur von einem
Künstler, der sich wie Teschner durch alle Ge-
staltungselemente durchgerungen hat und sie
alle beherrscht. Denn die Ausführung der Geste
am „Figurentheater" setzt die ganze Reihe der
Künstlerschaften voraus und umschließt sie:
Malerei, Bildhauerei, Musik, Dichtkunst und
Schauspielkunst. Sie werden alle zur Einheit,
die Eine-Kunst. Die große Absicht des Jesuiten-
stiles wird hier in einer nie geahnten Weise

Wirklichkeit.......... ing. Rudolf thetter.

ä

Die erste Eigenschaft des Genius ist Originalität.
 
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