Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten (65.1929-1930)

O. STRNAD
FOTO VON
R. LECHNER

OSKAR STRNAD ZUM 50. GEBURTSTAG

Oskar Strnad ist — im genialen Sinn und
Maß des Wortes — ein Temperament.
Das vor allem kennzeichnet seine Persönlichkeit,
erklärt ihren besonderen Reiz und führt auch
schon auf ihre tiefere Bedeutung. Denn nur in
einem genialen Temperament können so ver-
schiedene Eigenschaften rein und wirksam
zusammenkommen wie diese: eine klar ein-
dringende Vernunft, die hinter jeder Sache das
Problem, aber auch hinter jedem Problem schon
die einfachste Lösung erkennt, ein umfassendes
Lebensgefühl, für das alles — Ursprung, Bezie-
hung und Zusammenhang der Menschen und
Dinge — gegenwärtig ist, sachliche Einsicht,
feinste Empfindung und eine stürmisch bewegte
Phantasie. Im Wirkungskreis dieses Tempera-
mentes fangen die Menschen und Dinge Feuer.
Und jede Begegnung mit ihm wird zum Erlebnis.

Unter solchen Umständen hat es jedermann
schwer, dem Künstler auch objektiv gerecht zu
werden. Denn jeder wird von seinem feurig
spendenden Wesen dermaßen angezogen, daß
er sich bald gern und ganz verloren gibt. Trotz-
dem soll hier versucht werden, die Leistung und
Rolle Strnads innerhalb der modernen, nament-
lich der Wiener Kunstbewegung aus der Distanz
des Betrachters anzusehen und mit einigen
Zügen zu beschreiben.

Vorerst etliche Daten.

Oskar Strnad ist am 26. Oktober 1879 in
Wien geboren. 1903 verläßt er als „Doktor
der Architektur" die Technische Hochschule,
von deren Lehrern Carl König am stärksten auf
ihn gewirkt hatte, und bezieht für drei Jahre
das Atelier Friedrich Ohmanns. Nach drei wei-
teren Jahren selbständiger Arbeit wird er im

XXXIII. Januar 1930. 4