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Engelberg, Meinrad von
Renovatio Ecclesiae: die "Barockisierung" mittelalterlicher Kirchen — Petersberg: Imhof, 2005

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https://doi.org/10.11588/diglit.62514#0080
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II. Renovatio im europäischen Vergleich

Abb. 23: Rom, S. Giovanni in Laterano: Grundriß vor dem
Umbau Borrominis


132 1635 im Auftrag Urbans VIII., siehe Hib-
bard 1965, S. lOOf.
133 Z.B. das Grab der Kardinäle Chaves und
Giussano, nach 1655. Siehe Blunt 1979b,
S. 147f. Dieses Prinzip wurde gern bei den
Stiftergräbern süddeutscher Klöster über-
nommen, z.B. in Garsten (OÖ, Bertholdi-
altar 1687, 1937 verändert), Oberaltaich
(NdB, 1782), der Fassade von Tegernsee
(ObB, Zuccalli 1685) und in exzessiver
Weise in der 1736 geweihten Zister-
zienserkirche Schöntal im Jagsttal (B.-
W.), wo nahezu die gesamte Sockelzone
der Seitenschiffe mit neu gerahmten
Abtsgrabsteinen geschmückt wurde. Zur
besonderen Bedeutung der Stiftergräber
im Norden siehe Schmidt 1999, S. 183f,
194.



Abb. 25: Rom, S. Giovanni in Laterano: Bauaufnahme der
Langhausnordwand vor dem Umbau



Abb. 26: Rom, S. Giovanni in Laterano: Wandaufriß des Langhauses (Borromini)

Abb. 24: Rom, S. Giovanni in Laterano: Grundriß nach dem
Umbau Borrominis


Integration älterer Elemente auf die völlige
Dominanz der modernen Formen über das
historische Material zielt und eine neue, ver-
einheitlichende Ästhetik anstrebt - von der
mittelalterlichen Cathedra Petri <36> ist in
seinem Aufbau kein Stück mehr sichtbar - ,
liebt Borromini die Spannung zwischen er-
kennbar unterschiedlichen Bestandteilen ei-
ner Komposition. Die fremdartige, in klas-
sisch-antikisch geschulten Augen sperrige
Ästhetik mittelalterlicher Elemente wird von
ihm als Qualität erkannt und gezielt einge-
setzt. Dies zeigt ein Vergleich der umgestal-
teten Grabmale in den Seitenschiffen des
Laterans <29> mit Berninis Monument für
Mathilde von Tuszien <28> im Petersdom132.
Berninis Epitaph läßt in nichts erkennen,
daß es sich bei der Geehrten um eine mittel-
alterliche Herrscherin handelte: Sie könnte
aufgrund dieser Inszenierung ebensogut ei-
ne Zeitgenossin oder eine antike Heroine
gewesen sein.
Borrominis Grabmäler verhehlen dagegen
nicht, daß ihr Kern aus einer anderen Epo-
che stammt, die abweichende ästhetische
Ideale verfolgte: Der Architekt integriert
Grabplatten, Reliefs und Liegefiguren der-
art in seine neuen, in eigener Sprache ge-
stalteten Aufbauten, daß diese nicht nur
durch ihre Inschrift, sondern auch durch ih-
re anschauliche Qualität als Zeugnisse der
Vergangenheit erkennbar bleiben. Zugleich
kann es aber keinen Zweifel an der durch-
greifenden Umformung der historischen
Monumente und ihrer Einbindung in die
völlig veränderte Ästhetik des umgebenden
Raumes geben: Es geht Borromini nicht
um die „denkmalpflegerische“ Erhaltung

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