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Fürbringer, Max
Untersuchungen zur Morphologie und Systematik der Vögel: zugleich ein Beitrag zur Anatomie der Stütz- und Bewegungsorgane ; mit 30 Tafeln (Band 2): Allgemeiner Theil, Resultate und Reflexionen auf morphologischem Gebiete, systematische Ergebnisse und Folgerungen — Amsterdam, 1888

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https://doi.org/10.11588/diglit.15181#0165

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991

Ausbildung des Thorax dem Herzen einen besonderen Schutz gewährt und für die Erhaltung
dieses Zustandes sorgt.

Eine dritte hemmende Instanz bilden die Ge fasse für die vorderen Extremität,
die bekanntlich bei Fischen und Dipnoi meist in der Nähe des Kiemenapparates liegt, aber auch
bei den Amphibien nicht sehr weit davon entfernt ist. Es lässt sich leicht begreifen, dass ein
oder einige kräftigere Gefässe derselben einen ähnlichen, wenn auch nicht so directen Einfluss
ausüben können wie die Kiemengefässe und dass bei deren Rückbildung das Herz in seiner
Wanderung grössere Freiheit gewinnt. Bei den Muraenoiden, wo die vordere Extremität sehr
reducirt, und namentlich bei den Symbranchii, wo dieselbe äusserlich vollkommen geschwunden
ist, liegt das Herz weiter hinten als bei den Verwandten, die gut entwickelte Brustflossen haben-
Ebenso bieten die extremitätenlosen Coecilien ein ungleich weiter als bei den anderen Amphi-
bien nach hinten gerücktes Herz dar; Wiedersheim hat bei dieser Abtheilung Muskelrndimente
einer einstmaligen Extremität abgebildet und beschrieben, die viel weiter vorn liegen als das
Herz. Aber auch unter den Amnioten finden wir manches bestätigende Moment. Die Aa. sub-
claviae verlaufen bei den Sauriern meistens recht schräg nach vorn zu den Extremitäten, eine
Richtung, welche die nach hinten gehende Tendenz des Herzens und der Aorta genngsam bekundet;
bei einzelnen Scincoiden mit kleinen Extremitäten finde ich diesen praeaxialen Verlauf besonders stark
ausgeprägt und das Herz etwas weiter nach hinten gerückt; bei den schlangenälmlichen Sauriern eiuK
lieh liegt das Herz beträchtlich weiter hinten als die rudimentäre Extremität und in noch viel
höherem Grade hat die Rückwärtswanderung bei den Schlangen (deren vordere Extremität vor
ihrem gänzlichen Schwunde sehr wahrscheinlich ziemlich weit vorn gelegen war) ') stattgefunden:
hier ist, soweit Anheftungen durch diese Gefässe in Frage kommen, das Maximum von Frei-
heit erreicht. Bei den übrigen Reptilien, den Vögeln und den Säugethieren finden wir constan-
tere Verhältnisse in der Versorgung der vorderen Extremität durch eine A. subclavia, welche
mehr praeaxial als bei den Sauriern und in einer im Grossen und Ganzen gleichen Weise ent-
springt und abgesehen von den Rathen, immer eine ansehnliche Grösse besitzt. Auf diese Weise
ist ein Band zwischen Extremität und Herz gegeben, dass in gewisser Weise auch die ursprüng-
lich auseinander gehenden Bewegungen beider Organe mit einander verbindet.
Ist dieser Connex auch ein solcher, dass er beiden noch ein grosses Maass von Freiheit in
ihren Excursionen gestattet, so wird eine gewisse gegenseitige Abhängigkeit von einander doch
nicht auszuschliessen sein; und je höher sich die Extremität entfaltete und je grössere Leistun-
gen sie vollbrachte, um so mehr ist anzunehmen, dass ihre Bewegung mit bedeutenderer
Intensität erfolgte und somit auf die Lage des Herzens den grösseren
Einfluss ausübte. Dies aber scheint bei den meisten Carinaten der Fall gewesen zu sein.

D. Über das Verhältniss der Körpergrösse.

Im speciellen Theile dieser Arbeit konnte an zahlreichen Stellen gezeigt werden, dass bei der
Ausbildung der Knochen und Muskeln die Körpergrösse der verschiedenen Vögel keinen gleich-
giltigen Factor spielt, sondern vielmehr in sehr bestimmter Weise mit charakteristischen Diffe-

') Bekanntlich wurden auch von Jheking bei Coronella und von Carlsson bei mehreren Schlangen in wech-
selnder Weise aus 2—3 Wurzeln gebildete Nervengeflechte im Bereiche des 2. bis 6. Spinalnerven gefunden, welche
beide Autoren als Plexus brachialis deuten. Wenn auch diese Deutung bei dem völligen Schwunde einer jeden
Spur von vorderer Extremität und bei der Vertheilung der Endäste dieses Plexus in ein Gebiet, welches mit einer
emstmaligen Gliedmaasse nichts zu thun hat, noch nicht ausreichend fundirt erscheint, so wird doch durch den
Vergleich mit schlangenähnlichen Sauriern wahrscheinlich gemacht, dass jenes Geflecht noch die Stelle andeutet,
Wo einstmals die vordere Extremität sich befand.
 
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