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Fürbringer, Max
Untersuchungen zur Morphologie und Systematik der Vögel: zugleich ein Beitrag zur Anatomie der Stütz- und Bewegungsorgane ; mit 30 Tafeln (Band 2): Allgemeiner Theil, Resultate und Reflexionen auf morphologischem Gebiete, systematische Ergebnisse und Folgerungen — Amsterdam, 1888

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https://doi.org/10.11588/diglit.15181#0297

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struiren versucht, der wird erst finden, mit wie ausserordentlich grossen Schwierigkeiten die Erfüllung;
dieser Aufgabe zu kämpfen hat. Mit jedem neuen Lösungsversuche drängt sich die Überzeugung, dass
man bei aller Sorge doch nur ein vergängliches Werk liefern könne, mehr und mehr auf, und Mancher
dürfte es an sich erlebt haben oder noch erleben, dass es sehr leicht ist, einen von Anderen gemachten
Stammbaum zu kritisiren, aber sehr schwierig, einen selbst zu entwerfen. Aus diesem Grunde möchte
ich solchen Versuchen, wie z. B. dem von Reichexow, wenn ich mich auch mit der Anordnung seines
Stammbaumes nicht vereinigen kann, mit aller Achtung begegnen. Und wenn ich am Ende dieser Arbeit
selbst versuchen werde, einen Stammbaum zu construiren, so geschieht dies in der vollen Erkenntniss
der Unzulänglichkeit meines Werkes und mit dem Wunsche, dass mein ernst gemeinter und darum
hoffentlich auch eine billige Beurtheilung findender Versuch bald durch einen besseren ersetzt werden möge.

Ca]). 3. Einig-es über systematische Methode.

Es ist fast selbstverständlich, dass für eine erfolgreiche taxonomische Thätigkeit einer gute»
Arbeitsmethode eine sehr bedeutsame, wenn nicht überhaupt die bedeutsamste Rolle zukommt.

Zu verschiedenen Zeiten bat es glückliche Naturen gegeben, begabt mit jenem überaus scharfen
Blicke, der ihnen, intuitiv und fast instinctiv, ohne weitere mühselige Arbeit diese oder jene
systematische Beziehung verwandter Thiere erschloss.

Solche geborene systematische Genies trugen das höchste Erkennen in sich, ohne einer be-
sonderen Arbeitsmethode zu bedürfen. Aber sie gehören zu den grossen Seltenheiten. Die über-
wiegende Mehrzahl der Forscher dürfte sich einer solchen nicht ohne grosse Bedenken entrathen.

Bis zu einem gewissen Grade kann allerdings eine grosse und langjährige Kenntniss und
Erfahrung die Methode ersetzen. Wie der alterfahrene Arzt manche Krankheiten auf den ersten
Blick richtig erkennt, welche der gut geschulte, aber noch ungeübte junge Medicus nur nach
niühevoller Untersuchung und auch dann nicht einmal immer zu diagnostiren vermag, so »fühlt
der gereifte Ornitholog, was zusammengehört«, während selbst eine gute Methode den Anfänger
nicht immer das rechte Ziel erreichen lässt, — aber dieses bei manchem Autor so sichere snb-
jective Gefühl hat gar oft auf Irrwege und Abwege geführt. Es ist genugsam bekannt, wie
der eine Autor, der sich in seiner reichen ornithologischen Thätigkeit durch einen gewiss nicht
geringen Scharfblick und ein feines Gefühl leiten liess, fast in jedem seiner zahlreichen und
schnell auf einander folgenden Systeme seine früheren Ansichten änderte, und nicht minder
weiss man, dass mancher sehr verdiente und kenntnissreiche Ornitholog an dieser oder jener
vorgefassten systematischen Meinung, obwohl ihre Unhaltbarkeit längst nachgewiesen war, mit
Zähigkeit festhielt, weil ihn eine einseitige, mehr autodidaktische Ausbildung die Bedeutsamkeit
der vorgebrachten Gegengründe verkennen liess. Dabei sei ganz geschwiegen von jenen nicht
so selten sich findenden systematischen Pechvögeln, die, sie mögen hingreifen wohin sie wollen,
zumeist eine unglückliche Hand haben und ohne Methode ganz und gar verloren sind.

drei räumlichen Dimensionen erstrecken müssen. Gleich den linearen Systemen kann ein planer Stamm-
baum mit in nur einer Ebene stattfindenden Verästelungen den wirklichen Verhältnissen nicht entsprechen. Aus Draht
angefertigte Modelle mit nach allen Bichtungen gehenden Zweigen dürften die vollkommenste Darstellung des
körperlichen Stammbaumes repraesentiren, während die graphische Keproduction sich — nach Art der Baupläne —
mit der Vertical- und Horizontalprojection begnügen muss. Die Verticalprojection würde der von den
meisten Autoren gegebenen Stammbaumform entsprechen, die Horizontalprojection würde in jenen Complexen
von neben einander liegenden Kreisen oder Namen ihren Ausdruck finden, wie er bereits von mehreren Autoren
(z. B. W. K. Parker, Sharpe, Garrod, Reichenotv, Fohbes) auf ornithologischem Gebiete zur Anschauung gebracht,
worden ist, wenn auch diese Autoren wohl nicht beabsichtigten, damit lediglich eine Horizontalprojection zu geben.
 
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