Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 65.1929-1930

DOI Artikel:
Born, Wolfgang: Die Wiener Werkstätte in Berlin
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.9252#0335

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
PROFESSOR JOS. HOH'MAKN

»WIENER WERKSTÄTTE—BERLIN«

DIE WIENER WERKSTÄTTE IN BERLIN

Der Gedanke der Wiener Werkstätte, in
Berlin eine Zweigniederlassung zu eröffnen,
entsprang dem Bewußtsein ihrer kulturellen
Sendung. Die wirtschaftliche und technische
Vormachtstellung der Reichshauptstadt ist un-
bestritten. Demgegenüber darf Wien mit
Recht auf eine Geschmackskultur verweisen,
die aus der Tradition eines gepflegten Lebens-
stils gewachsen ist. Die gegenseitige Ergänzung
der Kräfte kann für beide Teile nur fruchtbar
werden. Daß die neue Unternehmung zustande
kam, ist vor allem das Verdienst Frau Mäda
Primavesis, die seit vielen Jahren ihre ganze
Energie für die Werkstätte einsetzt.

Die erste Bedingung des Erfolges in Berlin
war eine repräsentative Verkaufsstelle. Man
fand ein geeignetes Lokal in der Friedrich Ebert-
Straße, zwischen Brandenburger Tor und Pots-
damer Platz, also in der neuen Kunstgegend
des Zentrums. Ein geräumiger Laden in Ver-
bindung mit einem höher gelegenen Raum stand

zur Verfügung. Professor Josef Hoffmann hat
ihn in vorbildlicher Weise ausgestattet. Die
praktischen Forderungen, die man gerade in
Berlin an ein Geschäftshaus stellt, sind restlos
erfüllt, ohne daß der graziöse Charakter des
Wiener Kunstgeistes dabei verloren gegangen
wäre. Hinter den hohen Spiegelscheiben der
Front, die sich in der Mitte gegen die Eingangs-
tür zu einwölben, öffnet sich weit der Raum.
Die Mauern sind in einem leicht rosa getönten
Weiß gehalten, der Boden ist mit einem licht-
roten Teppich belegt. Rings an den Wänden
stehen Vitrinen aus matt geschliffenem Messing
mit Spiegelscheiben. Aus demselben Metall
sind die Verkaufstische. Die Sitzmöbel sind
mit einem ombrierten Stoff von der Farbe des
Teppichs überzogen.

Das architektonische Hauptmotiv des Ganzen
ist die Verbindungstreppe zum Obergeschoß,
deren Material ebenfalls mattgeschliffenes Mes-
sing ist. In einer reizvollen Kurve empfängt sie

XXXUI. Februar 1930. 5
 
Annotationen