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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 65.1929-1930

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Pfister, Kurt: Dem Andenken Anselm Feuerbachs
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https://doi.org/10.11588/diglit.9252#0044

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PAUL STRECKER—PARIS

»DIE GOTTER DURSTEN« 1927

DEM ANDENKEN ANSELM FEUERBACHS

Die Reihe der Selbstbildnisse Feuer-
bachs verdeutlicht vielfachen Wandel des
äußeren Geschickes und der seelischen Struk-
tur. Der sechzehnjährige Schüler der Düssel-
dorfer Akademie erscheint als träumerisch
schwärmender Jüngling, feine Züge, ein wissen-
der Blick, in dem sich das gedankliche Ver-
mächtnis vieler Generationen spiegelt. Das
Bildnis der Pariser Jahre : grüblerische melan-
cholische Züge, vom Dämon der inneren Unruhe,
sich selbst zerquälender Zweifel gezeichnet.
Die Porträts aus Italien ergreifend in der merk-
würdigen Mischung von bewußtem, faßt posier-
tem Selbstgefühl und den schamhaft verschlosse-
nen Zügen des Leidens und der Entsagung.

Nicht anders ist das Bild der mensch-
lichen Gestalt Feuerbachs, das aus seinen
Briefen und Aufzeichnungen, aus den Berichten
der ihm Nahestehenden in klaren Umrissen er-
steht. Ein Mensch, der aus der kultivierten
Bildungsatmosphäre eines durch Generationen
der humanistischen Geistigkeit verbundenen
Elternhauses kommt und vom Vater die krank-
haft übersteigerte Sensibilität eines höchst reiz-
baren Gefühlslebens, jene „ans Mimosenhafte
streifende feinfühlige Reizbarkeit, Stimm- und

Verstimmbarkeit des ganzen seelischen Appa-
rates" geerbt hat. Von hier begreift sich der
tragische Ablauf dieses Lebens, seine erschüt-
ternde Einsamkeit, sein unablässiges Schwanken
zwischen weltstürmendem Optimismus und
tiefsten Depressionen, sein unablässiger Kampf
gegen die Umwelt. Es rührt an die tiefste Pro-
blematik Feuerbachs, daß seine menschliche
Existenz eine zerrissene und eruptive Land-
schaft enthüllt, indessen sein Werk zu Heiter-
keit und ausgeglichener Harmonie strebt.

Daß seinSchaffen einsam undinseinem Wesen
unerkannt bleiben mußte, kann, wenn man seine
Voraussetzungen, seine Ideen und Verwirk-
lichungen in der Atmosphäre der Zeit des herr-
schenden Realismus, in der es entstand, be-
trachtet, freilich nicht befremden.

Die Kurven der künstlerischen Entwick-
lung Feuerbachs wechseln nicht so unvermittelt,
wie es bei flüchtiger Betrachtung scheinen
könnte. Gemeinsame vermittelnde Elemente
binden die beiden Schaffensepochen, die nor-
dische und die italienische, die zunächst wie
große Antithesen einander gegenüberstehen,
und schließlich auch in ihrer Gegensätzlichkeit
bestehen. Die harmonische Rhythmik der Um-
 
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