Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Der verdorbene General.

51

Meisters, auch stand's in allen Zeitungen, daß Einer von der
Post vorgeritten hätte, also sollte er's auch.

Das gab aber einen sonderbaren Austritt, als der Herr
Postmeister vernahm, er sollte dem großen Napoleon Bonaparte,
Kaiser von Frankreich und sonstigen Ländergebieten — die
Honneurs machen.

Die Frau Mutter aber holte die schöne schwefelgelbe Staats-
nnisorm mit silbergesticktem hellblauem Kragen hervor, hing sie
über die Stuhllehne, putzte eigenhändig die Knöpfe mit Kreide-
mehl, deßglcichcn den Degenknopf und die silbernen Sporen
an de» Kaiwncnstiefeln. Es war eine Lust, wie Alles blitzte
und glänzte. Doch der Rechte, der Herr Postmeister, hatte
gar keine Freude daran, faßte ein Herz, und sagte: „Mutter,
ich reite nicht vor, ich bin viel zu viel guter Deutscher, um
einem französischen Kaiser — und noch dazu diesem Bonapartc
vorzureitc»!"

„Du wirst vorreiten!" schrie die Mutter.

„Ich reit' nicht vor; erstens ist das Vorreiten meiner
Natur zuwider, zweitens läßt's meine Ehre nicht zu, und drittens
würd' ich gewiß stürzen und jämmerlich umkommen; die Frau
Mutter aber sollte sich wirklich schämen, in ihrem hohen Alter
noch eine Kindsmörderin vorstellen zu wollen; reit' die Frau
Mutter dem Länderzerstörer doch selbst vor!"

Das war für die Alte zu viel; sie nahm die gelbe Uni-
form zornig vom Stuhle, und warf sie in den Winkel am
Kachelofen mit den Worten: „Ich weiß wahrhaftig nicht, wie
ich zu so einem curiosen Sohne gekommen bin!"

Dies Alles hörte ich, hinter dem Ofen sitzend; trat dar-
auf hervor und sagte: „Frau Meisterin, die Menschen sind sich
nicht gleich, und die Naturen sind verschieden, lassen Sie den
Herrn Postmeister zufrieden, damit ihm kein Unglück widerfährt
und lassen Sic mich dem Kaiser in Gottes Namen vorreiten."

Als ich so redete, hat die Frau Meisterin zuerst eine
Lache aufgeschlagen, darauf legte sie den Finger an ihre krumme
Nase und sagte: „In der Noth frißt der Teufel Fliegen; nun
denn, so magst Du mein hasenherzigcs Kind hier stellvertreten
oder stellvorrciten, denn vorgeritten muß werden, sonst blamiren
wir uns vor ganz Europa."

Also ging's an die Ausrüstung. Vorerst ward der Herr
Postmeister in's Bett gelegt und eine Taffe mit Fliederthee
»eben ihn auf den Stuhl gestellt, damit es so recht den An-
schein habe, als ob er plötzlich uirpaß geworden wäre; doch der
hätte auch ohne den Flieder eine ganz hitzige Entzündung hcr-
ausgcschwitzt. Darauf schaffte ich mir so schnell als thunlich
alle Hobelspähne vom Leibe und die Sägespähne aus den Haa-
ren, zog ein feines Hcmdlein an, bekleidete mich mit den
Hirschledernen und den Kanonensticscln des Herrn Sohnes, zog
die glänzende Uniform an, schnallte den Degen um und drückte
endlich den hohen Dreimaster mit straffem Federbusch auf das
Haupt. Ich denke, der Vicrfürst Hcrodcs könne an Gallatagen
»icht stattlicher ausgcsehen haben, als ich in meiner stellvertre-
tenden Postmeistcrvcrwandlung. Als ich vollends zwei Gläser
Kirschwasser dem Ganzen beigefügt hatte, glaubte ich, dem le-
bendigen Teufel vorreiten zu können.

Darauf wurde der Schimmel gesattelt; das war zwar kein
Jüngling mehr, aber immer »och ein stattlicher Gaul, den der j
Postmeister vor Kurzem vom Kronenwirth in Gällingen ge-
kauft hatte.

Somit war Alles in Ordnung, man erwartete den Mann
des glorreichen Jahrhunderts, und ich ritt einstweilen meinen
Schimmel im Hofe Probe. Endlich hörte man cs blasen. Die
zwölf Pferde standen in banger Erwartung vor dem Posthausc;
mir klopfte das Herz, daß mir Hören und Sehen verging;
draußen gaffte das ganze Städtchen. Die Frau Prinzipalin
steht bei meinem Schimmel, spricht mir Muth ein, und giebt
dem Thiere einen Wecken. Plötzlich jagt der kaiserliche Reise-
zug zum Städtchen herein — vornauf der stattliche Postmeister
aus Elstcrwerda auf schaumbedecktem Roß. Die Versammlung
schreit: „Vivat" — da hält der Zug.

„Die Postillone arbeiten wie besessen an den Strängen
und in wenig. Minuten sind die Wagen umgespannt.

Jetzt beginnt meine Rolle. Ich schieße wie ein Pfeil
auf meinem Schimmel unter dem Thorwcge hervor, grüße den
Kaiser militairisch mit der Hand, weil mir der Hut mit einem
Sturmriemen fest angeschnallt war, setze mich an die Spitze
des Zuges — lautes „Hurrah" erschallt, darauf lasse ich das
Thier ausgreifen, daß Kies und Funken stoben, und fort gingS
auf Moritzburg zu."

„Freunde, cs giebt schöne Gefühle im menschlichen Leben,
aber so ein Gefühl, als ich damals gefühlt habe, wie ich so,
als wenn ich gar kein Mensch — vielweniger ein Schrcincr-
gescllc wäre — knapp hinter mit den Beherrscher der Welt
mit seinem hohen Stabe voller Orden — gewissermaßen von
mir abhängig — dahin sause, so ein Gefühl giebt's nimmer-
mehr; und wenn dazumal dieser Lümmel von einem Kronen- :
wirth in Gällingen — Gott, wenn ich daran denke _ und

7*
Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Der verdorbene General"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Stiefel
Pferd <Motiv>
Ankleiden
General
Bürste
Karikatur
Uniform <Motiv>
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Public Domain Mark 1.0
Creditline
Fliegende Blätter, 27.1857, Nr. 633, S. 51
 
Annotationen