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Fürbringer, Max
Untersuchungen zur Morphologie und Systematik der Vögel: zugleich ein Beitrag zur Anatomie der Stütz- und Bewegungsorgane ; mit 30 Tafeln (Band 2): Allgemeiner Theil, Resultate und Reflexionen auf morphologischem Gebiete, systematische Ergebnisse und Folgerungen — Amsterdam, 1888

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https://doi.org/10.11588/diglit.15181#0057

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883

Cap. 7. Bemerkungen über Nomenklatur der aus straffem
Bindegewebe bestehenden Gebilde1).

A. Einleitendes.

Wer in den gebräuchlichen Lehrbüchern der menschlichen Anatomie über die Begriffe Band,
Fascie, Aponeurose, Sehne etc. sich zu orientiren gesucht hat, der scheidet mit nicht sehr be-
friedigten Gefühlen von dieser Leetüre. Einerseits weichen die verschiedenen Autoren hinsichtlich
dieser Begriffsbestimmungen nicht unerheblich von einander ab, andererseits aber zeigen auch
viele Verfasser in der Anwendung ihrer eigenen Nomenclatur nicht immer ein ganz consequentes
Verhalten. So z. B. nennt der Erste Alles, was Muskeln umhüllt, Eascie; für den Zweiten da-
gegen ist die oberflächliche Fascie des Ersten einfaches subcutanes Bindegewebe, während er nur
die strafferen Züge als echte Fascien anerkennt; ein Dritter wieder findet diese Bezeichnung nur
dann zulässig, wenn ein fester Zusammenhang mit Muskeln gegeben ist; damit beginnt für den
Vierten bereits der Begriff Aponeurose; ein Fünfter und Sechster verstehen unter Aponeurose
entweder schlechtweg eine Eascie oder einfach eine breite Sehne; ein Siebenter endlich nennt
das Fascie, was der Achte als Ligament bezeichnet. Oder ein Autor giebt zunächst eine ganz
richtige Definition der Begriffe Fascie und Ligament: Erstere umhülle die Muskeln, Sehnen und
sonstige Weichtheile einer Körperregion, letzteres habe nur die Aufgabe, Knochen zu verbinden.
Schlägt man aber in seinem Buche weiter nach, so findet man zahlreiche Faserzüge, die Muskeln
und Sehnen umhüllen, als Ligamente aufgeführt, und zwar Züge die z. TL auch mit dem Kno-
chen in Zusammenhang stehen, wonach allerdings die Bezeichnung einigermassen entschuldigt
wird, aber auch solche („Ligamenta muscularia"), die gar nichts mit dem Skelet zu thivn haben.
Offenbar gebraucht er die Bezeichnung Ligament, um damit anzudeuten, dass hier besonders
kräftige und z. Th. gut abgegrenzte Fascienzüge vorliegen. So bringt er ein neues heterogenes
Moment für die Definition herbei; aber auch damit verfährt er nicht consequent, denn unter
dieser Nomenclatur führt er an anderen Stellen seines Lehrbuches ein Lig. stylo-hyoideum, Lig.
thyreo-arytaenoideum superius, Lig. hepato-gastricum etc. etc. auf, — zumeist Faserzüge, bei denen
das Bindegewebe zärter als in den meisten Fascien ist und wo überhaupt die Abgrenzung des
Bandes gegen das noch lockere Bindegewebe z. Th. recht schwierig, wenn nicht unmöglich wird.
Beide Beispiele Hessen sich leicht mit einer grossem Reihe anderer vermehren. Sie mögen
genügen.

Diese geringe Übereinstimmung und nicht sehr grosse Folgerichtigkeit beruht wohl vornehmlich
auf dem Umstände, dass gerade hier ein Gebiet vorliegt, wo die Begriffe nicht leicht festzuhalten
sind. Das Stützgewebe mit seiner proteusartigen Natur, mit seiner Abhängigkeit von den um-
liegenden activeren Gewebselementen und seiner Plasticität und Metaplasticität durch dieselben,
wechselt Form und Struetur wie kein zweiter Bestandtheil des Körpers und macht Grenzbestim-
mungen hier besonders schwierig. Aber Grenzen existiren nirgends in der organischen Welt.
Wir allein machen sie, müssen sie machen, wenn wir ein Gebiet beherrschen wollen. Und so
gut wir die Begriffe Berg und Thal, Thier, Protist und Pflanze aufgestellt haben und anwenden,
wenn wir auch im gegebenen Falle nicht immer sagen können, wo das Thal aufhört und wo der
Berg beginnt, wo der Protist mehr nach dem Thiere, wo er mehr nach der Pflanze hinneigt, so
müssen wir auch hier durchgehende Begriffe festhalten, auch wenn die speciellen Fälle, wo wir

!) Die in diesem C'apitel gegebenen Ausführungen sollen die Frage durchaus nicht erschöpfend behandeln,
sondern beschränken sich auf eine skizzenhafte Darstellung, die durch eine nur sehr beschränkte Anzahl von Bei-
spielen illustrirt wird.
 
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