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Fürbringer, Max
Untersuchungen zur Morphologie und Systematik der Vögel: zugleich ein Beitrag zur Anatomie der Stütz- und Bewegungsorgane ; mit 30 Tafeln (Band 2): Allgemeiner Theil, Resultate und Reflexionen auf morphologischem Gebiete, systematische Ergebnisse und Folgerungen — Amsterdam, 1888

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https://doi.org/10.11588/diglit.15181#0014

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noch mehr verallgemeinert und auch gefunden, dass die Klage über die anatomische Constanz der
Vögel überhaupt nicht weniger als gerechtfertigt sei. Wer die seither entstandene Literatur
durchmustert und namentlich den Untersuchungen der speciellen Ornithotomen, von denen ich
vor Allen an Nitzsch, W. K. Parker, Garrod und Forbes erinnern will, eine eingehendere
Beachtung schenkt, der findet auf den verschiedensten Gebieten der Vogelanatomie jene wunder-
bare Fülle der Verschiedenheiten wieder; und meine eigenen Untersuchungen haben mir vollauf
den Beweis geliefert, dass hier Verschiedenheiten von einem Reichthum der Erscheinungen und
einer oft ganz unvermutheten Originalität vorliegen, welche, wenn sie auch denen der niederen
Formen an Bedeutung nachstehen, doch in mannigfacher Hinsicht von grossem Interesse sind.

Die Hauptbedeutung derselben finde ich darin, dass Formen beobachtet werden, welche hin-
sichtlich der im Speciellen Theile behandelten Organssysteme den höchsten Säugethieren nicht
allein gleichkommen, sondern dieselben z. Th. noch 13m ein Bedeutendes übertreffen. Einmal
liegen also Erscheinungen vor, welche nach der Höhe ihrer Differenzirung mehrfach zu denen
der (aus verzeihlichen Gründen uns ganz besonders interessirenden) menschlichen Anatomie in
Parallele gebracht werden können; dann aber handelt es sich hier um Gipfelpunkte in der Ent-
wickelung gewisser Systeme, wie sie von keinem anderen Wirbelthiere erreicht werden. Die
Bahnen zu verfolgen, welche zu diesen Endpunkten führen, den grossen Schritten nachzuspähen,
welche auf dem Wege zu diesen Höhen gemacht werden, schien mir keine ganz undankbare
Aibeit zu sein. Nicht unterschätzen möchte ich aber auch den Umstand, dass dieser grosse
Reichthum der Differenzirungen hier innerhalb ganz eng begrenzter Gruppen, über deren nahe
Verwandtschaft gar kein Zweifel bestehen kann, sich darbietet. Damit ist eine Constante, ein
fester Punkt gegeben, von dem aus alle diese mannigfachen Gestaltungen mit einer der Sicher-
heit nahekommenden Wahrscheinlichkeit auf ihre primäre oder secundäre Bedeutung abgeschätzt
werden können, und es leuchtet ein, dass die so gewonnene Erkenntniss wieder einen sicheren
Ausgang für vergleichend-morphologische Untersuchungen bei anderen Thieren giebt und zugleich
weitere Rückschlüsse auch von systematischer Art gestattet.

Aus nahe liegenden Gründen beginne ich mit den Differenzirungen der aus dem Stützgewebe
gebildeten Organe und gehe dann auf die Muskulatur und ihre Beziehung zum Nervensystem
über. Daran werde ich endlich die Besprechung einiger morphologischen Fragen anschliessen,
zu welchen gerade die vorhergehenden Untersuchungen anregen.

A. Die aus Stützgewebe bestehenden Gebilde.

Cap. 1. A llg-emeines.

Bekanntlich besitzen die verschiedenen Stützgewebe, wie verschiedenartig sie auch in Erscheinung
treten, doch die innigsten Beziehungen zu einander. Längst ist auf ontogenetischem und vergleichend-
anatomischem Wege nachgewiesen, dass Bindegewebe, Knorpelgewebe und Knochengewebe in gewissen
Fällen fast nach Art verschiedener Entwickelungsphasen auf einander folgen, sich ablösen und
sich ersetzen können, und man konnte hierbei neben der progressiven auch eine retrograde Ent-
wickelungsrichtung constatiren. Homologe Gebilde bestehen bei einem Thiere aus Bindegewebe,
bei einem anderen aus Knorpel, bei einem dritten aus Knochen. Die speciellere Art des Stütz-
gewebes ist an sich nicht ausschlaggebend für die Bestimmung der Homologien, wenn auch für
jeden besonderen Fall alle genetischen Instanzen genau erwogen werden müssen. Eine der
nöthigen Umsicht und Kritik entbehrende Vergleichung kann hier viel sündigen. Mit den geweblichen
 
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