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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 65.1929-1930

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Eisler, Max: Oskar Strnad zum 50. Geburtstag
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https://doi.org/10.11588/diglit.9252#0263

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Oskar Strnad zum 50. Geburlstag

Oktober 1909 Lehrer an der Wiener Kunst-
gewerbeschule, die ihre neue Blüte zum guten
Teil seiner bald überall merkbaren Wirksam-
keit verdankt. 1909—1914 leitet er hier die
grundlegende allgemeine Abteilung für Formen-
lehre, seither — neben Josef Hoffmann — eine
besondere Fachklasse für Architektur. Anfangs
mit Josef Frank und Oskar Wlach in gemein-
samer Arbeit verbunden, hat er infolge der Un-
gunst der Verhältnisse nur wenige Bauten durch-
führen können, darunter: ein Zinshaus in der
Stuckgasse, ein Familienhaus auf dem Weg
zum Cobenzl, die Villa des Dichters Jakob
Wassermann im Kaasgraben, die Erneuerung
des Landsitzes Kranz mit Wintergarten auf der
Höhe bei Gloggnitz, mehrere Wohnungen, da-
runter Kranz in der Liechtensteinstraße, den
Hof in der Festhalle des österreichischen Werk-
bundes auf der Ausstellung Köln 1914, nach
dem Kriege die Mittelhalle des österreichischen
Hauses auf der Gewerbeschau in München und
den Orgelturm des österreichischen Pavillons
in Paris, endlich einen Trakt des Wynarskyhofes,
eines der größten Wohnbauten der Gemeinde
Wien. Nicht weniger wichtig sind die Projekte,
ganz besonders: ein Hotel für Karlsbad, ein —
gemeinsam mit Frank und Wlach unternom-
menes — Bürohaus unterhalb der Kirche Maria
am Gestade samt durchgreifender Straßenregu-
lierung, ein Siedlungsentwurf für das Fabriks-
viertel bei Ortmann, die Arbeiten für die Wett-
bewerbe um das Wiener Krematorium, den
Kölner Brückenkopf und das Palais des Völker-
bundes in Genf, die mit dem ersten Preis ge-
krönte Badeanlage für Schallerbach und endlich
die Theaterentwürfe: vor allem das in mehreren
Fassungen entwickelte Projekt eines neuen Thea-
ters mit Ringbühne, ferner die Zeichnungen
und Modelle für Bühnenbauten in Amsterdam,
Brünn und Schloß Leopoldskron bei Salzburg.

Innerhalb dieser umfassenden und wahrhaft
aufreibenden Tätigkeit, die von den Projekten
fast noch wesenÜicher angezeigt wird als von den
Verwirklichungen, steht Strnads Lehrerschaft
obenan. Seitdem er der Kunstgewerbeschule
angehört, hat er in unablässiger Mühe und stets
erneuter Frische ein Lehrgebäude errichtet, das
jedwedes Werk auf Maß und Zahl, auf Tech-
nik und Funktion zurückführt und aus diesen
reinen Wesenheiten, mit dem lebendigen Men-
schen als Mittelpunkt, jeweils die Form ent-
wickelt. Er hat die Schüler zum Werkzeichnen
geführt, seine Schule zur Werkstätte gemacht
und ihr in der Architektur das Ziel aller hand-
werklichen und maschinellen Tätigkeiten ge-
geben. Die neue Gesinnung — fundiert auf
Anstand und Ordnung, also auf eine auch mo-

ralische Reinheit der Formen — verdankt ihm
mit das Meiste. Die wenigen Bauten, die er
ausgeführt hat — darunter das flach gedeckte
Ziegelhaus für Wassermann (1914) — zeigen
zuletzt ein äußerst bewegliches Wesen, wobei
die einzelnen Bauteile scharf und fein herausge-
arbeitet und untereinander gelenkig verbunden
sind. In den letzten Jahren ist er fast ausschließ-
lich mit dem Theater beschäftigt, das aus sei-
ner originellen Begabung vielleicht den besten
Teil seiner jüngsten Entwicklung gewonnen hat.
Strnads Projekt eines Rundtheaters bricht zum
ersten Mal mit der barocken Tradition, setzt an
Stelle des Bühnenbildes einen Bühnenkörper
und schließt auch den Zuschauerraum mitein
in diese grenzenlose theatralische Sphäre. Be-
deutender noch und mit internationalem Erfolg
— darunter auch in Deutschland, Holland und
Frankreich — hat Strnad, meist an der Seite
von Max Reinhardt, als Inszenator gewirkt. Ein
Meister der Improvisation, die aus der beson-
deren Lebendigkeit seines Naturells entspringt,
befähigt zur Einfühlung in den Stil der verschie-
densten Bühnenwerke, begabt mit dem Sinn
für den dramatischen Vorgang und die Funktion
des Schauspielers, aber auch für die unwirk-
liche Atmosphäre des Theaters und ihr ma-
gisches Mittel, die Beleuchtung, hat er der
Szene, die bisher nur Schaustück und Rahmen
gewesen, ein zugleich geheimnisvoll schönes
Erscheinen und eine höchst aklive Kraft ver-
liehen. Er hat den Bühnenraum dramatisiert.
Und steht schon darum maßgebend in der ersten

Reihe der modernen Bühnenbauer.....

Doch zuletzt kommt man wieder — fast ge-
gen den Willen — vom Werk auf den Menschen.
Man erinnert sich an seine vielen Schüler, die
ihn so sehr lieben. Und fühlt sich wie einer
von ihnen. Dankbar zugetan dieser reichen Per-
sönlichkeit, die jeden, der mit ihr lebt, ange-
regt, geklärt und beglückt hat. . . . max eisler.


Eine große Anzahl von führenden Persönlich-
keiten Österreichs und Deutschlands haben
Oskar Strnad zu seinem 50. Geburtstage ihre
persönliche Zuneigung, ihre Anerkennung seines
Schaffens ausgesprochen. In diesen Stimmen
prägt sich deutlich aus, wie vielfach Prof. Dr. Os-
kar Strnad mit den verschiedenen Seiten seiner
Produktion und seines menschlichen Wesens auf
die Zeit gewirkt hat. Wir glauben es der hohen
Achtung, die wir der anregenden Persönlich-
keit des Gefeierten von jeher entgegengebracht
haben, schuldig zu sein, seine Gestalt im Spie-
gel dieser so herzlichen wie aufrichtigen Zustim-
mungen zu zeigen, und bringen daher im Folgen-
den einen Auszug aus ihnen zum Abdruck, schr.

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