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Fürbringer, Max
Untersuchungen zur Morphologie und Systematik der Vögel: zugleich ein Beitrag zur Anatomie der Stütz- und Bewegungsorgane ; mit 30 Tafeln (Band 2): Allgemeiner Theil, Resultate und Reflexionen auf morphologischem Gebiete, systematische Ergebnisse und Folgerungen — Amsterdam, 1888

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https://doi.org/10.11588/diglit.15181#0016

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842

wo seine verschiedenen Organsysteme in freiere Concurrenz treten, wo der äussere und innere
Züchtungsprocess sich sichtbarlich vollzieht.

Auf diesem Gebiete ist noch manche Frage zu lösen und mir will scheinen, dass gerade für
Forschungen dieser Art der Vogel ein besonders günstiges Object darbietet. Für umfangreichere
vergleichend-entwickelungsgeschichtliche Untersuchungen fehlt zur Zeit noch das ausreichende
Material. Im Ganzen ist dasselbe jedoch nicht schwer zu beschaffen, und wenn weitere Kreise
sich für die Inangriffnahme solcher Fragen interessiren sollten, so ist ein guter Erfolg mit Sicher-
heit vorauszusehen.

Man wird im speciellen Theile an sehr vielen Stellen finden, dass ich das mir zur Gebote
stehende foetale und jugendliche Material nach Möglichkeit zum Vergleiche herangezogen habe,
und man wird auch sehen, dass die vergleichend-anatomischen Befunde in zahlreichen Fällen in
erfreulichster Weise durch die ontogenetischen Resultate ergänzt werden konnten.

Aber in der durch das disponible Material von selbst gebotenen Beschränkung, wie in der
ganzen Art dieser Untersuchung liegt es, dass die ontogenetischen Befunde in derselben nur einen
untergeordneten Platz einnehmen, der Schwerpunkt dagegen in die vergleichend-anatomischen
Ergebnisse fällt. Ich sehe darin eine Lücke, die nach aber nicht sehr beschwert. Wie ich über-
haupt in der breiten Anwendung der vergleichend-morphologischen Methode ein vielver-
sprechenderes und ausgiebigeres Mittel der Forschung erblicke, als in der embrvologischen Einzel-
beobachtung oder in der auf nur wenige Formen beschränkten ontogenetischen Untersuchung,
und wie mir erst die vergleichende Methode das wahre Verständniss für die Resultate der Onto-
genie und die Lösung ihrer Räthsel giebt: so glaube ich, dass auch die Erstere bei der nöthigen
Vorsicht und Umsicht, namentlich in den vorliegenden Fällen, so sichere und selbständige Bahnen
zu wandeln vermag, dass sie der embryologischen Parallelen, so erfreulich ihr dieselben auch
sind, doch nicht nothwendig bedarf. Jedenfalls vermag sie mit grosser Wahrscheinlichkeit
ziemlich weitgehende phylogenetische Schlüsse zu machen und bleibt dabei viel mehr vor Irr-
thümern bewahrt, als eine vorschnelle Generalisirung und phylogenetische Deutung einzelner
ontogenetischer Befunde. Namentlich die Litteratur der letzten Jahre bringt hierfür manchen
interessanten Beleg.

Indem ich mich jetzt zu der specielleren Besprechung der bemerkenswertheren hier in Frage
kommenden Gebilde aus Stützgewebe wende, beginne ich zunächst mit denjenigen, welche dem
Muskelsysteme gegenüber eine gewisse Freiheit gewahrt haben, um erst danach zu den Differen-
zirungen überzugehen, welche, wie die Fascien, Aponeurosen und Sehnen, in geringerem oder
grösserem Grade von der Muskulatur beeinflusst und derselben dienstbar gemacht worden sind.

Cap. "2. Ge web lieh er Wechsel im Skeletsy stem.

A. Einleitende Bemerkungen.

Differenzirung ist bekanntlich die durch eine Arbeitstheilung bedingte Hervorbildung ungleich-
artiger Theile aus gleichartiger Grundlage. Die im Kampfe um das Dasein begünstigten Theile
werden hierbei zu einer höheren Ausbildung gelangen; die minder begünstigten können den
indifferenten Zustand bewahren, häufiger werden sie der Rückbildung anheimfallen. So verbindet
sich in den meisten Fällen mit progressiver Entfaltung auf der einen Seite eine regressive Meta-
morphose auf der anderen. Die niedrigsten Zustände des Skeletsystems werden durch Binde-
gewebe repraesentirt, das in höherer Differenzirung festere und mehr lockere Stellen ausbildet.
Weiterhin können die festeren Stellen durch allmähligc Umbildung in die höhere Form des
Knorpelgewebes übergehen, während andere und namentlich die mehr lockeren zwischen binde-
gewebiger Verdichtung, mehr indifferentem Verhalten und noch weiter gehender Lockerung und
 
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