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Pantel, Etta [Hrsg.]
Denkmaltopographie Bundesrepublik Deutschland: Baudenkmale in Niedersachsen (Band 25): Baudenkmale in Niedersachsen: Landkreis Soltau-Fallingbostel — Braunschweig, 2001

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https://doi.org/10.11588/diglit.43924#0168
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schem Grundriss aus behauenen Findlingen und
einzelnen Raseneisensteinen aus der Umge-
bung auf einem abgeschrägten Sockel errichtet.
Die Turmspitze hat sich im Laufe der Zeit zu
einem schlichten niedrigen Zeltdach entwickelt.
Über dem westseitigen Rundbogenportal mit
der abgetreppten Laibung und dem profilierten
Kämpfer liegt ein Rundfenster mit konisch zulau-
fender Laibung und seitlichem Vierpass. Das
etwas jüngere Glockengeschoss mit dem regel-
mäßigeren Quadermauerwerk, wohl aus der
Mitte des 13. Jh., enthält auf drei Seiten breite
Schallöffnungen mit jeweils dreifach gekuppel-
ten Schallarkaden. Das Kirchenschiff mit seinem
Findlings- und Raseneisenstein-Mauerwerk wur-
de wohl gleichzeitig mit dem Choranbau in der
Mitte des 15. Jh. ausgebessert und durch Stre-
bepfeiler in Backstein verstärkt sowie im Inneren
durch die zweijochige Kreuzgewölbedecke er-
gänzt. Ehemalige Sakristei- und Brauthausan-
bauten in Fachwerk sind jüngeren kleinen
Ziegelanbauten gewichen. Den polygonalen
Chor mit denselben abgeschleppten Strebepfei-
lern und der 1841 erneuerten Flachdecke trennt
vom Mittelschiff ein breites Spitzbogenportal.
Der flachbogige Eingang im Norden mit der
alten nagelbeschlagenen Eichentür liegt in einer
spitzbogigen Nische. Die allenthalben niedrigen,
unregelmäßig gearbeiteten, flachbogigen Fens-
ter liegen ebenfalls in Spitzbogennischen.
Nach der Restaurierung von 1975-77 blieb im
Inneren von den zahlreichen Emporen wohl nur

die kleine Holzempore aus dem 17. Jh. erhalten.
Die im Schiff und Chor aufgestellten steinernen
Epitaphien bezeugen die jahrhundertelange
Bedeutung der Kirche als Erbbegräbnis zahlrei-
cher Adelsfamilien der Umgebung mindestens
seit 1424. Die Zinn- und Holzepitaphien erinnern
an die seit 1701 bis zu ihrer Aufhebung 1969
bestehende Grabkammer im Turm der Kirche.
Die restaurierte und in den Chorraum versetzte
niedrige hölzerne Kanzel aus der Zeit um 1520
war mit der Errichtung des neuen Altarretabels
1783 entsprechend verändert worden. Das
halbkugelförmige, steinerne Taufbecken ent-
stand wohl gegen Ende des 15. Jh., evtl, als
Nachbildung eines Taufbeckens aus römischer
Zeit. Der vierständige Säulenfuß wurde in jüngs-
ter Zeit erneuert. Die Sakramentnische mit ehe-
mals zwei auf die Holztür gemalten Engeln wird
auf die Mitte des 15. Jh. datiert.
Auch heute noch wird die Kirche von dem
Kirchhof umgeben, dessen rechteckige Form
auf der westlichen Eingangsseite von einem
Findlingswall gefasst wird. Inmitten der teilweise
mit Büschen und Bäumen bewachsenen Ra-
senfläche stehen auf der Nord- und Südseite
des Turmes zahlreiche nord-süd-gerichtete,
durch beidseitige Inschriften und Steinkreuze
versehene wertvolle Grabsteine aus dem 19. Jh.
In engem räumlichen Zusammenhang mit der
Kirche stehen das nördlich und östlich an den
Kirchhof angrenzende Pfarrhaus und das ehe-
malige Pfarrwitwenhaus sowie die frühere Schu-

Kirchwahlingen, Hinterm Dorfe 4a, Wohnhaus, 1870


Kirchwahlingen, Nr. 14, ehern. Pfarrwitwenhaus, 1744/45


le, die in dem schräg gegenüber der Straße lie-
genden ehemaligen Küsterhaus untergebracht
war. Mit den beiden Hofanlagen im Süden und
Südwesten bilden sie gemeinsam den histori-
schen Dorfmittelpunkt.
Das ehemalige Schulgebäude/Küsterhaus Nr.
12 ist ein schlichtes Fachwerkgebäude unter
Halbwalmdach mit quer aufgeschlossenem
Wirtschaftsteil, das giebelständig zur Straße
steht. Es wurde wohl 1800 errichtet und wird
heute, mit neuen Fenstern ausgestattet, insge-
samt als Wohnhaus genutzt. Der gut erhaltene
fünfteilige Brunnenring in Sandstein von 1703
liegt vor dem südseitigen Stallgiebel und be-
zeugt eine frühere Bebauung des Grundstücks.
Das etwas jüngere, wohl 1820 errichtete und bis
1974 als Pfarrhaus genutzte Wohnwirtschafts-
gebäude Nr. 13, östlich der Kirche, zeigt ähnli-
che Konstruktionsmerkmale, wie Langstreben
im schlichten Fachwerk sowie eine rundbogige
Quereinfahrt. Bei jüngeren Renovierungsarbeiten
sind teilweise vergrößerte Fenstereinbauten,
Gauben, neue Gefachausmauerungen sowie
der massiv ersetzte östliche Wirtschaftsgiebel
entstanden. Das durch gleichmäßig große Gefa-
che gekennzeichnete Vierständergefüge des
ehemaligen Pfarrwitwenhauses Nr. 14, mit den
beidseitigen symmetrisch angeordneten Fuß-
streben in dem wenig vorkragenden Wohngie-
bel, wurde bereits 1744/45 errichtet und später
um den Wirtschaftstrakt verlängert. Der im Tor-
bogen datierte und symmetrisch gegliederte
nordseitige Wirtschaftsgiebel ist wahrscheinlich
aus wiederverwendeten Fachwerkteilen errichtet
worden. Nördlich davon steht der alte Sand-
steinbrunnen.
Im Süden gegenüber dem Kirchhof begrenzt die
ehemalige Gutsanlage Hinterm Dorfe 4a den
Straßenraum. Dieser sog. ehemalige Freihof war
erst im 19. Jh. zum adligen Rittergut erhoben
worden. Er wird geprägt von der ungewöhn-
lichen Gestaltung des 1870 in massiver Bau-
weise errichteten elfachsigen Wohnhauses, des-
sen nördliche Schauseite durch doppelte drei-
achsige Zwerchgiebel gegliedert wird. Trotz sei-
nes renovierungsbedürftigen Zustands kommt
der repräsentative Charakter des hinter einer
ehemaligen Vorfahrt zurückliegenden Zwillings-
gebäudes zum Ausdruck und wird verstärkt
durch die zahlreichen Ziegelsteinsetzungen in
Form von Lisenen und Friesen sowie durch die
risalitartige Betonung der Zwerchgiebel und ihre
Giebelbekrönung.
Leider wurde die nach einem Sturmschaden
1994 im östlichen Giebelbereich eingestürzte
Fachwerkscheune aus der 2. Hälfte des 18. Jh.
nicht wieder aufgebaut, so dass auf dieser
Hofstelle nur noch Gebäude des 19. Jh. erhal-
ten sind. So die in der 1. Hälfte des 19. Jh. er-
richtete parallel angeordnete Dreiständer-Scheu-
ne mit ihrer seitlichen Längsdurchfahrt und dem
zusätzlichen außermittigen Einfahrtstor. Das
durch eckständige Langstreben gehaltene Gefü-
ge ist jedoch teilweise massiv ersetzt worden.
Auf dem Nachbargrundstück Nr. 3 wurde 1908
ein qualitätvoller massiver Ziegelbau als Wohn-
haus errichtet. Die gliedernden Ziersetzungen
sowie die Giebel-Vorgespärre insbesondere vor
dem mittigen Zwerchgiebel beherrschen die
hofseitige, zur Kirche zeigende Schauseite.

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