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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 65.1929-1930

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Pfister, Kurt: Bildnisse von S. Carvallo-Schülein
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https://doi.org/10.11588/diglit.9252#0175

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BILDNISSE VON S. CARVALLO-SCHÜLEIN

VON DR. KURT PFISTER

Eine Ausstellung von Bildnisarbeiten zeitge-
nössischer Künstler, von einer Berliner
Kunsthandlung vor einiger Zeit veranstaltet,
zeitigte gleich problematische Ergebnisse wie
der Wettbewerb, den ein sächsischer Indu-
strieller unlängst ausschrieb, um die Maler zur
Gestaltung eines für diese Zeit typischen Frauen-
porträts anzuregen. Man kann die Verantwor-
tung dem Publikum, dem Käufer und Besteller,
zur Last legen, wie es schon Goethe in den
„Wahlverwandtschaften" tat: „Man ist niemals
mit einem Porträt zufrieden von Personen, die
man kennt. Deswegen habe ich die Porträt-
maler immer bedauert. Man verlangt so selten
von den Leuten das Unmögliche und gerade
von diesen fordert man's. Sie sollen einem
jeden sein Verhältnis zu den Personen, seine
Neigung und Abneigung mit in ihr Bild aufneh-
men; sie sollen nicht bloß darstellen, wie sie

einen Menschen fassen, sondern wie jeder ihn
fassen würde. Es nimmt mich nicht wunder,
wenn solche Künstler nach und nach verstockt,
gleichgültig und eigensinnig werden."

In der Tat bedeutet der oft genug auf photo-
graphische Treue oder gar idealisierende „Ver-
schönerung" gerichtete Anspruch des Auftrag-
gebers eine meist untragbare Belastung der
künstlerischen Substanz. Andererseits muß
freilich auch zugegeben werden, daß die Ge-
staltung des Menschen, zumal wenn es sich um
einen bestimmten Auftrag handelt, der künst-
lerischen Interpretation engere Schranken setzt
als etwa das Bild der landschaftlichen Natur, daß
gerade das Porträt den klaren, harmonischen
Ausgleich von Realität und malerischer Vision
fordert. Es ist ohne weiteres ersichtlich, daß
die verschiedensten Kunstströmungen der letz-
ten anderthalb Jahrzehnte: Expressionismus,

XXXIII. DezomW 1029. 2*
 
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