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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 65.1929-1930

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Esswein, Hermann: Arbeiten von Professor Josef Hillerbrand
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https://doi.org/10.11588/diglit.9252#0074

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Arbeiten von Professor Josef Hillerbrand

achten, sie hinter anderen erregenderen Inter-
essen, Reisen, Sport, Automobilismus, ver-
kümmern zu lassen, ohne sich wie der Mensch
aus dem wirtschaftlich beengten und bedrängten
Durchschnitt auf eine vom Ökonomischen be-
dingte Zwangslage berufen zu können. Nur aus
diesem ganz und gar nicht gesetzlich bedingten
Bereich der Zeitlage, nur aus diesem unnot-
wendigen Übel der freiwillig leichtsinnigen Ver-
zichtstimmung derer, denen ein persönlicher
Komfort- und Kunstaufwand, ja ein kultivierter
Luxus heute mehr als je Pflicht sein müßte,
erwachsen die Schwierigkeiten der mitten in
schönster Entwicklung gehemmten Künste, aber
eben hier erwächst den Einsichtsvollen und
Überlegenen heute auch die Aufgabe des Sam-
meins und Förderns, des Hegens und Pflegens
der wenigen selbständigen gestalterischen
Kräfte, die uns noch oberhalb des Marktge-
wimmels der nur eklektisch nachahmenden
und variierenden Begabungen geblieben sind.

Man muß sagen: es ist ein Trost und ein Ge-
winn, daß Arbeiten wie die hier abgebildeten
des Josef Hillerbrand nicht als bloße Ent-
würfe in der Luft hängen, sondern als Zeugnisse
einer noch produktiven und wagemutigen Ge-
sinnung der Unternehmungen und Firmen ge-

zeigt werden können, die sie ausführen ließen,
weil doch noch immer lebendige Bedürfnisse
dies gestatteten. Gut, daß es noch ein Hotel-
unternehmen gibt, das sich für seine Schwimm-
halle nicht mit dem Marmor begnügt, sondern
die bildhafte Marmorintarsia will. Gut, daß
Textilwerkstätten noch Bedarf haben, noch
Nachfrage wissen nach diesen schönen Stoffen,
welche die reiche, aber unverworrene, durch
Maß- und Taktgefühl gebändigte Phantasie ihrer
Ornamentik nicht vor der schmuckfeindlichen
Zeit verstecken. Recht so, daß man noch etwas
wagt, daß der unauslöschbaren Lust am Aben-
teuer der Form und der Farbe noch Chancen
geboten werden. Die Erfindungen Prof. Hiller-
brands sind ja kein romantisch rekapitulierendes
Spielen mit dem Verjährten und keine Über-
spannung des Gestaltungstriebs ins absurd Sub-
jektive; keine Vergewaltigung der Natur durch
das frei umgesetzte, aber irgendwie noch ent-
fernt an das Wirklichkeitsvorbild anklingende
Schmuckmotiv, aber auch keine überängstliche
Flucht vor dem wirklichkeithaft Sensuellen,
Organischen in unkontrollierbar abstrakte For-
menmetaphysik. Zwischen Welt und Mensch,
Natur und Kunst, Freiheit und Bindung steht
das Zünglein der Wage genau ein, aber die
 
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