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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 65.1929-1930

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F., F.: Ein ungarischer Bildhauer
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https://doi.org/10.11588/diglit.9252#0257

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Ein ungarischer Bildhauer

bildhauer csaky—paris. »auf der treppe« 1927

also, eine durchleuchtete Feinheit, in der sich
die dichteste Diesseitigkeit mit dem höchsten
Stolz des Denkens verbindet. Das bloß Zu-
fällige schwindet; in den reinen, einfachen und
klaren Formen darf nur das Ewig-Gültige leben;
aber dieses ewig Gültige stammt aus der wirk-
lichen Welt, aus der Welt der sinnlichen Be-
glückungen. Man betrachte die kleine Stein-
figur „Nach dem Bade ": da ist nichts von gemes-
senem und nachmeßbarem Sachverhalt. Die
kantig abgesetzten Rundungen, die summarisch
gegebenen Einzelformen zeigen ganz deutlich
den starken stilistischenEingriff in die sogenannte
„Naturwirklichkeit". Und doch enthält das
Werkchen in der entzückendsten, poetischsten
Verdichtung alles, was an der „Naturwirklich-
keit" sprechen, reizen, klingen und schwingen
kann. Es enthält alles, was man von der Wirk-
lichkeit „weiß", ohne es nachgemessen oder
intellektuell festgestellt zu haben. Diese Figur
redet vom Wirklichen wie ein Lied vom Wirk-
lichen redet: sehr eigentlich und direkt, aber
nicht sklavisch auf den „Tatbestand", auf das
Meßbare gerichtet. Es ist die lebendige Gestalt,
die hier gesehen wird, nicht eine tote Sache.
Das was im Leben der Erde tönt und jubiliert,
was ergreift und bewegt, was lächelt und ent-
zündet — das ist es, was hier vor das Auge
tritt. Eine künstlerische Weltanschauung also,
die man nicht literarisch, wohl aber dichterisch
nennen kann; ein Verfahren, das keineswegs
intellektuell, wohl aber auf sublime Weise geistig,
spirituell ist. Geist im höheren Sinne führt das
Wort. — Es läßt sich nicht leugnen, daß Csaky
deutlich auch die Grenzen seiner Begabung zeigt,
oder vielmehr: die Gefahren, die ihn bedrohen.
Sie liegen darin, daß seine arkadische Heiter-
keit öfters das Gefällig-Elegante, seine geistige
Verarbeitung öfters das Kunstgewerbliche, das
Glatte streift. Der ornamentale Zierat, den
er an manchen Stellen in den Stein graviert,
die schwungvollen Linien, in denen er Faltungen,
Körperformen angibt — wie wird das manchmal
dünn und geschmacklich, flau und ästhetenhaft!
Da zahlt er den Preis für den geistigen Stolz,
der in seinen Gebilden lebt, da drängt sich das
ideelle Moment zu unbekümmert in den Vorder-
grund. Aber in der weitaus größten Zahl der
Fälle gelingt es ihm, seine sinnlich-dichterische
Schau der Welt fein und klar im Stein hervor-
treten zu lassen. So fügt er Gestalt an Gestalt
und baut in ihnen eine Welt, die um den be-
strickenden Reiz der Blumen weiß, aber von
strahlendem Licht erhellt ist — von jenem
Licht, das dem Geiste gehört und das doch
zugleich eine Verwandtschaft mit den schönsten
südlichen Sonnen hat...............f. f.^

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