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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 65.1929-1930

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Osborn, Max: Elisabeth Wolff - Berlin
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ELISABETH WOLFF

»VERZWEIFLUNG«

ELISABETH WOLFF- BERLIN

VON DR. MAX OSBORN

Die nachrückende Bildhauergeneration von
heute folgt den Kollegen von der Malerei
in der Entschlossenheit, von ihren Vordermän-
nern alle reichen Möglichkeiten des Ausdrucks,
die sie entwickelt haben, doch keine Formel zu
übernehmen. Mit solcher Freiheit des Pro-
gramms ist auch die junge Berlinerin Elisabeth
Wolff ausgezogen, die auf mehrfachen deutschen
Ausstellungen der letzten Jahre vorrückte und
im vergangenen Winter in London einen großen
Erfolg davontrug, der Aufsehen erregte. Sie
war Schülerin von Otto Hitzberger in Berlin; die
außerordentliche Holzbildnerei dieses süddeut-
schen Meisters war das Erste, was Eindruck
auf sie machte. Mit dem soliden plastischen
Handwerk dankt sie dieser gründlichen Schu-
lung die besondere Fertigkeit, die bei Frauen
sonst nicht alltäglich ist: das Schnitzmesser zu
gebrauchen und einen Holzblock zu intensivem
Leben zu beschwören. Die Sprödigkeit und
Härte des schönen gewachsenen Materials führt
von Natur dazu, mit breiten Flächen und stark

XXXIII. Dezember 1929. 3*

betonenden Umrissen zu arbeiten. Elisabeth
Wolff lernte von Hitzberger die wunderbaren
Möglichkeiten, die hier ruhen, doch in ihrer
Ausnutzung kam sie früh zu einem ausgepräg-
ten eignen Stil. Es entstanden kleine Figuren
einfacher Menschen, mitunter auch eine Gruppe
solcher Gestalten, aus der Alltäglichkeit der Er-
scheinung unmittelbar in eine kräftig zusammen-
fassende, deutende Gebärde emporgehoben.
Die „Zeitungsverkäuferin", die zuerst Aufmerk-
samkeit weckte (in Stukko modelliert, doch in
Holzcharakter erfunden), gab gleich ein inter-
essantes Beispiel dieser Art. Lebhaft bewegte
Haltung, doch in ein festes Liniengerüst ge-
schnallt, das der Komposition strenge, fast recht-
winklige Geschlossenheit gibt. Ein proletari-
sches Menschenkind ist hingesetzt, individuell
gesehen, doch die summierende Behandlung
des Körpers unter derbem Gewand, das be-
wußt-behutsam vergrößerte Oval des Antlitzes
mit der schlichten Symmetrie seiner Zeichnung
ergeben eine Steigerung zum beseelten Typus.
 
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