LÜC1EN MAILLOL
»ZWEI TANZERINNEN«
LUCIEN MAILLOL-PARIS
VON ALBERT DREYFUS
Lucien Maillol begann als Flieger, als Sports-
4 mann. Er wurde Maler, erst als er gewiß war,
nicht im Schatten seines Vaters Aristide vege-
tieren zu müssen, Eigenes zu sagen zu haben.
Aus jener Frühzeit blieb ihm die Vorliebe
für den schnellen Ablauf eines Geschehnisses.
In den letzten Jahrhunderten wurden von
der Technik immer größere Geschwindigkeiten
erzielt. Was man im Vorübereilen sieht, be-
eindruckt anders, als was man gemächlich an-
schaut. Entsprechend hat sich das Auge des
Künstlers gewandelt. Ein ausschreitendes Pferd
auf dem Genter Altar hat einen anderen Gang
als eines auf dem „Einzug der Kreuzfahrer in
Konstantinopel" von Delacroix. Erst im Zeit-
alter der Eisenbahn konnte Degas seine Balle-
rinen mit solcher Schärfe erfassen und auf-
zeichnen: heute erscheinen sie uns wachspup-
penhaft. Die Kunst eines Matisse erscheint uns
repräsentativ, weil die Rapidität im Auffangen
und in der Niederschrift einer Gebärde, mag
sie Ruhe oder Bewegung sein, im Einklang
mit dem Schnelligkeitsgefühl unserer Zeit ist.
— Kann ein Maler, der vom Flugsport her-
kommt, noch weitere Entwicklungsmöglich-
keiten in die Kunst tragen?
Einstweilen steht Maillol mit seiner Leistung
am Anfang. Noch beschreibt er mehr, als daß
er den Gehalt seiner Schnelligkeitsthemen in
äußersten Färb- und Linienergebnissen formu-
liert. Aber eines ist bereits sein sicherer Be-
sitz: ihm gliedert sich alles in Ruhe.
Er hätte vom Kubismus, von dem er aus-
ging, profitieren können: Zucht, Durchdenken
des Bildes. Seine südländische Genießerver-
anlagung ließ ihn bald an die leichtere dekora-
tive Linie, die Farbflächigkeit Gauguins an-
knüpfen. Ähnlich ist er in diesem Umgehen
des Kubismus seinem Altersgenossen Togores.
Maillols Rugbyserie: aus dem Durcheinander
der Mannschaften, dem Presto ihrer Griffe sind
packende rhythmische Bilder gestaltet, saftig
gemalt auf Grund zweier oder dreier Farb-
dominanten, mit etwas flugflitzendem Hinsetzen
XXXIII. Dezembur 192H. 1
»ZWEI TANZERINNEN«
LUCIEN MAILLOL-PARIS
VON ALBERT DREYFUS
Lucien Maillol begann als Flieger, als Sports-
4 mann. Er wurde Maler, erst als er gewiß war,
nicht im Schatten seines Vaters Aristide vege-
tieren zu müssen, Eigenes zu sagen zu haben.
Aus jener Frühzeit blieb ihm die Vorliebe
für den schnellen Ablauf eines Geschehnisses.
In den letzten Jahrhunderten wurden von
der Technik immer größere Geschwindigkeiten
erzielt. Was man im Vorübereilen sieht, be-
eindruckt anders, als was man gemächlich an-
schaut. Entsprechend hat sich das Auge des
Künstlers gewandelt. Ein ausschreitendes Pferd
auf dem Genter Altar hat einen anderen Gang
als eines auf dem „Einzug der Kreuzfahrer in
Konstantinopel" von Delacroix. Erst im Zeit-
alter der Eisenbahn konnte Degas seine Balle-
rinen mit solcher Schärfe erfassen und auf-
zeichnen: heute erscheinen sie uns wachspup-
penhaft. Die Kunst eines Matisse erscheint uns
repräsentativ, weil die Rapidität im Auffangen
und in der Niederschrift einer Gebärde, mag
sie Ruhe oder Bewegung sein, im Einklang
mit dem Schnelligkeitsgefühl unserer Zeit ist.
— Kann ein Maler, der vom Flugsport her-
kommt, noch weitere Entwicklungsmöglich-
keiten in die Kunst tragen?
Einstweilen steht Maillol mit seiner Leistung
am Anfang. Noch beschreibt er mehr, als daß
er den Gehalt seiner Schnelligkeitsthemen in
äußersten Färb- und Linienergebnissen formu-
liert. Aber eines ist bereits sein sicherer Be-
sitz: ihm gliedert sich alles in Ruhe.
Er hätte vom Kubismus, von dem er aus-
ging, profitieren können: Zucht, Durchdenken
des Bildes. Seine südländische Genießerver-
anlagung ließ ihn bald an die leichtere dekora-
tive Linie, die Farbflächigkeit Gauguins an-
knüpfen. Ähnlich ist er in diesem Umgehen
des Kubismus seinem Altersgenossen Togores.
Maillols Rugbyserie: aus dem Durcheinander
der Mannschaften, dem Presto ihrer Griffe sind
packende rhythmische Bilder gestaltet, saftig
gemalt auf Grund zweier oder dreier Farb-
dominanten, mit etwas flugflitzendem Hinsetzen
XXXIII. Dezembur 192H. 1