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Gesellschaft für Vor- und Frühgeschichte in Württemberg und Hohenzollern [Hrsg.]; Württembergischer Altertumsverein [Hrsg.]; Württembergischer Anthropologischer Verein [Hrsg.]; Württembergischer Geschichts- und Altertumsverein [Hrsg.]
Fundberichte aus Schwaben — N.F. 1.1922

DOI Artikel:
Goessler, Peter: Zum 50jährigen Bestehen des Württembergischen Anthropologischen Vereins
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.43772#0013
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Im Jahre 1875 entwarf der Verein, dessen Mitgiiederzahl bald nach der
Gründung sich zwischen 2—300 bewegte, ein großes Programm durch Teilung
der Aufgaben in mehrere Sektionen. Er hatte sich dabei aber etwas über-
nommen; denn für Arbeiten von einer Weite, wie genaueste Aufnahme der
Schulkinder, der Dialekte, der auffallenden Personen- und Ortsnamen, Ge-
samtregistrierung aller Bodenfunde, Erforschung der gesamten vorgeschicht-
lichen Kultur in ihrer Abfolge waren zunächst keine Arbeitskräfte da, aber
auch die Zeiten noch lange nicht reif. Von selbst ergab sich mit der Zeit
die Einstellung auf bescheidenere Aufgaben, vor allem eine sorgsame archäo-
logische Arbeit, die mehr und mehr aus der Altertümerforschung zu der auf
Erkenntnis der Siedlungen aufgebauten Altertumsforschung sich ver-
breiterte und zugleich vertiefte. Der Name des Vereins ist verknüpft mit
den bedeutsamsten Grabhügelfunden des Bandes, der Belleremise und dem
Kleinaspergle bei Ludwigsburg, die O. Fraas im Jahre 1877 und 1879 unter-
suchte. Später wurden da und dort weitere Grabhügel untersucht, aber
mit der Zeit diese Aufgabe dem staatlichen Landeskonservatorium über-
lassen, wozu der Verein in neuester Zeit hauptsächlich aus Mitteln der zur
Erinnerung an E. Fraas zusammengekommenen Fraas-Stiftung beisteuerte.
Im Jahr 1890 regte der Verein die archäologische Landesauf-
nahme an, die dann nachher der Staat durchgeführt hat. Im Jahr 1892
gründete er — und dies ist wohl sein bleibendstes Verdienst — eine Jahres-
zeitschrift für die vorgeschichtlichen, römischen und merovingischen Alter-
tümer, die Fundberichte aus Schwaben, die bis 1904 Gustav-
Sixt, dann einige Jahre Eugen Gradmann, seither der Schreiber dieses heraus-
gegeben hat. Es ist das eifrigste Bestreben des Vereins, sie auch über die
jetzige Notzeit wissenschaftlicher Erscheinungen hinüberzuretten als den
Kristallisationspunkt seiner ganzen Arbeit, ohne den sie zerflattern und
in Bälde ganz zerbrechen würde. An den drei Tagungen, welche die Deutsche
Anthropologische Gesellschaft auf Württembergs Boden gehalten hat, 1873
in Stuttgart, 1892 in Ulm und 1911 in Heilbronn und Stuttgart, ebenso am
Naturforscher- und Aerztekongreß 1906 in Stuttgart hat der Wiirttembergische
Anthropologische Verein sich aufs regste beteiligt. 1897 feierte er das 25jährige
Bestehen durch einen Festabend mit Vorträgen des Vorsitzenden Hedinger
und des Ehrenvorstands Holder. Im Januar 1905 veranstaltete er in der
König-Karl-Halle eine viel besuchte Ausstellung der archäologischen Vorzeit
Schwabens, gleichsam eine Flucht in die Oeffentlichkeit aus den engen Stapel-
räumen des Museums vaterländischer Altertümer. Je mehr sich die ungemein
reiche Ur- und Vorgeschichte unserer Heimat als naturgemäße Aufgabe dem
Verein darbietet, indes die Frühgeschichte mehr dem Geschichts- und Alter-
tumsverein zufällt, um so schmerzlicher empfindet er beim Rückblick auf
die vergangenen 50 Jahre, daß unser Land es immer noch nicht zu einem
seiner Bedeutung entsprechenden Heim seines Museums vaterländischer
Altertümer gebracht hat. An Bemühungen einzelner darum hat es nicht
gefehlt, vor allem hat auch der Anthropologische Verein immer wieder die
Forderung danach erhoben. Aber es sind noch andere Zukunftssorgen, die
heute einen rein wissenschaftlich gerichteten Verein schwer bedrücken. Die
Wissenschaft braucht heute mehr als je Dilettanten im besten Sinn und den
Zusammenschluß opferwilliger Freunde und Liebhaber der Wissenschaft
zu einem Verein, damit ihre Flamme ja nicht erlischt. Ihre Zukunft hängt
von niemand mehr ab, als vom Nachwuchs; und für den zu sorgen, sowohl
durch Schaffung von Lehrstühlen und Lehrern an Hochschulen, als auch
von Schülern, ist ganz besonders dringend. Daß der Staat diesen Kultur-
aufgaben, die weite Kreise heute als nicht lebensnotwendig ablehnen oder
 
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