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Fürbringer, Max
Untersuchungen zur Morphologie und Systematik der Vögel: zugleich ein Beitrag zur Anatomie der Stütz- und Bewegungsorgane ; mit 30 Tafeln (Band 2): Allgemeiner Theil, Resultate und Reflexionen auf morphologischem Gebiete, systematische Ergebnisse und Folgerungen — Amsterdam, 1888

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https://doi.org/10.11588/diglit.15181#0030

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mit Sicherheit abgegrenzt; bei Beiden ist der M. snpracoracoideus nur schwach entwickelt.
Andererseits zeigen unter den Galli die Megapodiidae und Cracidae mit relativ massig entfaltetem
Muskel eine gut ausgeprägte, die Phasianidae und Tetraonidae mit grösserem und stärkerem
M. snpracoracoideus eine nur gering ausgebildete Linie; hier ist schon Oustalet die Differenz
aufgefallen. Ich vermag für dieses eigenthümliche Verhalten keine andere Erklärung auf-
zufinden, als diejenige, dass in dem einen Talle bei deutlicher markirter Linie eine seit längerer
Zeit fixirte Configuration des Muskels, eine Art Ruhezustand in dem Umbildungsvorgange des-
selben eingetreten ist (Colymbus, Megapodiidae etc.), in dem anderen Falle dagegen ein Durch-
gangsstadium vorliegt, welches der Muskel auf seiner retrograden (Steganopodes) oder progressiven
(Phasianidae, Tetraonidae) Wanderung durchläuft und welches in der gerade beobachteten Aus-
bildung noch jüngeren Datums ist. Doch kommen hierbei noch einige Nebeninstanzen in Frage, auf
deren Ventilirung ich indessen für's Erste verzichte. Das Gleiche scheint auch für die zahlreichen
anderen hierher zu rechnenden Fälle zu gelten, auf die einzugehen jedoch zu weit führen würde.

(Jap. 4. Gelenke und sonstige Skeletverbindungen.

A. Allgemeinere Bemerkungen über Ontogenie und vergleichende Morphologie der Gelenke.

Die ontogenetische Entwickelung der Gelenke ist lange Zeit ein von Anatomen und Chirurgen
besonders cultivirtes Untersuchungsgebiet gewesen. Namentlich an die Arbeiten von Bernays
und den ihm in der Hauptsache folgenden Schulin knüpfen sich, was das Allgemeine anlangt,
unsere bedeutsamsten Fortschritte. In denselben wurden die Resultate der früheren Untersuchungen,
insbesondere von Bruch, Luschka, Hüter, Henke und Reyrer kritisch gesichtet, das Richtige
bestätigt, die weniger begründeten Folgerungen auf ihr richtiges Maass zurückgeführt, ausserdem
aber durch die directe Untersuchung eine Kenntniss der ontogenetischen Entwickelung gewonnen,
welche als gesichert gelten darf. Weitere schätzenswerthe Beiträge verdanken wir Kölliker,
Nagel, Schuster, Hagen-Torn u. A.

Auf alle die verschiedenen Fragen, welche in diesen Untersuchungen behandelt worden sind
resp. sich an dieselben anknüpfen lassen, einzugehen, liegt durchaus nicht in meiner Absicht.
Nur einige Punkte, die mir für das Verständniss der Gelenkentwickelung von Interesse zu sein
scheinen, greife ich heraus.

Eines der Hauptresultate der BERNAYs'schen Untersuchung liegt anerkannter Maassen in dem
Nachweise, dass die hauptsächlichste Formung der Gelenkflächen und die Gestaltung der Neben-
apparate nicht unter dem Einflüsse einer gleichzeitig in Gang kommenden embryonalen Bewegung
der Muskeln sich vollzieht (Henke und Reyher), sondern bereits vor dieser Zeit, unabhängig
von solch einer supponirten Wirkung, als eine einfache von den Vorfahren ererbte Configuration
in Erscheinung tritt. Nur für die feineren späteren und grösstentheils postembryonalen Model-
lirungcn konnte im Sinne Fick's ein bedingender Einfluss der Muskulatur auf die Skeletgestal-
tungen aufrecht erhalten werden.

Dieser Nachweis ist zugleich ein klares Exempel für die Grenzen der embryologischen Forschung.
Das Wesentliche der von den Vorfahren im Laufe langer phylogenetischer Zeiträume erworbenen
Bildungen wird in der Ontogenie einfach als fertiger Besitz übernommen und so reproducirt,
und erst die späteren Entwickelungsperioden gestatten uns über das Wesen dieser selbstverständlich
in der Hauptsache von der Muskulatur beherrschten Bildungsvorgänge eine bessere Einsicht zu
gewinnen. Auch hierfür ist das im 1. Capitel Gesagte anwendbar. Im Übrigen verweise ich
bezüglich der tieferen Bedeutung dieses Verhaltens auf die lichtvollen Darstellungen Gegenbaur's.

Angesichts dieser Insufficienz der ontogenetischen Untersuchung lag es nahe, den Weg der
vergleichend-anatomischen Forschung zu versuchen, um auf ihm zu ausreichenderen Resultaten zu
 
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