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Fürbringer, Max
Untersuchungen zur Morphologie und Systematik der Vögel: zugleich ein Beitrag zur Anatomie der Stütz- und Bewegungsorgane ; mit 30 Tafeln (Band 2): Allgemeiner Theil, Resultate und Reflexionen auf morphologischem Gebiete, systematische Ergebnisse und Folgerungen — Amsterdam, 1888

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https://doi.org/10.11588/diglit.15181#0013

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839

I. Abschnitt.
Resultate und Reflexionen auf morphologischem Gebiete.

Es ist klar, dass die morphologische Ausbeute, welche eine an Vögeln angestellte Untersuchung
gewährt, nur eine bescheidene sein kann. Bei einer Abtheilung, welche bei aller Höhe und bei
allem Reichthum der Ausbildung doch nur eine sehr einseitige und in ihren Bahnen bereits sehr
bestimmte Entwickelungsrichtung des Sauropsidenstammes zur Erscheinung bringt, wird man von
vorn herein auf jene unendliche und immer von Neuem den Untersucher entzückende und fesselnde
Mannigfaltigkeit und grössere Freiheit bedeutsamer Differenzirungen verzichten müssen, welche die
niederen Formen der Wirbelthiere oder gar der noch tiefer stehenden Thiere darbieten.

Daher nimmt es nicht Wunder, dass von sehr vielen competenten Morphologen gerade den
Vögeln keineswegs eine besondere Berücksichtigung geschenkt wurde. Ornithologen; Entomologen!
Die Einen wie die Anderen haben zumeist ein Völklein für sich gebildet, das sich am Detail mit
seinen vielfältigen Variirungen erfreute, aber auf dem grossen Ringplatze für die höheren mor-
phologischen Erkenntnisse keine sehr hervorragende Rolle spielte. Wohl haben auch unsere
ersten Morphologen und Biologen es verstanden, auch hier Grosses zu leisten; wohl ist
durch die neueren vergleichend-anatomischen und palaeontologischen Forschungen den Vögeln ein
ganz besonderes Interesse gewonnen worden. Aber die Ausbeute lag hier mehr auf dem syste-
matischen Gebiete und die Hauptfrage galt insbesondere der Ableitung des gesammten Vogel-
stammes aus tieferstehenden reptilienartigen Formen. Die morphologische Seite der Frage anlangend,
so erschien wohl der Mehrzahl die innerhalb der Vogelabtheilung zu beobachtende Mannigfaltig-
keit unter dem mehr oder minder sterilen Bilde geringfügiger Variirungen und Wiederholungen
eines in der Hauptsache recht gleichmässigen Bildungstypus; die Untersuchung einer beschränkten
Anzahl von Formen wurde für genügend gehalten, um über die gesammte Abtheilung ein annähernd
richtiges Bild zu gewinnen.

Den mit solchen Anschauungen an die Untersuchung Tretenden fehlte es indessen nicht an
Überraschungen.

Im Jahre 1847 schrieb Johannes Müller in seinen Untersuchungen über die Stimmorgane
der Passerinen folgenden Passus: »Man hat sich öfter beklagt, dass die Anatomie der Vögel
so constant sei und deswegen die Bemühungen der Zoologen so wenig durch die Anatomie
unterstützt werden. Diese Bemerkung ist sehr richtig; aber man muss gestehen, dass sie nicht
in allen Beziehungen gerechtfertigt ist. Das Stimmorgan macht von allen Organen eine Aus-
nahme, es liegen wichtige innere Charaktere der Gattungen und Familien vor, wo äusserlich
überall nur Ubergänge zu sein scheinen. Und wenn die Natur uns hier eine wunderbare Fülle
der Verschiedenheiten zeigt, so darf man auch noch die Geschlechtsorgane hinzufügen, wie aus
den Untersuchungen über die straussartigen Vögel hervorgeht, die ich der Akademie im Jahre
1836 vorgelegt habe.«

Stimmorgane und Geschlechtsorgane waren die beiden von ihm specieller abgehandelten Organe
der Vögel. Hätte der grosse Biolog noch mehr Organsysteme untersucht, so wäre er gewiss zu
einer noch anderen Formulirung seiner Ansichten gekommen. Er hätte wohl seine Bemerkungen
 
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