C. EXKURS: RENOVATIO AM AUSSENBAU
Daß die Renovationes der Außenbauten hier
lediglich als Exkurs abgehandelt werden,
sagt zugleich etwas über deren geringe Be-
deutung im Zusammenhang der „Barocki-
sierungen“ aus. Annemarie Thünker hat ih-
re Untersuchung entsprechend fokussiert:
„In der Regel umfaßt die Barockisierung nur
den Innenraum. Von Teilproblemen, wie
den Fassaden, der Turmgestaltung usw. ab-
gesehen, wird der Außenbau nicht angeta-
stet. Der Gegensatz, das Überraschungsmo-
ment, das darin liegt, wenn man den
schmucklosen oder vollkommen mittelal-
terlichen Raum noch im Gedächtnis, plötz-
lich in den üppigsten, buntesten Barock-
raum tritt, muß in die künstlerische Rech-
nung einbezogen gewesen sein. Es wurde
daher der Außenbau grundsätzlich aus der
Betrachtung ausgeschieden “183
So fruchtbar diese Überlegung ist, legt sie
doch die Frage nahe, warum Inneres und
Äußeres mittelalterlicher Kirchen so unter-
schiedlich behandelt und anscheinend auch
bewertet wurden. Deshalb sollen im fol-
genden verschiedene Tendenzen dieses Pro-
blems dargestellt werden.
Für die Behandlung des Außenbaus im
Rahmen der Bauaufgabe Renovatio können
vier entgegengesetzte Pole benannt werden,
zwischen denen jede einzelne Lösung je-
weils individuell verortet werden kann. Die-
se Prinzipien sind nicht ohne weiteres mit
der für den Innenbau vorgeschlagenen Ein-
teilung in „Französischen“, „Italienischen“
und „Historisierenden“ Modus parallel zu
setzen, obwohl sie manche strukturelle Ver-
wandtschaft zeigen.
Die durchgreifende Umgestaltung des Äu-
ßeren könnte mit der „Italienischen“ Reno-
vatio, die Setzung akzentuierender moder-
ner Kontraste mit dem „Französischen“ Mo-
dus, die weitgehende Erhaltung und stil-
angleichende Ergänzung mit dem „Histori-
sierenden“ Modus“ gleichgesetzt werden.
Für die vierte Form des Umgangs mit dem
Äußeren, welche den Außenbau lediglich
als „Rückseite“ des Innenbaus definiert, gibt
es allerdings keine Parallelen. Sie weist dar-
auf hin, daß Außen und Innen bei den hier
untersuchten Denkmälern als streng ge-
trennte Aufgaben betrachtet wurden.
Wir finden Beispiele, in denen die gesam-
te Renovatio von einem einheitlichen Geist
geprägt ist: In Ettal0 (VI. 14) wurde die vor-
gefundene gotische Rotunde in ihrer Au-
ßen- und Innengestaltung so sehr verän-
dert, daß man sie für einen Neubau halten
könnte. In Zwettl0 <85ff> leben Innen- und
Außenbau von dem fein austarierten
Kontrast alter Bausubstanz und neuer Hin-
zufügungen.
Es gibt aber auch Gegenbeispiele - Passau
ist eines der prominentesten -, in denen ein
völlig „Italienisch“ überformter Innenraum
mit einem sorgfältig erhaltene gotischen
Äußeren kontrastiert. Besonders kraß ist
dieser Gegensatz in der Stiftskirche Ell-
wangen0 (VI. 12) spürbar, deren liebevoll
bewahrte staufisch-romanische Außen-
erscheinung einen virtuosen Barockraum
birgt.
Schließlich finden sich gerade in Bayern
zahlreiche Beispiele für jene nach außen
völlig unauffälligen, kargen mittelalter-
lichen Kirchen, die im Inneren allen Prunk
des Rokoko entfalten184: Hier fragt sich der
Betrachter stets, ob es sich, wie Thünker
vermutete, um einen gewollten Kontrast
oder lediglich eine völlig einseitige Aus-
richtung des künstlerischen Interesses han-
delt.
1. Quasi-Neubauten
Die erste, zugleich seltenste Form ist die
komplette Erneuerung des Außenbaus, die
keinerlei Spuren der originalen Bausubs-
tanz mehr erkennen läßt. Diese Maßnahme
wäre die logische Entsprechung zur „Italie-
183 Thünker 1945, S. 5.
184 Beliebig zu vermehrende Beispiele: Ber-
gen, Indersdorf, Rottenbuch", Steinga-
den" <472>, Thierhaupten, Ursberg,
Windberg.
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Daß die Renovationes der Außenbauten hier
lediglich als Exkurs abgehandelt werden,
sagt zugleich etwas über deren geringe Be-
deutung im Zusammenhang der „Barocki-
sierungen“ aus. Annemarie Thünker hat ih-
re Untersuchung entsprechend fokussiert:
„In der Regel umfaßt die Barockisierung nur
den Innenraum. Von Teilproblemen, wie
den Fassaden, der Turmgestaltung usw. ab-
gesehen, wird der Außenbau nicht angeta-
stet. Der Gegensatz, das Überraschungsmo-
ment, das darin liegt, wenn man den
schmucklosen oder vollkommen mittelal-
terlichen Raum noch im Gedächtnis, plötz-
lich in den üppigsten, buntesten Barock-
raum tritt, muß in die künstlerische Rech-
nung einbezogen gewesen sein. Es wurde
daher der Außenbau grundsätzlich aus der
Betrachtung ausgeschieden “183
So fruchtbar diese Überlegung ist, legt sie
doch die Frage nahe, warum Inneres und
Äußeres mittelalterlicher Kirchen so unter-
schiedlich behandelt und anscheinend auch
bewertet wurden. Deshalb sollen im fol-
genden verschiedene Tendenzen dieses Pro-
blems dargestellt werden.
Für die Behandlung des Außenbaus im
Rahmen der Bauaufgabe Renovatio können
vier entgegengesetzte Pole benannt werden,
zwischen denen jede einzelne Lösung je-
weils individuell verortet werden kann. Die-
se Prinzipien sind nicht ohne weiteres mit
der für den Innenbau vorgeschlagenen Ein-
teilung in „Französischen“, „Italienischen“
und „Historisierenden“ Modus parallel zu
setzen, obwohl sie manche strukturelle Ver-
wandtschaft zeigen.
Die durchgreifende Umgestaltung des Äu-
ßeren könnte mit der „Italienischen“ Reno-
vatio, die Setzung akzentuierender moder-
ner Kontraste mit dem „Französischen“ Mo-
dus, die weitgehende Erhaltung und stil-
angleichende Ergänzung mit dem „Histori-
sierenden“ Modus“ gleichgesetzt werden.
Für die vierte Form des Umgangs mit dem
Äußeren, welche den Außenbau lediglich
als „Rückseite“ des Innenbaus definiert, gibt
es allerdings keine Parallelen. Sie weist dar-
auf hin, daß Außen und Innen bei den hier
untersuchten Denkmälern als streng ge-
trennte Aufgaben betrachtet wurden.
Wir finden Beispiele, in denen die gesam-
te Renovatio von einem einheitlichen Geist
geprägt ist: In Ettal0 (VI. 14) wurde die vor-
gefundene gotische Rotunde in ihrer Au-
ßen- und Innengestaltung so sehr verän-
dert, daß man sie für einen Neubau halten
könnte. In Zwettl0 <85ff> leben Innen- und
Außenbau von dem fein austarierten
Kontrast alter Bausubstanz und neuer Hin-
zufügungen.
Es gibt aber auch Gegenbeispiele - Passau
ist eines der prominentesten -, in denen ein
völlig „Italienisch“ überformter Innenraum
mit einem sorgfältig erhaltene gotischen
Äußeren kontrastiert. Besonders kraß ist
dieser Gegensatz in der Stiftskirche Ell-
wangen0 (VI. 12) spürbar, deren liebevoll
bewahrte staufisch-romanische Außen-
erscheinung einen virtuosen Barockraum
birgt.
Schließlich finden sich gerade in Bayern
zahlreiche Beispiele für jene nach außen
völlig unauffälligen, kargen mittelalter-
lichen Kirchen, die im Inneren allen Prunk
des Rokoko entfalten184: Hier fragt sich der
Betrachter stets, ob es sich, wie Thünker
vermutete, um einen gewollten Kontrast
oder lediglich eine völlig einseitige Aus-
richtung des künstlerischen Interesses han-
delt.
1. Quasi-Neubauten
Die erste, zugleich seltenste Form ist die
komplette Erneuerung des Außenbaus, die
keinerlei Spuren der originalen Bausubs-
tanz mehr erkennen läßt. Diese Maßnahme
wäre die logische Entsprechung zur „Italie-
183 Thünker 1945, S. 5.
184 Beliebig zu vermehrende Beispiele: Ber-
gen, Indersdorf, Rottenbuch", Steinga-
den" <472>, Thierhaupten, Ursberg,
Windberg.
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