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122 Schloß I

mußten gehalten werden, herentgegen der Wirth von herrschaft-
licher Brauerei und Keller auf Schloß Justingen das Getränk
beziehen mußte.

Dieweil die Agnes Brautjungfer, gierige gen Abend der
Amandus auch nacher Justingen, so eine Viertel Stund vom
Schloß entfernt, und war er lustig und guter Dinge und wurd'
er auch gehörig honoriret, weil man wußte, daß er bei Herrn
Obervogten sehr in Gunsten stehe.

Aber wie schon die alten Heiden gemcinet, solle man sich
in Glück und Freud nicht allzusehr überhcbcn, weilen die den
Menschen abholden bösen Mächte ihn oft plötzlich von dem Gie-
bel des Glückes herabzustürzen gewillet sind, und schreitet das
Unglück oftmals schnelle für.

So hat denn der Amandus in Heller Freud mit der Agnes
einen absonderlichen Tanz, Menuet genannt, zu großer Ergötz-
lichkeit der Hochzcitgäste aufgeführet, daß Alles stille, und im
Anschaucn der gar zierlichen Attitüden versunken wäre, und
stauneten die Hochzeitgäste das schöne flinke Paar an, welches
aber nicht bemerket, daß nacheinander drei gewaffncke Männer
hcrbeigekommen, die vor der Thüre sich aufgcstellet, und aus
das tanzende Paar ein scharf Aug gerichtet; und so wie die
Musik eine Paus gemacht, wurde Amandus in eine Ncbenstube
zu gehen, höflich ersuchet — und sagt die Agnes noch zu ihm:
„mit Euch zu tanzen ist meine größcste Lust, kommet doch bald
wieder herbei!" Aber er käme nicht wieder zum Tanz zurück,
denn in besagtem Nebenzimmer crklärcten ihm die drei Män-
ner mit gezogener Wehr, daß er ihr Arrestant sei, und er ihnen
stracks zu folgen habe, — darauf denn dieser fürnehmc hoch-
müthige Bursch sich plötzlich geducket, und wie in sich zusam-
mengesunken ist, wie denn gewißlich ein böses Gewissen dem
Menschen allen innerlichen Muth raubet.

Man hat anfangs der Agnes, aus Schonung, von dem,
was sich so eben ereignet, nichts referiret, indem sie am Her-
ren-Tisch gesessen, neben dem Herrn Pastor und seiner Köchin
oder Haushälterin, dem Schulmeister und dem Justingcr Stabs-
Schultheißen, der auch hinausgcrufen ward, aber bald wieder
gekommen, und nicht mocht, was eben draußen vorgcgangen,
vor seines Herrn Tochter wieder gleich erzählen, und sodann,
da ihr Liebhaber nicht wieder gekommen, man ihr nur offcriret,
daß er habe müssen eiligst zum Schloß gehen, worauf die Agnes
im Unmuth ob der unterbrochenen Lust, sich auch alsbald auf
und davon gemacht, und hat sie der Stabsschultheiß zurück in's
Schloß begleitet.

Es haben aber während diesem die drey bewehrten Männer
den Amandus sicher zum Schloß begleitet, und alldortcn dem
Obervogt, meinem lieben Freund angckündigt, daß dieser
Mensch eines todeswürdigcn Verbrechens halber, angeklagt und
sie ihn sicher nacher Ehingen zu bringen, sich anheischig gemachet,
als woselbst die Unthat verübet worden. Und hat der Obervogt
mit Händerringen sich an den Jnculpaten gewandt, ob es dem
also sei, und er auf sein ehrbar Haus eine solche Schmach
wolle laden? Worauf er trutziglich geantwortet: „daß er sich
nicht ichlechter zu sein dünke, wie jeder, der sich seines Leibes

usting en.

und Lebens gewchret, und er sich besser achte, als manch feiger
Kerl, so hoch gcchrct sei.

Als ich in frühester Tageszeit in Schloß Justingcn
ankame, haben die Stadtkncchte von Ehingen sich bereits an-
gcschickt, mit dem Jnculpaten das Schloß zu verlassen, und
stand das Wägelein, worauf er sollte nacher Ehingen abgcführct
werden, schon im Schloßhof, worauf ich mich allsoglcich in seinen
Kerker begab. Obgleich der Amandus mich Anfangs gar
finster angeblicket, hat sich sein Trotz doch bald gelegct und hat
er mir seine gefesselte Hand dargcrcicht, und zu mir gesagt:
„jetzt sei cs aus mit ihm, er habe das erbärmliche Leben,
dessen er sich doch nimmermehr erfreuen könne, satt, und werd'
er sich nicht auf's Läugncn verlegen. Er habe eine zweifache
Blutschuld auf sich liege», und entdeckte er mir folgendes:

„Er sei nicht ein Amandus Tritschler aus Böblingen,
sondern eines Kaufherrn Sohn aus der Reichsstadt Heilbronn
am Neckar, der in Tübingen der Rechtswissenschaft obgclcgcn,
dorten das Unglück gehabt, seinen Gegner im Duell zu erstechen,
worauf er entflohen, und von seinem Vater sei vcrstossen wor-
den, der ihm ein Stück Geld habe zukommen lassen, mit dem
Bedeuten nit mehr vor seine Augen'zu treten, und solle er
sich damit in ein fremdes Land begeben, und ganz und gar
mit Elternhaus und Heimath abbrcchcn. Nachdeme er eine
Zeitlang elendiglich umhergeirrt, habe er sich wollen in die
Schweiz begeben, sei aber im Weingarter Wald mit etlichen
Gesellen zusammengerathen, so sich für Wildschützen ausgegeben,
und die ihn zu bleiben persuadiret, welche aber, wie er hcrnachcr
erfahren, auch Diebs- und Raub-Gewerbe getrieben, dessen er
sich aber nie habe schuldig gemacht, sondern nur getrachtet,
wie er sich könnte Wildprctt verschaffen. Sodann habe er im
verflossenen Frühjahr mit noch einem Gesellen einen Streifzug
durch die Waldungen gemacht, bis zu der Donau herab, wo
er in der Nähe von Ehingen von zwei Jägern hart, und mit
Schüssen verfolget worden, so daß sic ihn hätten beinah gcfahct
oder erleget, und Hab er sich seiner Haut müssen wehren, daher
er sich umgewandt, und »ach dem nächsten der verfolgenden
Jäger auch gefeuert, worauf dieser gestürzt. Dann Hab' er sich
auf das linke Ufer der Donau geflüchtet, und dort nach Wild
gestrcifet, sei auch in das Schmicch-Thal und hinauf auf die
Alp gekommen. So sei er eines Abends auf dem Anstand
gewesen, als ihm eine Helle Stimme zugerufen: „Gewehr ab,
oder ich geb'Feuer!" und da er sich umgeschauet, er 20 Schritte
seitwärts eine junge Frauensperson, halb wie ein Mannsbild
gekleidet, mit angeschlagenem Gewehr erblicket.

So er ihr dann zugerufen:,, Sic sollte in Gottes Namen
losdrücken, doch sollt sie ja nicht glauben, daß er werde seine
Waffe gegen sie kehren," daraus er sein Gewehr abgcspannet,
und ctlich Schritte von sich weggcworfcn."

Selbige Weibsperson war die Agnes, meine Pathin, und
gar ein unerschrocken Weibsbild, im Waidwcrk erfahren, so gut
wie ein Jäger-Bursch. Selbiger Wald aber war der Ehinger
Hau, nur */4 Stunde vom Schloß Justingen entfernet, und
hatte sich die Agnes gar hoch berühmt, so sic könnt eines Wild-
erers habhaft werden.
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